dieser Wandlung der Dinge liegt, so fraglich erscheint es doch, ob dem gegenwärtig Gültigen, auch nach der Seite der weltmännischen Bildung hin, der Vorzug gebührt. Jene edelmännische Erziehung, die Hans Adam von Schöning erhielt, erweiterte den Blick, wäh- rend unsere jetzige Ausbildung nur allzusehr geeignet ist, den Blick zu beschränken. Wie vorzüglich auch das sein mag, was daheim, es sei wo es sei, gehegt und gepflegt wird, die Isolirung hindert an der Wahrnehmung, ob inzwischen draußen nicht doch noch ein Vorzüglicheres entstanden ist. Wir haben diesen Fehler einmal in unserer Geschichte schwer gebüßt. Die Armee sollte nur die eine Hälfte unserer adeligen Erziehung sein, die andere Hälfte, nach Vorbild dessen, was früher Sitte war, sollte folgen. Der Ein- tritt aus des Vaters Edelhof in die Armee und der Rücktritt aus der Armee in den Edelhof -- das genügt nicht mehr. Es ist dies einer der Punkte, wo das Bürgerthum den Adel, wenigstens den unsrigen, vielfach überholt hat.
Aber wenden wir uns wieder unserem Schöning zu. -- Bald nach seiner Rückkehr in die Heimath trat er in kurfürstlichen Dienst, vermählte sich (1670) mit einem Fräulein von Pöllnitz, avancirte rasch, wurde Rittmeister, Oberst, Gouverneur von Spandau und mit kaum 36 Jahren (1677) Generalmajor. Dieser seiner Ernen- nung waren aber bereits kriegerische Ereignisse, eine Campagne am Oberrhein gegen Turenne, wo ihm bei Erstürmung eines festen Platzes die drei äußern Finger der rechten Hand zerschmettert wur- den, die Verjagung der Schweden aus der Mark (Fehrbellin) *) und die Eroberung Stettins vorausgegangen.
Hans Adam von Schöning war nun Generalmajor. Die bei- den ersten Akte des Krieges mit Schweden hatten ausgespielt. Die Marken waren befreit, Stettin erobert. Das folgende Jahr brachte gleiches Waffenglück. Rügen wurde besetzt und das feste Stralsund,
*) Schöning war übrigens nicht mit bei Fehrbellin. Er befand sich bei den Fußtruppen, die, unter dem Oberbefehl General Görtzke's, den Reiterregimentern nachrückten.
dieſer Wandlung der Dinge liegt, ſo fraglich erſcheint es doch, ob dem gegenwärtig Gültigen, auch nach der Seite der weltmänniſchen Bildung hin, der Vorzug gebührt. Jene edelmänniſche Erziehung, die Hans Adam von Schöning erhielt, erweiterte den Blick, wäh- rend unſere jetzige Ausbildung nur allzuſehr geeignet iſt, den Blick zu beſchränken. Wie vorzüglich auch das ſein mag, was daheim, es ſei wo es ſei, gehegt und gepflegt wird, die Iſolirung hindert an der Wahrnehmung, ob inzwiſchen draußen nicht doch noch ein Vorzüglicheres entſtanden iſt. Wir haben dieſen Fehler einmal in unſerer Geſchichte ſchwer gebüßt. Die Armee ſollte nur die eine Hälfte unſerer adeligen Erziehung ſein, die andere Hälfte, nach Vorbild deſſen, was früher Sitte war, ſollte folgen. Der Ein- tritt aus des Vaters Edelhof in die Armee und der Rücktritt aus der Armee in den Edelhof — das genügt nicht mehr. Es iſt dies einer der Punkte, wo das Bürgerthum den Adel, wenigſtens den unſrigen, vielfach überholt hat.
