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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

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um einen Baumstamm, wiewohl der Charakter unsres Einspän-
ners ohnehin Garantieen für sein Wohlverhalten geboten hätte,
und stiegen den Berg hinan. Es war inzwischen finstrer geworden,
wenigstens waren die Schatten des Waldes um uns her, dunkle
Schatten, die durch zwei einzelne Lichter, am Ausgang einer seit-
wärts gelegenen Schlucht, nur noch zu wachsen schienen. Es
mochte da ein Haus stehen, vielleicht eine Mühle. Unser Führer
schritt rüstig vorauf, das Gebüsch wurde immer dichter, und ich
folgte nur noch dem Klang seiner Schritte und einem unbestimm-
ten Schatten, der vor mir herschwankte. Ich dachte unwillkürlich
an Trampe, und dies mochte die Ursache sein, daß ich mich be-
eilte, mich wieder an die Seite des Führers zu bringen. Es ge-
lang auch; in demselben Augenblicke aber, wo ich seinen Arm
streifte, klang es wie Hundeblaff über den Berg hin, und ich
zuckte zusammen und stand. Der Führer aber, der meinem Ge-
dankengange gefolgt sein mußte, sagte ruhig: "das ist dem Mül-
ler
seiner; der andre blafft nicht." Die Ruhe, mit der er dies
sagte, überhob mich jeder Verlegenheit; -- so kamen wir endlich
auf der Kuppe des Hügels an.

Diese Kuppe beschreibt einen Kreis von etwa 40 Schritt
Durchmesser. Wir traten zunächst an den Vorderrand des Berges,
der sonst einen freien Blick in die Landschaft gestattet, jetzt aber
von Bäumen so dicht umstanden ist, daß sich nur mühsam, durch
Stämme und Laub hindurch, ein Blick auf das unten liegende
Bruch ermöglicht. Auf den Wiesen brauten die Nebel, nicht länger
golden durchglüht; nur im Westen säumte noch ein rother Strei-
fen den Himmel, während wir selbst in völliger Nacht standen.

Wir umschritten nun die Rundung, denselben Kreis, der einst
den Burghof einschloß, bis wir an die Rückseite der Hügelkuppe
kamen, die ebenso in die tiefen Schluchten eines Bergterrains, wie
die Vorderseite in das offne Bruchland herniedersieht. Hier an der
Rückseite befinden sich auch die Ueberbleibsel der Burg; halbmanns-
hohe Mauerreste von bedeutender Stärke, die es, höchst wahrschein-
licherweise, dem Burg- und Bauverständigen immer noch möglich

um einen Baumſtamm, wiewohl der Charakter unſres Einſpän-
ners ohnehin Garantieen für ſein Wohlverhalten geboten hätte,
und ſtiegen den Berg hinan. Es war inzwiſchen finſtrer geworden,
wenigſtens waren die Schatten des Waldes um uns her, dunkle
Schatten, die durch zwei einzelne Lichter, am Ausgang einer ſeit-
wärts gelegenen Schlucht, nur noch zu wachſen ſchienen. Es
mochte da ein Haus ſtehen, vielleicht eine Mühle. Unſer Führer
ſchritt rüſtig vorauf, das Gebüſch wurde immer dichter, und ich
folgte nur noch dem Klang ſeiner Schritte und einem unbeſtimm-
ten Schatten, der vor mir herſchwankte. Ich dachte unwillkürlich
an Trampe, und dies mochte die Urſache ſein, daß ich mich be-
eilte, mich wieder an die Seite des Führers zu bringen. Es ge-
lang auch; in demſelben Augenblicke aber, wo ich ſeinen Arm
ſtreifte, klang es wie Hundeblaff über den Berg hin, und ich
zuckte zuſammen und ſtand. Der Führer aber, der meinem Ge-
dankengange gefolgt ſein mußte, ſagte ruhig: „das iſt dem Mül-
ler
ſeiner; der andre blafft nicht.“ Die Ruhe, mit der er dies
ſagte, überhob mich jeder Verlegenheit; — ſo kamen wir endlich
auf der Kuppe des Hügels an.

