immer siegreich über das historische Ereigniß; die allgemeinen Far- ben verblassen, die besonderen gewinnen an Kraft.
Der einzige Barfus, von dem Moeglin und seine Bewohner noch wissen, ist Dietlof von Barfus. Sie wissen von ihm, daß er reich war, daß er 40 Dörfer besaß, und daß er in einer Winter- nacht, als er zu Schlitten von Wriezen kam, seinen plötzlichen Tod fand. Es war Schneetreiben, nicht Weg nicht Steg erkenn- bar. Durch die nächtliche Oede hin, immer gradaus, dem Instinkt der Pferde das beste überlassend, so ging die Fahrt. Schon wa- ren sie dicht am Dorf, da, auf einem überschneeten, mit dünnem Eis bedeckten Sumpfloch, brach der Schlitten ein und alles ging in die Tiefe.
Die kleine Feldsteinkirche (ohne Thurm) ist aus der ersten christlichen Zeit und stand hier um vieles früher, als die Barfuse nach Moeglin kamen. In der Kirche selbst aber, aus verhältniß- mäßig später Zeit, hängt ein Wappenschild des alten Geschlechts, schmucklos, grün und roth übermalt und mit der Umschrift: Ale- xander von Barfus, geboren 1580 den 11. Decembris, gestorben den 19. Decembris 1647. (Wahrscheinlich ein Onkel, vielleicht auch der Großvater Hans Albrechts.)
Die Pfuels hatten Moeglin 100 Jahre inne, die Barfuse hatten es dreihundert. Dazwischen aber -- etwa um die Zeit der beiden ersten Hohenzollern -- fand eine Art Interregnum, ein herrenloser Zwischenzustand statt, der 20 oder 30 Jahre gedauert haben mag und von dem wir, mit Hülfe des Schloßregisters von 1450 nur erfahren, "daß in Moeglin ein Schäfer war." Das klingt uns wie eine Verheißung, wie ein heitres Versprechen für die Zukunft, und der Schäfer von 1450 erscheint fast wie der Schatten, den Albrecht Thaer, "der Moegliner Schäfer par excellence", durch vier Jahrhunderte wirft. Ihm, der die- sem kleinen Fleck Landes zu einem wirklichen Ruhm, weit über die Grenzen unsres Landes hinaus, verholfen hat, wenden wir uns nun ausführlicher zu.
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immer ſiegreich über das hiſtoriſche Ereigniß; die allgemeinen Far- ben verblaſſen, die beſonderen gewinnen an Kraft.
Der einzige Barfus, von dem Moeglin und ſeine Bewohner noch wiſſen, iſt Dietlof von Barfus. Sie wiſſen von ihm, daß er reich war, daß er 40 Dörfer beſaß, und daß er in einer Winter- nacht, als er zu Schlitten von Wriezen kam, ſeinen plötzlichen Tod fand. Es war Schneetreiben, nicht Weg nicht Steg erkenn- bar. Durch die nächtliche Oede hin, immer gradaus, dem Inſtinkt der Pferde das beſte überlaſſend, ſo ging die Fahrt. Schon wa- ren ſie dicht am Dorf, da, auf einem überſchneeten, mit dünnem Eis bedeckten Sumpfloch, brach der Schlitten ein und alles ging in die Tiefe.
Die kleine Feldſteinkirche (ohne Thurm) iſt aus der erſten chriſtlichen Zeit und ſtand hier um vieles früher, als die Barfuſe nach Moeglin kamen. In der Kirche ſelbſt aber, aus verhältniß- mäßig ſpäter Zeit, hängt ein Wappenſchild des alten Geſchlechts, ſchmucklos, grün und roth übermalt und mit der Umſchrift: Ale- xander von Barfus, geboren 1580 den 11. Decembris, geſtorben den 19. Decembris 1647. (Wahrſcheinlich ein Onkel, vielleicht auch der Großvater Hans Albrechts.)
Die Pfuels hatten Moeglin 100 Jahre inne, die Barfuſe hatten es dreihundert. Dazwiſchen aber — etwa um die Zeit der beiden erſten Hohenzollern — fand eine Art Interregnum, ein herrenloſer Zwiſchenzuſtand ſtatt, der 20 oder 30 Jahre gedauert haben mag und von dem wir, mit Hülfe des Schloßregiſters von 1450 nur erfahren, „daß in Moeglin ein Schäfer war.“ Das klingt uns wie eine Verheißung, wie ein heitres Verſprechen für die Zukunft, und der Schäfer von 1450 erſcheint faſt wie der Schatten, den Albrecht Thaer, „der Moegliner Schäfer par excellence“, durch vier Jahrhunderte wirft. Ihm, der die- ſem kleinen Fleck Landes zu einem wirklichen Ruhm, weit über die Grenzen unſres Landes hinaus, verholfen hat, wenden wir uns nun ausführlicher zu.
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immer ſiegreich über das hiſtoriſche Ereigniß; die allgemeinen Far-
ben verblaſſen, die beſonderen gewinnen an Kraft.
Der einzige Barfus, von dem Moeglin und ſeine Bewohner
noch wiſſen, iſt Dietlof von Barfus. Sie wiſſen von ihm, daß er
reich war, daß er 40 Dörfer beſaß, und daß er in einer Winter-
nacht, als er zu Schlitten von Wriezen kam, ſeinen plötzlichen
Tod fand. Es war Schneetreiben, nicht Weg nicht Steg erkenn-
bar. Durch die nächtliche Oede hin, immer gradaus, dem Inſtinkt
der Pferde das beſte überlaſſend, ſo ging die Fahrt. Schon wa-
ren ſie dicht am Dorf, da, auf einem überſchneeten, mit dünnem
Eis bedeckten Sumpfloch, brach der Schlitten ein und alles ging
in die Tiefe.
Die kleine Feldſteinkirche (ohne Thurm) iſt aus der erſten
chriſtlichen Zeit und ſtand hier um vieles früher, als die Barfuſe
nach Moeglin kamen. In der Kirche ſelbſt aber, aus verhältniß-
mäßig ſpäter Zeit, hängt ein Wappenſchild des alten Geſchlechts,
ſchmucklos, grün und roth übermalt und mit der Umſchrift: Ale-
xander von Barfus, geboren 1580 den 11. Decembris, geſtorben
den 19. Decembris 1647. (Wahrſcheinlich ein Onkel, vielleicht
auch der Großvater Hans Albrechts.)
Die Pfuels hatten Moeglin 100 Jahre inne, die Barfuſe
hatten es dreihundert. Dazwiſchen aber — etwa um die Zeit der
beiden erſten Hohenzollern — fand eine Art Interregnum, ein
herrenloſer Zwiſchenzuſtand ſtatt, der 20 oder 30 Jahre gedauert
haben mag und von dem wir, mit Hülfe des Schloßregiſters von
1450 nur erfahren, „daß in Moeglin ein Schäfer war.“
Das klingt uns wie eine Verheißung, wie ein heitres Verſprechen
für die Zukunft, und der Schäfer von 1450 erſcheint faſt wie
der Schatten, den Albrecht Thaer, „der Moegliner Schäfer
par excellence“, durch vier Jahrhunderte wirft. Ihm, der die-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/237>, abgerufen am 30.01.2025.
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