biete freundlich bekämpfte, antwortete er in spätern Jahren: "der Herr Graf ist mein sehr verehrter Freund, aber der Kartoffelbau ist mein Kind."
Seine Lehre von der "Fruchtfolge" stieß Anfangs auf vielen Widerspruch und da er seine eignen Felder danach bestellte, pro- phezeihte man ihm, daß seine Aecker nach 4 Jahren völlig ausge- sogen sein würden. Thaer ließ sich das nicht anfechten. Schon Friedrich der Große hatte sich seinerzeit für ein rationelles aber constantes Tragen der Felder ausgesprochen und den Wider- spruch mit den Worten zurückgewiesen: "seh Er doch nur sein Gartenbeet an, wie das alljährlich trägt." Thaer war gewillt, die treffende Bemerkung des Königs sich selber gesagt sein zu lassen. Er überzeugte sich alsbald, daß der Acker nicht dadurch ausgesogen wird, daß man ihn alljährlich tragen läßt, sondern dadurch, daß man ihn nicht das tragen läßt, was er zur Wiederherstellung seiner Kräfte bedarf. Es führte das später zu dem Axiom, daß den Acker, wie den Menschen, nichts so sehr entnerve und aussauge, als das Nichtsthun, das Nichttragen; aber auf das richtige, das ihm passende Tragen kommt es an.
Das System des Fruchtwechsels (das die Brache ent- behrlich machte) trat nunmehr siegreich ins Leben, wiewohl zunächst nur mangelhaft und weitab von dem Grade von Vollkommenheit, dem es später entgegenging. Thaer überzeugte sich alsbald, daß es mit dem bloßen Saat- und Fruchtwechsel an und für sich nicht gethan sei, daß vielmehr eine genaue Kenntniß des Bodens voraus gehen müsse, um die für eine bestimmte Oertlichkeit jedes- mal vortheilhafteste Production von vornherein feststellen zu können. Wenn mancher Landwirth immerfort klagte, daß sein Lein fast all- jährlich mißrathe, so lachte Thaer, daß der Betreffende, ohne alle Noth, unverbesserlich darauf aus sei, seinen Lein selber bauen zu wollen und setzte hinzu: "ein Landwirth, der alles baut, was er braucht, ist ein Schneider, der sich seine Schuhe selber macht." Thaer verlangte von jedem Boden etwas, aber er verlangte nicht alles von allem, vielmehr machte er es zu einem besondern Gegen-
biete freundlich bekämpfte, antwortete er in ſpätern Jahren: „der Herr Graf iſt mein ſehr verehrter Freund, aber der Kartoffelbau iſt mein Kind.“
Seine Lehre von der „Fruchtfolge“ ſtieß Anfangs auf vielen Widerſpruch und da er ſeine eignen Felder danach beſtellte, pro- phezeihte man ihm, daß ſeine Aecker nach 4 Jahren völlig ausge- ſogen ſein würden. Thaer ließ ſich das nicht anfechten. Schon Friedrich der Große hatte ſich ſeinerzeit für ein rationelles aber conſtantes Tragen der Felder ausgeſprochen und den Wider- ſpruch mit den Worten zurückgewieſen: „ſeh Er doch nur ſein Gartenbeet an, wie das alljährlich trägt.“ Thaer war gewillt, die treffende Bemerkung des Königs ſich ſelber geſagt ſein zu laſſen. Er überzeugte ſich alsbald, daß der Acker nicht dadurch ausgeſogen wird, daß man ihn alljährlich tragen läßt, ſondern dadurch, daß man ihn nicht das tragen läßt, was er zur Wiederherſtellung ſeiner Kräfte bedarf. Es führte das ſpäter zu dem Axiom, daß den Acker, wie den Menſchen, nichts ſo ſehr entnerve und ausſauge, als das Nichtsthun, das Nichttragen; aber auf das richtige, das ihm paſſende Tragen kommt es an.
