Mittel gegen hartnäckige Fieber. Was dabei wirksam war, ist schwer zu sagen. Auch Augenkranke kamen. Sie legten von dem braunen Ockerschlamm auf das Auge, und sahen nach kurzer Zeit wieder klarer und besser. Schwerlich war es der braune Eisen- schlamm als solcher, der so vortheilhaft wirkte, vielmehr die an- haftende Flüssigkeit, die Eisenvitriol enthielt. Gehört doch der Zink- vitriol (eine Art Geschwisterkind des ebengenannten Eisensalzes) bis diese Stunde noch zu den bevorzugten Mitteln der Augen- heilkunde.
Jedenfalls war der Ruf und Ruhm des Freienwalder Quells allerlokalster Natur, bis 1684 die Kunde nach Berlin und bis in das churfürstliche Schloß drang, daß in Freienwalde ein "minera- lisches Wasser" entdeckt worden sei. Einige mit Fieber und Läh- mung Behaftete seien gesund geworden. Der Churfürst (bereits in seinen alten Tagen und von der Gicht schwer geplagt) schöpfte Hoffnung, daß ihm vielleicht das eigne Land gewähren möchte, was ihm so viele Heilquellen bis dahin versagt hatten und er schickte seinen Kammerdiener und Chemikus, den berühmten Kunckel (den Entdecker des Phosphors) nach Freienwalde, um sich von der mineralischen Kraft des neu entdeckten Quells zu überzeugen. Der Bericht lautete günstig und noch im selben Jahre trafen der Churfürst und seine Gemahlin als erste Brunnengäste im Bade zu Freienwalde ein.
Nun brachen glänzende Tage an. Der Ruf von der Heilkraft des Brunnens verbreitete sich bis in ferne Gegenden (ferne, nach damaliger Vorstellung) und im nächsten Jahre, 1685, fanden sich 1500 Gäste in Freienwalde zusammen. Freilich diese 1500 Gäste waren nicht sammt und sonders Brunnengäste, vielleicht nur zum kleineren Theile. "Der Churfürst (der auch in diesem Jahre mit seinem Hofe erschienen war), ließ zehn Wispel Getreide ver- backen und die Brote sammt einer Geldbeisteuer wöchentlich zwei- mal vertheilen" -- woraus genugsam zu ersehen ist, daß die chur- fürstliche Gegenwart allerhand armes Volk herbeigelockt hatte, um von der Mildthätigkeit des Fürsten Nutzen zu ziehen. 1686 (in
Mittel gegen hartnäckige Fieber. Was dabei wirkſam war, iſt ſchwer zu ſagen. Auch Augenkranke kamen. Sie legten von dem braunen Ockerſchlamm auf das Auge, und ſahen nach kurzer Zeit wieder klarer und beſſer. Schwerlich war es der braune Eiſen- ſchlamm als ſolcher, der ſo vortheilhaft wirkte, vielmehr die an- haftende Flüſſigkeit, die Eiſenvitriol enthielt. Gehört doch der Zink- vitriol (eine Art Geſchwiſterkind des ebengenannten Eiſenſalzes) bis dieſe Stunde noch zu den bevorzugten Mitteln der Augen- heilkunde.
Jedenfalls war der Ruf und Ruhm des Freienwalder Quells allerlokalſter Natur, bis 1684 die Kunde nach Berlin und bis in das churfürſtliche Schloß drang, daß in Freienwalde ein „minera- liſches Waſſer“ entdeckt worden ſei. Einige mit Fieber und Läh- mung Behaftete ſeien geſund geworden. Der Churfürſt (bereits in ſeinen alten Tagen und von der Gicht ſchwer geplagt) ſchöpfte Hoffnung, daß ihm vielleicht das eigne Land gewähren möchte, was ihm ſo viele Heilquellen bis dahin verſagt hatten und er ſchickte ſeinen Kammerdiener und Chemikus, den berühmten Kunckel (den Entdecker des Phosphors) nach Freienwalde, um ſich von der mineraliſchen Kraft des neu entdeckten Quells zu überzeugen. Der Bericht lautete günſtig und noch im ſelben Jahre trafen der Churfürſt und ſeine Gemahlin als erſte Brunnengäſte im Bade zu Freienwalde ein.