Dieſe Kuppe beſchreibt einen Kreis von etwa 40 Schritt
Durchmeſſer. Wir traten zunächſt an den Vorderrand des Berges,
der ſonſt einen freien Blick in die Landſchaft geſtattet, jetzt aber
von Bäumen ſo dicht umſtanden iſt, daß ſich nur mühſam, durch
Stämme und Laub hindurch, ein Blick auf das unten liegende
Bruch ermöglicht. Auf den Wieſen brauten die Nebel, nicht länger
golden durchglüht; nur im Weſten ſäumte noch ein rother Strei-
fen den Himmel, während wir ſelbſt in völliger Nacht ſtanden.

Wir umſchritten nun die Rundung, denſelben Kreis, der einſt
den Burghof einſchloß, bis wir an die Rückſeite der Hügelkuppe
kamen, die ebenſo in die tiefen Schluchten eines Bergterrains, wie
die Vorderſeite in das offne Bruchland herniederſieht. Hier an der
Rückſeite befinden ſich auch die Ueberbleibſel der Burg; halbmanns-
hohe Mauerreſte von bedeutender Stärke, die es, höchſt wahrſchein-
licherweiſe, dem Burg- und Bauverſtändigen immer noch möglich

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[313/0325] um einen Baumſtamm, wiewohl der Charakter unſres Einſpän- ners ohnehin Garantieen für ſein Wohlverhalten geboten hätte, und ſtiegen den Berg hinan. Es war inzwiſchen finſtrer geworden, wenigſtens waren die Schatten des Waldes um uns her, dunkle Schatten, die durch zwei einzelne Lichter, am Ausgang einer ſeit- wärts gelegenen Schlucht, nur noch zu wachſen ſchienen. Es mochte da ein Haus ſtehen, vielleicht eine Mühle. Unſer Führer ſchritt rüſtig vorauf, das Gebüſch wurde immer dichter, und ich folgte nur noch dem Klang ſeiner Schritte und einem unbeſtimm- ten Schatten, der vor mir herſchwankte. Ich dachte unwillkürlich an Trampe, und dies mochte die Urſache ſein, daß ich mich be- eilte, mich wieder an die Seite des Führers zu bringen. Es ge- lang auch; in demſelben Augenblicke aber, wo ich ſeinen Arm ſtreifte, klang es wie Hundeblaff über den Berg hin, und ich zuckte zuſammen und ſtand. Der Führer aber, der meinem Ge- dankengange gefolgt ſein mußte, ſagte ruhig: „das iſt dem Mül- ler ſeiner; der andre blafft nicht.“ Die Ruhe, mit der er dies ſagte, überhob mich jeder Verlegenheit; — ſo kamen wir endlich auf der Kuppe des Hügels an. Dieſe Kuppe beſchreibt einen Kreis von etwa 40 Schritt Durchmeſſer. Wir traten zunächſt an den Vorderrand des Berges, der ſonſt einen freien Blick in die Landſchaft geſtattet, jetzt aber von Bäumen ſo dicht umſtanden iſt, daß ſich nur mühſam, durch Stämme und Laub hindurch, ein Blick auf das unten liegende Bruch ermöglicht. Auf den Wieſen brauten die Nebel, nicht länger golden durchglüht; nur im Weſten ſäumte noch ein rother Strei- fen den Himmel, während wir ſelbſt in völliger Nacht ſtanden. Wir umſchritten nun die Rundung, denſelben Kreis, der einſt den Burghof einſchloß, bis wir an die Rückſeite der Hügelkuppe kamen, die ebenſo in die tiefen Schluchten eines Bergterrains, wie die Vorderſeite in das offne Bruchland herniederſieht. Hier an der Rückſeite befinden ſich auch die Ueberbleibſel der Burg; halbmanns- hohe Mauerreſte von bedeutender Stärke, die es, höchſt wahrſchein- licherweiſe, dem Burg- und Bauverſtändigen immer noch möglich

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/325>, abgerufen am 25.11.2024.