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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

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damals zur Herausgabe desselben verstanden, wenn nicht die pres-
sende Noth, in der er sich befand, ihm keine Wahl gelassen hätte.
Er beklagte dies oft, denn wie groß die Freude gewesen war, mit
der die landwirthschaftliche Welt dieses Werk begrüßt hatte, ihm
selbst genügte es keineswegs
. Wir können indeß auf Thaer
und sein berühmtes Werk anwenden, was Luther einst bei Tisch
vom Melanchthon sagte: "Magister Philippus hätte Apologiam
confessionis
zu Augsburg nimmermehr geschrieben, wenn er nicht
wäre so getrieben und gezwungen worden; er hätte wollen es
immer noch besser machen
." Die "rationelle Landwirthschaft"
hat verschiedene Auflagen erlebt und ist in verschiedene Sprachen
übersetzt worden; zu einer Umarbeitung aber ist Thaer nicht ge-
kommen, wie sehr dieselbe auch innerhalb seiner Wünsche lag. Die
anderweiten Schriften seiner Moegliner Epoche (worunter nament-
lich verschiedene Bücher und Brochüren über Schafzucht und
Wollproduktion) übergehen wir hier. Es mögen statt dessen von
ihm selbst herrührende Worte hier Platz finden, die ihn uns, bis
in sein hohes Alter hinein, von einer seltenen Frische des Geistes
und von einer steten Geneigtheit zeigen, das Gute durch das Bes-
sere zu ersetzen. "Meine Meinung, so schreibt er, habe ich über
verschiedene Dinge in meinem Leben oft geändert, und hoffe es,
wenn mir Gott Leben und Verstand noch länger erhält, noch
mehrmals zu thun. Es freut mich immer, wenn ich Gründe dazu
habe, denn so komme ich in meinem Wissen vorwärts. Ich halte
den für einen Thoren, der in Erfahrungssachen seine
Meinung zu ändern, nicht geneigt ist
."

Wir werfen noch einen Blick auf die letzten Jahre seines
Lebens. Nachdem er schon seit 1810 und 11 mittelbar im Staats-
dienst thätig gewesen und z. B. 1813 schon eine Gemeinheit-
theilungs-Ordnung
(eine Angelegenheit, mit der er auch später
praktisch viel beschäftigt war) entworfen hatte, wurde er 1819
zum Geheimen Ober-Regierungsrath ernannt. 1823 folgte der
schon erwähnte Leipziger Wollconvent, dem er präsidirte; das
Jahr darauf (1824) feierte er unter zahlreicher Betheiligung von

damals zur Herausgabe deſſelben verſtanden, wenn nicht die preſ-
ſende Noth, in der er ſich befand, ihm keine Wahl gelaſſen hätte.
Er beklagte dies oft, denn wie groß die Freude geweſen war, mit
der die landwirthſchaftliche Welt dieſes Werk begrüßt hatte, ihm
ſelbſt genügte es keineswegs
. Wir können indeß auf Thaer
und ſein berühmtes Werk anwenden, was Luther einſt bei Tiſch
vom Melanchthon ſagte: „Magiſter Philippus hätte Apologiam
confessionis
zu Augsburg nimmermehr geſchrieben, wenn er nicht
wäre ſo getrieben und gezwungen worden; er hätte wollen es
immer noch beſſer machen
.“ Die „rationelle Landwirthſchaft“
hat verſchiedene Auflagen erlebt und iſt in verſchiedene Sprachen
überſetzt worden; zu einer Umarbeitung aber iſt Thaer nicht ge-
kommen, wie ſehr dieſelbe auch innerhalb ſeiner Wünſche lag. Die
anderweiten Schriften ſeiner Moegliner Epoche (worunter nament-
lich verſchiedene Bücher und Brochüren über Schafzucht und
Wollproduktion) übergehen wir hier. Es mögen ſtatt deſſen von
ihm ſelbſt herrührende Worte hier Platz finden, die ihn uns, bis
in ſein hohes Alter hinein, von einer ſeltenen Friſche des Geiſtes
und von einer ſteten Geneigtheit zeigen, das Gute durch das Beſ-
ſere zu erſetzen. „Meine Meinung, ſo ſchreibt er, habe ich über
verſchiedene Dinge in meinem Leben oft geändert, und hoffe es,
wenn mir Gott Leben und Verſtand noch länger erhält, noch
mehrmals zu thun. Es freut mich immer, wenn ich Gründe dazu
habe, denn ſo komme ich in meinem Wiſſen vorwärts. Ich halte
den für einen Thoren, der in Erfahrungsſachen ſeine
Meinung zu ändern, nicht geneigt iſt
.“

