Sitte, von sächsischem Schliff. -- Welch Unterschied jetzt zwischen einem märkischen Sanddorf und diesem gebirgsdorfartigen Falken- berg! Dort schlummert noch der Sinn für das Schöne; die Ar- muth kennt nur was nöthig, im glücklichsten Fall was nützlich ist, aber sie fragt nicht nach dem, was ziert und schmückt. Zieht sich eine Allee durch solch ein Sanddorf hin, so darf man sicher sein, daß sie ein Befehl in's Leben gerufen hat; der freie Wille, der eigne Trieb der Dörfler hätte sie nie gepflanzt. Wie anders hier. Jedes einzelne Haus zeigt die Freude an dem, was gefällt. Um die alten Obstbaumstämme rankt sich der sorglich gepflegte Epheu am Gitterdraht, Weingänge laufen an der Rückfront der Häuser hin, der Ebereschenbaum lehnt sich an den Vorbau der Häuser, und Bank und Laube haben ihren bestimmten Platz. Der Brun- nen, das Bienenhaus, Kleines und Großes fügt sich malerisch in das Ganze ein, denn der Sinn für das Gefällige, für alles was ziert und schmückt, ist lebendig geworden und wirkt, ohne Anlauf und Absicht, selbstständig-thätig in jedem Moment.
Aber freilich Anleitung und Schulung ging diesem "Selbst- ständig-thätig-sein" voraus und Anregung, Anleitung, treten noch jetzt, helfend und fördernd, an den Sommer-Falkenberger heran. Ein geläuterter Geschmack, das feinere Verständniß solcher, die we- der mit dem Winter- noch dem Sommer-Falkenberger etwas Be- stimmtes gemein haben, haben hier in Bauten und Anlagen viel- fache Muster geschaffen. Und solcher Muster bedurfte es aller- dings. Die Dinge hier, wie schon angedeutet, waren nicht immer das, als was sie jetzt dem Auge sich darbieten, und aller gute Wille der Falkenberger -- selbst nachdem sie gelernt hatten, den Bergen sich zuzuwenden -- hätte nie ausgereicht, diese Sandwand zur Rechten in Terrassen und Weingänge und diese Berglehnen zur Linken in Laubholz-Wald zu verwandeln. Ihr Verdienst war: sie folgten, sie hatten ein Auge für das Bessere, sie waren be- reit zu lernen.
Das Beste dieser Umwandlungen verdanken die Falkenberger dem Natur- und Schönheitssinn ihres nächsten Nachbars, des Be-
Sitte, von ſächſiſchem Schliff. — Welch Unterſchied jetzt zwiſchen einem märkiſchen Sanddorf und dieſem gebirgsdorfartigen Falken- berg! Dort ſchlummert noch der Sinn für das Schöne; die Ar- muth kennt nur was nöthig, im glücklichſten Fall was nützlich iſt, aber ſie fragt nicht nach dem, was ziert und ſchmückt. Zieht ſich eine Allee durch ſolch ein Sanddorf hin, ſo darf man ſicher ſein, daß ſie ein Befehl in’s Leben gerufen hat; der freie Wille, der eigne Trieb der Dörfler hätte ſie nie gepflanzt. Wie anders hier. Jedes einzelne Haus zeigt die Freude an dem, was gefällt. Um die alten Obſtbaumſtämme rankt ſich der ſorglich gepflegte Epheu am Gitterdraht, Weingänge laufen an der Rückfront der Häuſer hin, der Ebereſchenbaum lehnt ſich an den Vorbau der Häuſer, und Bank und Laube haben ihren beſtimmten Platz. Der Brun- nen, das Bienenhaus, Kleines und Großes fügt ſich maleriſch in das Ganze ein, denn der Sinn für das Gefällige, für alles was ziert und ſchmückt, iſt lebendig geworden und wirkt, ohne Anlauf und Abſicht, ſelbſtſtändig-thätig in jedem Moment.
