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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

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glücklich, liederfroh, bis er plötzlich, wie mancher vor ihm, eine
Leere und eine Sehnsucht in seinem Herzen wach werden und
wachsen fühlte, die ihn nun wieder heimwärts trieb. Er sang:

Wir sind nicht blos zum Wandern
(Wie's immer auch gefällt),
Wir sind zu manchem andern
Und bessrem in der Welt;

und mit dieser Betrachtung kehrte er in seine Vaterstadt zurück.

Die Heimath nahm ihn wieder auf, und wenn sein Wander-
leben poetisch gewesen war, wie es das Vorrecht allen Wander-
lebens ist, so war es ihm nun, bei seiner Rückkehr, vor manchem
andren Wandrer beschieden, daß er nicht aus der Poesie des Um-
herstreifens in die Alltags-Prosa eintrat, sondern daß der Roman
seines Lebens nun erst voll begann. Dem lyrischen Vorspiel folgte
die dramatische Aktion; an Effekt-Scenen kein Mangel.

Die Personen, die in diesem Drama kommen und gehen,
leben zum großen Theile noch und so sind uns an dieser Stelle
nur Andeutungen gestattet. Verlobungen aus Träumerei und ro-
mantischem Ehrbegriff, Trauungen auf dem Todtenbett, räthselhafte
Wiedergenesungen, Entsagungen aus phantastischer Opferfreudigkeit
und Trennungen aus Liebe, dabei Armuth in Reichthum und
Reichthum in Armuth, so jagen sich die wunderlichsten Scenen
und Gegensätze, bis wir, nach einem Leben, das "den Roman auf
seinem eigenen Felde schlägt", unsern Freund in die einfachsten
Verhältnisse zurückkehren und an der Seite der schlichtesten, aber
besten Frau endlich Ruhe finden sehn.

Diese Ruhe indessen entbehrte der Sorge nicht. Schwere Zei-
ten kamen und in diesen schweren Zeiten begann die Saite wieder
zu klingen, die in den Jahren reicher und sich drängender Erleb-
nisse geschwiegen hatte. An der Drehbank, unter dem Surren des
Rades, fielen mit den phantastisch gekräuselten Flocken auch wieder
die ersten Lieder ab. Sie fanden freundliche Hörer, bald auch Leser,
und jenen ersten Liedern sind seitdem andere gefolgt.


glücklich, liederfroh, bis er plötzlich, wie mancher vor ihm, eine
Leere und eine Sehnſucht in ſeinem Herzen wach werden und
wachſen fühlte, die ihn nun wieder heimwärts trieb. Er ſang:

Wir ſind nicht blos zum Wandern
(Wie’s immer auch gefällt),
Wir ſind zu manchem andern
Und beſſrem in der Welt;

und mit dieſer Betrachtung kehrte er in ſeine Vaterſtadt zurück.

Die Heimath nahm ihn wieder auf, und wenn ſein Wander-
leben poetiſch geweſen war, wie es das Vorrecht allen Wander-
lebens iſt, ſo war es ihm nun, bei ſeiner Rückkehr, vor manchem
andren Wandrer beſchieden, daß er nicht aus der Poeſie des Um-
herſtreifens in die Alltags-Proſa eintrat, ſondern daß der Roman
ſeines Lebens nun erſt voll begann. Dem lyriſchen Vorſpiel folgte
die dramatiſche Aktion; an Effekt-Scenen kein Mangel.

Die Perſonen, die in dieſem Drama kommen und gehen,
leben zum großen Theile noch und ſo ſind uns an dieſer Stelle
nur Andeutungen geſtattet. Verlobungen aus Träumerei und ro-
mantiſchem Ehrbegriff, Trauungen auf dem Todtenbett, räthſelhafte
Wiedergeneſungen, Entſagungen aus phantaſtiſcher Opferfreudigkeit
und Trennungen aus Liebe, dabei Armuth in Reichthum und
Reichthum in Armuth, ſo jagen ſich die wunderlichſten Scenen
und Gegenſätze, bis wir, nach einem Leben, das „den Roman auf
ſeinem eigenen Felde ſchlägt“, unſern Freund in die einfachſten
Verhältniſſe zurückkehren und an der Seite der ſchlichteſten, aber
beſten Frau endlich Ruhe finden ſehn.

Dieſe Ruhe indeſſen entbehrte der Sorge nicht. Schwere Zei-
ten kamen und in dieſen ſchweren Zeiten begann die Saite wieder
zu klingen, die in den Jahren reicher und ſich drängender Erleb-
niſſe geſchwiegen hatte. An der Drehbank, unter dem Surren des
Rades, fielen mit den phantaſtiſch gekräuſelten Flocken auch wieder
die erſten Lieder ab. Sie fanden freundliche Hörer, bald auch Leſer,
und jenen erſten Liedern ſind ſeitdem andere gefolgt.


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[299/0311] glücklich, liederfroh, bis er plötzlich, wie mancher vor ihm, eine Leere und eine Sehnſucht in ſeinem Herzen wach werden und wachſen fühlte, die ihn nun wieder heimwärts trieb. Er ſang: Wir ſind nicht blos zum Wandern (Wie’s immer auch gefällt), Wir ſind zu manchem andern Und beſſrem in der Welt; und mit dieſer Betrachtung kehrte er in ſeine Vaterſtadt zurück. Die Heimath nahm ihn wieder auf, und wenn ſein Wander- leben poetiſch geweſen war, wie es das Vorrecht allen Wander- lebens iſt, ſo war es ihm nun, bei ſeiner Rückkehr, vor manchem andren Wandrer beſchieden, daß er nicht aus der Poeſie des Um- herſtreifens in die Alltags-Proſa eintrat, ſondern daß der Roman ſeines Lebens nun erſt voll begann. Dem lyriſchen Vorſpiel folgte die dramatiſche Aktion; an Effekt-Scenen kein Mangel. Die Perſonen, die in dieſem Drama kommen und gehen, leben zum großen Theile noch und ſo ſind uns an dieſer Stelle nur Andeutungen geſtattet. Verlobungen aus Träumerei und ro- mantiſchem Ehrbegriff, Trauungen auf dem Todtenbett, räthſelhafte Wiedergeneſungen, Entſagungen aus phantaſtiſcher Opferfreudigkeit und Trennungen aus Liebe, dabei Armuth in Reichthum und Reichthum in Armuth, ſo jagen ſich die wunderlichſten Scenen und Gegenſätze, bis wir, nach einem Leben, das „den Roman auf ſeinem eigenen Felde ſchlägt“, unſern Freund in die einfachſten Verhältniſſe zurückkehren und an der Seite der ſchlichteſten, aber beſten Frau endlich Ruhe finden ſehn. Dieſe Ruhe indeſſen entbehrte der Sorge nicht. Schwere Zei- ten kamen und in dieſen ſchweren Zeiten begann die Saite wieder zu klingen, die in den Jahren reicher und ſich drängender Erleb- niſſe geſchwiegen hatte. An der Drehbank, unter dem Surren des Rades, fielen mit den phantaſtiſch gekräuſelten Flocken auch wieder die erſten Lieder ab. Sie fanden freundliche Hörer, bald auch Leſer, und jenen erſten Liedern ſind ſeitdem andere gefolgt.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/311>, abgerufen am 25.11.2024.