Aber wenden wir uns wieder unſerem Schöning zu. — Bald nach ſeiner Rückkehr in die Heimath trat er in kurfürſtlichen Dienſt, vermählte ſich (1670) mit einem Fräulein von Pöllnitz, avancirte raſch, wurde Rittmeiſter, Oberſt, Gouverneur von Spandau und mit kaum 36 Jahren (1677) Generalmajor. Dieſer ſeiner Ernen- nung waren aber bereits kriegeriſche Ereigniſſe, eine Campagne am Oberrhein gegen Turenne, wo ihm bei Erſtürmung eines feſten Platzes die drei äußern Finger der rechten Hand zerſchmettert wur- den, die Verjagung der Schweden aus der Mark (Fehrbellin) *) und die Eroberung Stettins vorausgegangen.
Hans Adam von Schöning war nun Generalmajor. Die bei- den erſten Akte des Krieges mit Schweden hatten ausgeſpielt. Die Marken waren befreit, Stettin erobert. Das folgende Jahr brachte gleiches Waffenglück. Rügen wurde beſetzt und das feſte Stralſund,
*) Schöning war übrigens nicht mit bei Fehrbellin. Er befand ſich bei den Fußtruppen, die, unter dem Oberbefehl General Görtzke’s, den Reiterregimentern nachrückten.
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dieſer Wandlung der Dinge liegt, ſo fraglich erſcheint es doch, ob
dem gegenwärtig Gültigen, auch nach der Seite der weltmänniſchen
Bildung hin, der Vorzug gebührt. Jene edelmänniſche Erziehung,
die Hans Adam von Schöning erhielt, erweiterte den Blick, wäh-
rend unſere jetzige Ausbildung nur allzuſehr geeignet iſt, den Blick
zu beſchränken. Wie vorzüglich auch das ſein mag, was daheim,
es ſei wo es ſei, gehegt und gepflegt wird, die Iſolirung hindert
an der Wahrnehmung, ob inzwiſchen draußen nicht doch noch ein
Vorzüglicheres entſtanden iſt. Wir haben dieſen Fehler einmal in
unſerer Geſchichte ſchwer gebüßt. Die Armee ſollte nur die eine
Hälfte unſerer adeligen Erziehung ſein, die andere Hälfte, nach
Vorbild deſſen, was früher Sitte war, ſollte folgen. Der Ein-
tritt aus des Vaters Edelhof in die Armee und der Rücktritt aus
der Armee in den Edelhof — das genügt nicht mehr. Es iſt dies
einer der Punkte, wo das Bürgerthum den Adel, wenigſtens den
unſrigen, vielfach überholt hat.
Aber wenden wir uns wieder unſerem Schöning zu. — Bald
nach ſeiner Rückkehr in die Heimath trat er in kurfürſtlichen Dienſt,
vermählte ſich (1670) mit einem Fräulein von Pöllnitz, avancirte
raſch, wurde Rittmeiſter, Oberſt, Gouverneur von Spandau und
mit kaum 36 Jahren (1677) Generalmajor. Dieſer ſeiner Ernen-
nung waren aber bereits kriegeriſche Ereigniſſe, eine Campagne am
Oberrhein gegen Turenne, wo ihm bei Erſtürmung eines feſten
Platzes die drei äußern Finger der rechten Hand zerſchmettert wur-
den, die Verjagung der Schweden aus der Mark (Fehrbellin) *)
und die Eroberung Stettins vorausgegangen.
Hans Adam von Schöning war nun Generalmajor. Die bei-
den erſten Akte des Krieges mit Schweden hatten ausgeſpielt. Die
Marken waren befreit, Stettin erobert. Das folgende Jahr brachte
gleiches Waffenglück. Rügen wurde beſetzt und das feſte Stralſund,
*) Schöning war übrigens nicht mit bei Fehrbellin. Er befand ſich
bei den Fußtruppen, die, unter dem Oberbefehl General Görtzke’s, den
Reiterregimentern nachrückten.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/32>, abgerufen am 26.11.2024.
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