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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

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konnte: "Kroll lebt noch und das Odeum ist kein leerer Wahn."
Ich ließ ihn also stehen und führte eine jener Unterhaltungen, die
man im Lauf der Jahre, ohne Wissen und Wollen, führen lernt,
und die, einen gewissen öden Mittelkurs innehaltend, dem Ange-
redeten das Recht gönnen weiter zu sprechen, aber zugleich durch-
klingen lassen: er thäte besser, auf dieses Recht zu verzichten. Die-
ser Verzicht trat endlich ein und ich war allein.

Ich hatte einen prächtigen Platz inne (der Zufall hatte es
glücklich gefügt), und dem sogenannten Kapellenberg, der das Thal
schließt, den Rücken zukehrend, überblickte ich die ganze Anlage des
Brunnens: den Park, die Gartenpartien, die Baulichkeiten. Diese
Baulichkeiten, neurer Anfügungen zu geschweigen, gehören drei
verschiedenen Regierungs-Zeiten an und werden danach genannt;
man unterscheidet bis diesen Tag ein churfürstliches, ein alt-könig-
liches und ein neu-königliches Gebäude. An Schönheit lassen so
ziemlich alle drei (auch "Flügel" genannt) gleichviel zu wünschen
übrig; die "Colonnade" indessen, die sich, unserer Stechbahn nicht
unähnlich, unter diesen Flügeln hinzieht, giebt, neben manchem
andern alten Hausrath, dem Ganzen einen zugleich aparten und
gemüthlichen Charakter, und veranschaulicht uns, auf einen Blick,
die Geschichte der verschiedenen Epochen des Bades überhaupt.

Diese Geschichte ist in Kurzem folgende. Wann zuerst des
Bades Erwähnung geschieht, ist nicht mit voller Gewißheit festzu-
stellen. Leonhard Thurneißer, der bekannte Alchymist, schrieb
zwar schon um 1572 "Zwischen Freienwalde und Neustadt, am
Gebirge, ist ein Flüßlein, das führt Rubinlein mit sich, gar klein
aber schön an Farbe", -- es bleibt indessen zweifelhaft, ob unter
dem Flüßlein, der Freienwalder Gesundbrunnen zu verstehen ist;
wenigstens fehlen jetzt (so viel wir wissen) die "Rubinlein" die
kleinen, wie die großen.

Es scheint, daß man in alten Zeiten die Quelle einfach in
die Thalschlucht ausströmen und ihren Weg sich suchen ließ. Nur
bei den armen Leuten der Nachbarschaft genoß der "Brunnen"
eines gewissen Ansehns und man trank ihn als ein bewährtes

konnte: „Kroll lebt noch und das Odeum iſt kein leerer Wahn.“
Ich ließ ihn alſo ſtehen und führte eine jener Unterhaltungen, die
man im Lauf der Jahre, ohne Wiſſen und Wollen, führen lernt,
und die, einen gewiſſen öden Mittelkurs innehaltend, dem Ange-
redeten das Recht gönnen weiter zu ſprechen, aber zugleich durch-
klingen laſſen: er thäte beſſer, auf dieſes Recht zu verzichten. Die-
ſer Verzicht trat endlich ein und ich war allein.

Ich hatte einen prächtigen Platz inne (der Zufall hatte es
glücklich gefügt), und dem ſogenannten Kapellenberg, der das Thal
ſchließt, den Rücken zukehrend, überblickte ich die ganze Anlage des
Brunnens: den Park, die Gartenpartien, die Baulichkeiten. Dieſe
Baulichkeiten, neurer Anfügungen zu geſchweigen, gehören drei
verſchiedenen Regierungs-Zeiten an und werden danach genannt;
man unterſcheidet bis dieſen Tag ein churfürſtliches, ein alt-könig-
liches und ein neu-königliches Gebäude. An Schönheit laſſen ſo
ziemlich alle drei (auch „Flügel“ genannt) gleichviel zu wünſchen
übrig; die „Colonnade“ indeſſen, die ſich, unſerer Stechbahn nicht
unähnlich, unter dieſen Flügeln hinzieht, giebt, neben manchem
andern alten Hausrath, dem Ganzen einen zugleich aparten und
gemüthlichen Charakter, und veranſchaulicht uns, auf einen Blick,
die Geſchichte der verſchiedenen Epochen des Bades überhaupt.

