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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

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ten. Hasen gab es so viel, daß die Knechte, wenn sie gemiethet
wurden, sich ausmachten, nicht öfter, als zweimal wöchent-
lich Hasenbraten zu kriegen
.

Der Boden im Bruch war ein schönes, fettes Erdreich, mit
einer großen Fülle von Humus, der sich seit Jahrhunderten aus
dem Schlamme der Oder und aus der Verwesung vegetabilischer
Substanzen erzeugt hatte. Dies erleichterte die Bewirthschaftung;
auch diejenigen Colonisten, die nicht als Ackersleute ins Land ge-
kommen waren, fanden sich leicht in die neue Arbeit und Lebens-
weise, die, ob ernster oder leichter betrieben, jedem seinen Erfolg
sicherte. Man streute aus und war der Ernte sicher. Es wuchs
ihnen zu; der Segen kam in's Haus (halb uneingeladen); alles
wurde reich über Nacht.

Dieser Reichthum war ein Segen, aber er war zum großen
Theil so rasch, so mühelos errungen worden, daß er vielfach ein
Fluch wurde. Man war eben nur reich geworden; Bildung, Ge-
sittung hatten nicht Schritt gehalten mit dem rasch wachsenden
Vermögen, und so entstanden wunderliche Verhältnisse, übermü-
thig-sittenlose Zustände, deren erste Anfänge noch der große Kö-
nig, der "diese Provinz im Frieden erobert hatte," mit erlebte
und die bis in unsre Tage hinein fortdauerten. Ein Brief aus
dem Jahre 1838 schildert die Zustände des damaligen Oder-
bruchs wie folgt:

"Die Verhältnisse, die ich hier vorgefunden habe, sind die,
durch alle Jahrhunderte hin immer wiederkehrenden Zustände
einer Viertel- und Halb-Kultur, Zustände, wie sie zu jeder Zeit
und an jedem Orte immer von selber wieder aufwachsen, wo
in noch völlig rohe und barbarische Gemeinschaften, ohne Zu-
thun, ohne Mitwirkung, ohne rechte Theilnahme daran, ein
Stück Kultur von außen her in die Unkultur hineingetragen
wird. Das Wesen dieser Art von Existenzen ist die Dishar-
monie, der Mißklang, der Widerstreit. Durch den Schein der
Bildung, oder eines geistig erhöhten Lebens, bricht immer wie-
der die alte Rohheit durch, und im Einklang mit diesem Natur-

ten. Haſen gab es ſo viel, daß die Knechte, wenn ſie gemiethet
wurden, ſich ausmachten, nicht öfter, als zweimal wöchent-
lich Haſenbraten zu kriegen
.

Der Boden im Bruch war ein ſchönes, fettes Erdreich, mit
einer großen Fülle von Humus, der ſich ſeit Jahrhunderten aus
dem Schlamme der Oder und aus der Verweſung vegetabiliſcher
Subſtanzen erzeugt hatte. Dies erleichterte die Bewirthſchaftung;
auch diejenigen Coloniſten, die nicht als Ackersleute ins Land ge-
kommen waren, fanden ſich leicht in die neue Arbeit und Lebens-
weiſe, die, ob ernſter oder leichter betrieben, jedem ſeinen Erfolg
ſicherte. Man ſtreute aus und war der Ernte ſicher. Es wuchs
ihnen zu; der Segen kam in’s Haus (halb uneingeladen); alles
wurde reich über Nacht.

Dieſer Reichthum war ein Segen, aber er war zum großen
Theil ſo raſch, ſo mühelos errungen worden, daß er vielfach ein
Fluch wurde. Man war eben nur reich geworden; Bildung, Ge-
ſittung hatten nicht Schritt gehalten mit dem raſch wachſenden
Vermögen, und ſo entſtanden wunderliche Verhältniſſe, übermü-
thig-ſittenloſe Zuſtände, deren erſte Anfänge noch der große Kö-
nig, der „dieſe Provinz im Frieden erobert hatte,“ mit erlebte
und die bis in unſre Tage hinein fortdauerten. Ein Brief aus
dem Jahre 1838 ſchildert die Zuſtände des damaligen Oder-
bruchs wie folgt:

„Die Verhältniſſe, die ich hier vorgefunden habe, ſind die,
durch alle Jahrhunderte hin immer wiederkehrenden Zuſtände
einer Viertel- und Halb-Kultur, Zuſtände, wie ſie zu jeder Zeit
und an jedem Orte immer von ſelber wieder aufwachſen, wo
in noch völlig rohe und barbariſche Gemeinſchaften, ohne Zu-
thun, ohne Mitwirkung, ohne rechte Theilnahme daran, ein
Stück Kultur von außen her in die Unkultur hineingetragen
wird. Das Weſen dieſer Art von Exiſtenzen iſt die Dishar-
monie, der Mißklang, der Widerſtreit. Durch den Schein der
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der die alte Rohheit durch, und im Einklang mit dieſem Natur-

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[220/0232] ten. Haſen gab es ſo viel, daß die Knechte, wenn ſie gemiethet wurden, ſich ausmachten, nicht öfter, als zweimal wöchent- lich Haſenbraten zu kriegen. Der Boden im Bruch war ein ſchönes, fettes Erdreich, mit einer großen Fülle von Humus, der ſich ſeit Jahrhunderten aus dem Schlamme der Oder und aus der Verweſung vegetabiliſcher Subſtanzen erzeugt hatte. Dies erleichterte die Bewirthſchaftung; auch diejenigen Coloniſten, die nicht als Ackersleute ins Land ge- kommen waren, fanden ſich leicht in die neue Arbeit und Lebens- weiſe, die, ob ernſter oder leichter betrieben, jedem ſeinen Erfolg ſicherte. Man ſtreute aus und war der Ernte ſicher. Es wuchs ihnen zu; der Segen kam in’s Haus (halb uneingeladen); alles wurde reich über Nacht. Dieſer Reichthum war ein Segen, aber er war zum großen Theil ſo raſch, ſo mühelos errungen worden, daß er vielfach ein Fluch wurde. Man war eben nur reich geworden; Bildung, Ge- ſittung hatten nicht Schritt gehalten mit dem raſch wachſenden Vermögen, und ſo entſtanden wunderliche Verhältniſſe, übermü- thig-ſittenloſe Zuſtände, deren erſte Anfänge noch der große Kö- nig, der „dieſe Provinz im Frieden erobert hatte,“ mit erlebte und die bis in unſre Tage hinein fortdauerten. Ein Brief aus dem Jahre 1838 ſchildert die Zuſtände des damaligen Oder- bruchs wie folgt: „Die Verhältniſſe, die ich hier vorgefunden habe, ſind die, durch alle Jahrhunderte hin immer wiederkehrenden Zuſtände einer Viertel- und Halb-Kultur, Zuſtände, wie ſie zu jeder Zeit und an jedem Orte immer von ſelber wieder aufwachſen, wo in noch völlig rohe und barbariſche Gemeinſchaften, ohne Zu- thun, ohne Mitwirkung, ohne rechte Theilnahme daran, ein Stück Kultur von außen her in die Unkultur hineingetragen wird. Das Weſen dieſer Art von Exiſtenzen iſt die Dishar- monie, der Mißklang, der Widerſtreit. Durch den Schein der Bildung, oder eines geiſtig erhöhten Lebens, bricht immer wie- der die alte Rohheit durch, und im Einklang mit dieſem Natur-

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/232>, abgerufen am 26.11.2024.