Wir werfen noch einen Blick auf die letzten Jahre ſeines
Lebens. Nachdem er ſchon ſeit 1810 und 11 mittelbar im Staats-
dienſt thätig geweſen und z. B. 1813 ſchon eine Gemeinheit-
theilungs-Ordnung
(eine Angelegenheit, mit der er auch ſpäter
praktiſch viel beſchäftigt war) entworfen hatte, wurde er 1819
zum Geheimen Ober-Regierungsrath ernannt. 1823 folgte der
ſchon erwähnte Leipziger Wollconvent, dem er präſidirte; das
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[246/0258] damals zur Herausgabe deſſelben verſtanden, wenn nicht die preſ- ſende Noth, in der er ſich befand, ihm keine Wahl gelaſſen hätte. Er beklagte dies oft, denn wie groß die Freude geweſen war, mit der die landwirthſchaftliche Welt dieſes Werk begrüßt hatte, ihm ſelbſt genügte es keineswegs. Wir können indeß auf Thaer und ſein berühmtes Werk anwenden, was Luther einſt bei Tiſch vom Melanchthon ſagte: „Magiſter Philippus hätte Apologiam confessionis zu Augsburg nimmermehr geſchrieben, wenn er nicht wäre ſo getrieben und gezwungen worden; er hätte wollen es immer noch beſſer machen.“ Die „rationelle Landwirthſchaft“ hat verſchiedene Auflagen erlebt und iſt in verſchiedene Sprachen überſetzt worden; zu einer Umarbeitung aber iſt Thaer nicht ge- kommen, wie ſehr dieſelbe auch innerhalb ſeiner Wünſche lag. Die anderweiten Schriften ſeiner Moegliner Epoche (worunter nament- lich verſchiedene Bücher und Brochüren über Schafzucht und Wollproduktion) übergehen wir hier. Es mögen ſtatt deſſen von ihm ſelbſt herrührende Worte hier Platz finden, die ihn uns, bis in ſein hohes Alter hinein, von einer ſeltenen Friſche des Geiſtes und von einer ſteten Geneigtheit zeigen, das Gute durch das Beſ- ſere zu erſetzen. „Meine Meinung, ſo ſchreibt er, habe ich über verſchiedene Dinge in meinem Leben oft geändert, und hoffe es, wenn mir Gott Leben und Verſtand noch länger erhält, noch mehrmals zu thun. Es freut mich immer, wenn ich Gründe dazu habe, denn ſo komme ich in meinem Wiſſen vorwärts. Ich halte den für einen Thoren, der in Erfahrungsſachen ſeine Meinung zu ändern, nicht geneigt iſt.“ Wir werfen noch einen Blick auf die letzten Jahre ſeines Lebens. Nachdem er ſchon ſeit 1810 und 11 mittelbar im Staats- dienſt thätig geweſen und z. B. 1813 ſchon eine Gemeinheit- theilungs-Ordnung (eine Angelegenheit, mit der er auch ſpäter praktiſch viel beſchäftigt war) entworfen hatte, wurde er 1819 zum Geheimen Ober-Regierungsrath ernannt. 1823 folgte der ſchon erwähnte Leipziger Wollconvent, dem er präſidirte; das Jahr darauf (1824) feierte er unter zahlreicher Betheiligung von

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/258>, abgerufen am 22.11.2024.