Dieſe Geſchichte iſt in Kurzem folgende. Wann zuerſt des
Bades Erwähnung geſchieht, iſt nicht mit voller Gewißheit feſtzu-
ſtellen. Leonhard Thurneißer, der bekannte Alchymiſt, ſchrieb
zwar ſchon um 1572 „Zwiſchen Freienwalde und Neuſtadt, am
Gebirge, iſt ein Flüßlein, das führt Rubinlein mit ſich, gar klein
aber ſchön an Farbe“, — es bleibt indeſſen zweifelhaft, ob unter
dem Flüßlein, der Freienwalder Geſundbrunnen zu verſtehen iſt;
wenigſtens fehlen jetzt (ſo viel wir wiſſen) die „Rubinlein“ die
kleinen, wie die großen.

Es ſcheint, daß man in alten Zeiten die Quelle einfach in
die Thalſchlucht ausſtrömen und ihren Weg ſich ſuchen ließ. Nur
bei den armen Leuten der Nachbarſchaft genoß der „Brunnen“
eines gewiſſen Anſehns und man trank ihn als ein bewährtes

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[283/0295] konnte: „Kroll lebt noch und das Odeum iſt kein leerer Wahn.“ Ich ließ ihn alſo ſtehen und führte eine jener Unterhaltungen, die man im Lauf der Jahre, ohne Wiſſen und Wollen, führen lernt, und die, einen gewiſſen öden Mittelkurs innehaltend, dem Ange- redeten das Recht gönnen weiter zu ſprechen, aber zugleich durch- klingen laſſen: er thäte beſſer, auf dieſes Recht zu verzichten. Die- ſer Verzicht trat endlich ein und ich war allein. Ich hatte einen prächtigen Platz inne (der Zufall hatte es glücklich gefügt), und dem ſogenannten Kapellenberg, der das Thal ſchließt, den Rücken zukehrend, überblickte ich die ganze Anlage des Brunnens: den Park, die Gartenpartien, die Baulichkeiten. Dieſe Baulichkeiten, neurer Anfügungen zu geſchweigen, gehören drei verſchiedenen Regierungs-Zeiten an und werden danach genannt; man unterſcheidet bis dieſen Tag ein churfürſtliches, ein alt-könig- liches und ein neu-königliches Gebäude. An Schönheit laſſen ſo ziemlich alle drei (auch „Flügel“ genannt) gleichviel zu wünſchen übrig; die „Colonnade“ indeſſen, die ſich, unſerer Stechbahn nicht unähnlich, unter dieſen Flügeln hinzieht, giebt, neben manchem andern alten Hausrath, dem Ganzen einen zugleich aparten und gemüthlichen Charakter, und veranſchaulicht uns, auf einen Blick, die Geſchichte der verſchiedenen Epochen des Bades überhaupt. Dieſe Geſchichte iſt in Kurzem folgende. Wann zuerſt des Bades Erwähnung geſchieht, iſt nicht mit voller Gewißheit feſtzu- ſtellen. Leonhard Thurneißer, der bekannte Alchymiſt, ſchrieb zwar ſchon um 1572 „Zwiſchen Freienwalde und Neuſtadt, am Gebirge, iſt ein Flüßlein, das führt Rubinlein mit ſich, gar klein aber ſchön an Farbe“, — es bleibt indeſſen zweifelhaft, ob unter dem Flüßlein, der Freienwalder Geſundbrunnen zu verſtehen iſt; wenigſtens fehlen jetzt (ſo viel wir wiſſen) die „Rubinlein“ die kleinen, wie die großen. Es ſcheint, daß man in alten Zeiten die Quelle einfach in die Thalſchlucht ausſtrömen und ihren Weg ſich ſuchen ließ. Nur bei den armen Leuten der Nachbarſchaft genoß der „Brunnen“ eines gewiſſen Anſehns und man trank ihn als ein bewährtes

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/295>, abgerufen am 22.11.2024.