war tief und vom Regen ausgewaschen. Die Wandungen rechts und links zeigten allerlei Wurzelgeflecht, das dann und wann phantastisch aus der rothen Erdwand hervorsah. Die beiden Mäd- chen blickten sich nicht um, sie sprachen auch nicht, aber es hielt nicht schwer, dem Gang ihrer Gedanken zu folgen. Sie sprachen die Sprache der Bewegung. Beide hatten einen elastischen Gang (eine Tugend, deren sich die Leiber unseres Volkes nur ausnahms- weise zu rühmen haben) und wie bei guten Schlägern nicht die Bewegung des Armes, sondern die Biegung des Gelenks die besten Hiebe führt, so bewegten sich auf dem Bilde vor uns nur Hüfte und Nacken, während der Unterkörper, trotz rüstigen Schreitens, in statuarischer Ruhe zu verharren schien. Die ältere wollte gefal- len, die jüngere dalberte nur, und während jene mit einem ge- wissen koketten Ernst ihre Schritte that, kicherte die andere und erröthete über Ohr und Hals.
Nun kletterten sie die Wandung des Hohlweges hinauf und liefen waldeinwärts. Als wir sie wiederfanden, stand die jüngere auf einem steilabfallenden Bergeck und hielt sich mit der linken Hand an einem Wachholderbusch, während sie mit der rechten in die Tiefe zeigte. Unten lag der Baa-See, das ersehnte Ziel unserer Wanderung. Wir traten heran und hielten Umschau. Aber das Bild des Mädchens war schöner als der See; die Staffage ging über die Landschaft.
Was den Baa-See zu keiner tieferen Wirkung kommen läßt, ist wohl das, daß er einer gewissen Mischgattung von Seen ange- hört und zu jener Klasse zählt, die zu finster ist, um zu erheitern, und doch wieder zu heiter ist, um den vollen Eindruck des Schauer- lichen zu machen. Viel freilich hängt dabei von der Beleuchtung und noch mehr vielleicht von der Jahreszeit ab.
Wir sahen ihn bei Sonnenschein. Lachende Mädchen saßen am Ufer hin und flochten Kränze aus Moos und Wasserblumen; ein Boot mit zwei Jägerburschen fuhr über den See, der eine ruderte, während der andere von Zeit zu Zeit Hornsignale in den Wald blies. Die Mädchen am Ufer richteten sich auf, grüßten mit
war tief und vom Regen ausgewaſchen. Die Wandungen rechts und links zeigten allerlei Wurzelgeflecht, das dann und wann phantaſtiſch aus der rothen Erdwand hervorſah. Die beiden Mäd- chen blickten ſich nicht um, ſie ſprachen auch nicht, aber es hielt nicht ſchwer, dem Gang ihrer Gedanken zu folgen. Sie ſprachen die Sprache der Bewegung. Beide hatten einen elaſtiſchen Gang (eine Tugend, deren ſich die Leiber unſeres Volkes nur ausnahms- weiſe zu rühmen haben) und wie bei guten Schlägern nicht die Bewegung des Armes, ſondern die Biegung des Gelenks die beſten Hiebe führt, ſo bewegten ſich auf dem Bilde vor uns nur Hüfte und Nacken, während der Unterkörper, trotz rüſtigen Schreitens, in ſtatuariſcher Ruhe zu verharren ſchien. Die ältere wollte gefal- len, die jüngere dalberte nur, und während jene mit einem ge- wiſſen koketten Ernſt ihre Schritte that, kicherte die andere und erröthete über Ohr und Hals.
Nun kletterten ſie die Wandung des Hohlweges hinauf und liefen waldeinwärts. Als wir ſie wiederfanden, ſtand die jüngere auf einem ſteilabfallenden Bergeck und hielt ſich mit der linken Hand an einem Wachholderbuſch, während ſie mit der rechten in die Tiefe zeigte. Unten lag der Baa-See, das erſehnte Ziel unſerer Wanderung. Wir traten heran und hielten Umſchau. Aber das Bild des Mädchens war ſchöner als der See; die Staffage ging über die Landſchaft.
Was den Baa-See zu keiner tieferen Wirkung kommen läßt, iſt wohl das, daß er einer gewiſſen Miſchgattung von Seen ange- hört und zu jener Klaſſe zählt, die zu finſter iſt, um zu erheitern, und doch wieder zu heiter iſt, um den vollen Eindruck des Schauer- lichen zu machen. Viel freilich hängt dabei von der Beleuchtung und noch mehr vielleicht von der Jahreszeit ab.
Wir ſahen ihn bei Sonnenſchein. Lachende Mädchen ſaßen am Ufer hin und flochten Kränze aus Moos und Waſſerblumen; ein Boot mit zwei Jägerburſchen fuhr über den See, der eine ruderte, während der andere von Zeit zu Zeit Hornſignale in den Wald blies. Die Mädchen am Ufer richteten ſich auf, grüßten mit
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war tief und vom Regen ausgewaſchen. Die Wandungen rechts
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phantaſtiſch aus der rothen Erdwand hervorſah. Die beiden Mäd-
chen blickten ſich nicht um, ſie ſprachen auch nicht, aber es hielt
nicht ſchwer, dem Gang ihrer Gedanken zu folgen. Sie ſprachen
die Sprache der Bewegung. Beide hatten einen elaſtiſchen Gang
(eine Tugend, deren ſich die Leiber unſeres Volkes nur ausnahms-
weiſe zu rühmen haben) und wie bei guten Schlägern nicht die
Bewegung des Armes, ſondern die Biegung des Gelenks die beſten
Hiebe führt, ſo bewegten ſich auf dem Bilde vor uns nur Hüfte
und Nacken, während der Unterkörper, trotz rüſtigen Schreitens,
in ſtatuariſcher Ruhe zu verharren ſchien. Die ältere wollte gefal-
len, die jüngere dalberte nur, und während jene mit einem ge-
wiſſen koketten Ernſt ihre Schritte that, kicherte die andere und
erröthete über Ohr und Hals.
Nun kletterten ſie die Wandung des Hohlweges hinauf und
liefen waldeinwärts. Als wir ſie wiederfanden, ſtand die jüngere
auf einem ſteilabfallenden Bergeck und hielt ſich mit der linken
Hand an einem Wachholderbuſch, während ſie mit der rechten in
die Tiefe zeigte. Unten lag der Baa-See, das erſehnte Ziel unſerer
Wanderung. Wir traten heran und hielten Umſchau. Aber das
Bild des Mädchens war ſchöner als der See; die Staffage ging
über die Landſchaft.
Was den Baa-See zu keiner tieferen Wirkung kommen läßt,
iſt wohl das, daß er einer gewiſſen Miſchgattung von Seen ange-
hört und zu jener Klaſſe zählt, die zu finſter iſt, um zu erheitern,
und doch wieder zu heiter iſt, um den vollen Eindruck des Schauer-
lichen zu machen. Viel freilich hängt dabei von der Beleuchtung
und noch mehr vielleicht von der Jahreszeit ab.
Wir ſahen ihn bei Sonnenſchein. Lachende Mädchen ſaßen
am Ufer hin und flochten Kränze aus Moos und Waſſerblumen;
ein Boot mit zwei Jägerburſchen fuhr über den See, der eine
ruderte, während der andere von Zeit zu Zeit Hornſignale in den
Wald blies. Die Mädchen am Ufer richteten ſich auf, grüßten mit
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/305>, abgerufen am 22.11.2024.
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