Nun brachen glänzende Tage an. Der Ruf von der Heilkraft des Brunnens verbreitete ſich bis in ferne Gegenden (ferne, nach damaliger Vorſtellung) und im nächſten Jahre, 1685, fanden ſich 1500 Gäſte in Freienwalde zuſammen. Freilich dieſe 1500 Gäſte waren nicht ſammt und ſonders Brunnengäſte, vielleicht nur zum kleineren Theile. „Der Churfürſt (der auch in dieſem Jahre mit ſeinem Hofe erſchienen war), ließ zehn Wispel Getreide ver- backen und die Brote ſammt einer Geldbeiſteuer wöchentlich zwei- mal vertheilen“ — woraus genugſam zu erſehen iſt, daß die chur- fürſtliche Gegenwart allerhand armes Volk herbeigelockt hatte, um von der Mildthätigkeit des Fürſten Nutzen zu ziehen. 1686 (in
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Mittel gegen hartnäckige Fieber. Was dabei wirkſam war, iſt
ſchwer zu ſagen. Auch Augenkranke kamen. Sie legten von dem
braunen Ockerſchlamm auf das Auge, und ſahen nach kurzer Zeit
wieder klarer und beſſer. Schwerlich war es der braune Eiſen-
ſchlamm als ſolcher, der ſo vortheilhaft wirkte, vielmehr die an-
haftende Flüſſigkeit, die Eiſenvitriol enthielt. Gehört doch der Zink-
vitriol (eine Art Geſchwiſterkind des ebengenannten Eiſenſalzes)
bis dieſe Stunde noch zu den bevorzugten Mitteln der Augen-
heilkunde.
Jedenfalls war der Ruf und Ruhm des Freienwalder Quells
allerlokalſter Natur, bis 1684 die Kunde nach Berlin und bis in
das churfürſtliche Schloß drang, daß in Freienwalde ein „minera-
liſches Waſſer“ entdeckt worden ſei. Einige mit Fieber und Läh-
mung Behaftete ſeien geſund geworden. Der Churfürſt (bereits in
ſeinen alten Tagen und von der Gicht ſchwer geplagt) ſchöpfte
Hoffnung, daß ihm vielleicht das eigne Land gewähren möchte,
was ihm ſo viele Heilquellen bis dahin verſagt hatten und er
ſchickte ſeinen Kammerdiener und Chemikus, den berühmten Kunckel
(den Entdecker des Phosphors) nach Freienwalde, um ſich von
der mineraliſchen Kraft des neu entdeckten Quells zu überzeugen.
Der Bericht lautete günſtig und noch im ſelben Jahre trafen der
Churfürſt und ſeine Gemahlin als erſte Brunnengäſte im Bade
zu Freienwalde ein.
Nun brachen glänzende Tage an. Der Ruf von der Heilkraft
des Brunnens verbreitete ſich bis in ferne Gegenden (ferne, nach
damaliger Vorſtellung) und im nächſten Jahre, 1685, fanden ſich
1500 Gäſte in Freienwalde zuſammen. Freilich dieſe 1500 Gäſte
waren nicht ſammt und ſonders Brunnengäſte, vielleicht nur
zum kleineren Theile. „Der Churfürſt (der auch in dieſem Jahre
mit ſeinem Hofe erſchienen war), ließ zehn Wispel Getreide ver-
backen und die Brote ſammt einer Geldbeiſteuer wöchentlich zwei-
mal vertheilen“ — woraus genugſam zu erſehen iſt, daß die chur-
fürſtliche Gegenwart allerhand armes Volk herbeigelockt hatte, um
von der Mildthätigkeit des Fürſten Nutzen zu ziehen. 1686 (in
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/296>, abgerufen am 22.11.2024.
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