Das Syſtem des Fruchtwechſels (das die Brache ent- behrlich machte) trat nunmehr ſiegreich ins Leben, wiewohl zunächſt nur mangelhaft und weitab von dem Grade von Vollkommenheit, dem es ſpäter entgegenging. Thaer überzeugte ſich alsbald, daß es mit dem bloßen Saat- und Fruchtwechſel an und für ſich nicht gethan ſei, daß vielmehr eine genaue Kenntniß des Bodens voraus gehen müſſe, um die für eine beſtimmte Oertlichkeit jedes- mal vortheilhafteſte Production von vornherein feſtſtellen zu können. Wenn mancher Landwirth immerfort klagte, daß ſein Lein faſt all- jährlich mißrathe, ſo lachte Thaer, daß der Betreffende, ohne alle Noth, unverbeſſerlich darauf aus ſei, ſeinen Lein ſelber bauen zu wollen und ſetzte hinzu: „ein Landwirth, der alles baut, was er braucht, iſt ein Schneider, der ſich ſeine Schuhe ſelber macht.“ Thaer verlangte von jedem Boden etwas, aber er verlangte nicht alles von allem, vielmehr machte er es zu einem beſondern Gegen-
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biete freundlich bekämpfte, antwortete er in ſpätern Jahren: „der
Herr Graf iſt mein ſehr verehrter Freund, aber der Kartoffelbau
iſt mein Kind.“
Seine Lehre von der „Fruchtfolge“ ſtieß Anfangs auf vielen
Widerſpruch und da er ſeine eignen Felder danach beſtellte, pro-
phezeihte man ihm, daß ſeine Aecker nach 4 Jahren völlig ausge-
ſogen ſein würden. Thaer ließ ſich das nicht anfechten. Schon
Friedrich der Große hatte ſich ſeinerzeit für ein rationelles aber
conſtantes Tragen der Felder ausgeſprochen und den Wider-
ſpruch mit den Worten zurückgewieſen: „ſeh Er doch nur ſein
Gartenbeet an, wie das alljährlich trägt.“ Thaer war gewillt,
die treffende Bemerkung des Königs ſich ſelber geſagt ſein zu laſſen.
Er überzeugte ſich alsbald, daß der Acker nicht dadurch ausgeſogen
wird, daß man ihn alljährlich tragen läßt, ſondern dadurch,
daß man ihn nicht das tragen läßt, was er zur Wiederherſtellung
ſeiner Kräfte bedarf. Es führte das ſpäter zu dem Axiom, daß
den Acker, wie den Menſchen, nichts ſo ſehr entnerve und ausſauge,
als das Nichtsthun, das Nichttragen; aber auf das richtige,
das ihm paſſende Tragen kommt es an.
Das Syſtem des Fruchtwechſels (das die Brache ent-
behrlich machte) trat nunmehr ſiegreich ins Leben, wiewohl zunächſt
nur mangelhaft und weitab von dem Grade von Vollkommenheit,
dem es ſpäter entgegenging. Thaer überzeugte ſich alsbald, daß es
mit dem bloßen Saat- und Fruchtwechſel an und für ſich
nicht gethan ſei, daß vielmehr eine genaue Kenntniß des Bodens
voraus gehen müſſe, um die für eine beſtimmte Oertlichkeit jedes-
mal vortheilhafteſte Production von vornherein feſtſtellen zu können.
Wenn mancher Landwirth immerfort klagte, daß ſein Lein faſt all-
jährlich mißrathe, ſo lachte Thaer, daß der Betreffende, ohne alle
Noth, unverbeſſerlich darauf aus ſei, ſeinen Lein ſelber bauen zu
wollen und ſetzte hinzu: „ein Landwirth, der alles baut, was er
braucht, iſt ein Schneider, der ſich ſeine Schuhe ſelber macht.“
Thaer verlangte von jedem Boden etwas, aber er verlangte nicht
alles von allem, vielmehr machte er es zu einem beſondern Gegen-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/245>, abgerufen am 23.11.2024.
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