Aber freilich Anleitung und Schulung ging dieſem „Selbſt- ſtändig-thätig-ſein“ voraus und Anregung, Anleitung, treten noch jetzt, helfend und fördernd, an den Sommer-Falkenberger heran. Ein geläuterter Geſchmack, das feinere Verſtändniß ſolcher, die we- der mit dem Winter- noch dem Sommer-Falkenberger etwas Be- ſtimmtes gemein haben, haben hier in Bauten und Anlagen viel- fache Muſter geſchaffen. Und ſolcher Muſter bedurfte es aller- dings. Die Dinge hier, wie ſchon angedeutet, waren nicht immer das, als was ſie jetzt dem Auge ſich darbieten, und aller gute Wille der Falkenberger — ſelbſt nachdem ſie gelernt hatten, den Bergen ſich zuzuwenden — hätte nie ausgereicht, dieſe Sandwand zur Rechten in Terraſſen und Weingänge und dieſe Berglehnen zur Linken in Laubholz-Wald zu verwandeln. Ihr Verdienſt war: ſie folgten, ſie hatten ein Auge für das Beſſere, ſie waren be- reit zu lernen.
Das Beſte dieſer Umwandlungen verdanken die Falkenberger dem Natur- und Schönheitsſinn ihres nächſten Nachbars, des Be-
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Sitte, von ſächſiſchem Schliff. — Welch Unterſchied jetzt zwiſchen
einem märkiſchen Sanddorf und dieſem gebirgsdorfartigen Falken-
berg! Dort ſchlummert noch der Sinn für das Schöne; die Ar-
muth kennt nur was nöthig, im glücklichſten Fall was nützlich iſt,
aber ſie fragt nicht nach dem, was ziert und ſchmückt. Zieht ſich
eine Allee durch ſolch ein Sanddorf hin, ſo darf man ſicher ſein,
daß ſie ein Befehl in’s Leben gerufen hat; der freie Wille, der
eigne Trieb der Dörfler hätte ſie nie gepflanzt. Wie anders hier.
Jedes einzelne Haus zeigt die Freude an dem, was gefällt. Um
die alten Obſtbaumſtämme rankt ſich der ſorglich gepflegte Epheu
am Gitterdraht, Weingänge laufen an der Rückfront der Häuſer
hin, der Ebereſchenbaum lehnt ſich an den Vorbau der Häuſer,
und Bank und Laube haben ihren beſtimmten Platz. Der Brun-
nen, das Bienenhaus, Kleines und Großes fügt ſich maleriſch in
das Ganze ein, denn der Sinn für das Gefällige, für alles was
ziert und ſchmückt, iſt lebendig geworden und wirkt, ohne Anlauf
und Abſicht, ſelbſtſtändig-thätig in jedem Moment.
Aber freilich Anleitung und Schulung ging dieſem „Selbſt-
ſtändig-thätig-ſein“ voraus und Anregung, Anleitung, treten noch
jetzt, helfend und fördernd, an den Sommer-Falkenberger heran.
Ein geläuterter Geſchmack, das feinere Verſtändniß ſolcher, die we-
der mit dem Winter- noch dem Sommer-Falkenberger etwas Be-
ſtimmtes gemein haben, haben hier in Bauten und Anlagen viel-
fache Muſter geſchaffen. Und ſolcher Muſter bedurfte es aller-
dings. Die Dinge hier, wie ſchon angedeutet, waren nicht immer
das, als was ſie jetzt dem Auge ſich darbieten, und aller gute
Wille der Falkenberger — ſelbſt nachdem ſie gelernt hatten, den
Bergen ſich zuzuwenden — hätte nie ausgereicht, dieſe Sandwand
zur Rechten in Terraſſen und Weingänge und dieſe Berglehnen
zur Linken in Laubholz-Wald zu verwandeln. Ihr Verdienſt war:
ſie folgten, ſie hatten ein Auge für das Beſſere, ſie waren be-
reit zu lernen.
Das Beſte dieſer Umwandlungen verdanken die Falkenberger
dem Natur- und Schönheitsſinn ihres nächſten Nachbars, des Be-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/278>, abgerufen am 22.11.2024.
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