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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

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von rechts nach links. Die Brücke, die am Abend des 10ten von
Reitwein nach Goeritz vorwärts geführt hatte, führte jetzt, am
Abend des 12., von Goeritz nach Reitwein zurück.

Der König verbrachte die Nacht, eine Viertelmeile südlich von
der Schiffbrücke, im Dorfe Oetscher; er schlief auf Stroh in
einer verödeten Bauernhütte. Auf dem Rücken Rittmeisters von
Prittwitz (der ihn gerettet) schrieb er hier mit Bleistift die Worte
an den Minister Finkenstein: "Alles ist verloren, retten Sie die
Königliche Familie; Adieu für immer." Andern Tags nahm er
Quartier in Reitwein, damals noch den Burgsdorffs gehörig.
Hier war es, wo er die berühmte Instruction aufsetzte (ebenfalls
an Finkenstein gerichtet), in der er den Prinzen Heinrich als Ge-
neralissimus der Armee bezeichnete und den Willen aussprach, daß
die Armee seinem Neffen schwören sollte.

An diesen Plätzen führt uns jetzt unsere Fahrt vorüber.
Oetscher (wiewohl nah gelegen) verbirgt sich hinter Hügeln, desto
malerischer treten Reitwein und Goeritz hervor. Schöner freilich
muß der Anblick dieses Bildes gewesen sein, als die alte Goeritzer
Kirche (ein berühmter Wallfahrtsort) auf der Höhe des Hügels
lag und sich mit der Kirche von Reitwein drüben begrüßte. Aber
Goeritz und seine Kirche sind in jedem Sinne von ihrer Höhe
herabgestiegen. Keine Wallfahrer kommen mehr und als sei es
nicht länger nöthig, das berühmte Wallfahrtshaus, die Kirche,
schon weithin sichtbar zu machen, hat man die neue Kirche (nach-
dem die alte, kurz vor der Zorndorfer Schlacht, von den Russen
zerstört worden war) in der Tiefe wieder aufgebaut.

Die Goeritzer Kirche hat uns zu guter Zeit an die Russen
und die Zorndorfer Schlacht gemahnt; denn wir verlassen so
eben das Terrain -- im weitesten Sinne -- der Kunersdorfer
Schlacht, um, in ähnlicher Weise, in den Schlachtengrund von
Zorndorf einzutreten.

Was wir zunächst erblicken, ist Küstrin selbst (thurmlos, grau,
in dünne Nebel gehüllt), die alte neumärkische Hauptstadt, um
deren Rettung es sich handelte, als am 21. August 1758 der

von rechts nach links. Die Brücke, die am Abend des 10ten von
Reitwein nach Goeritz vorwärts geführt hatte, führte jetzt, am
Abend des 12., von Goeritz nach Reitwein zurück.

Der König verbrachte die Nacht, eine Viertelmeile ſüdlich von
der Schiffbrücke, im Dorfe Oetſcher; er ſchlief auf Stroh in
einer verödeten Bauernhütte. Auf dem Rücken Rittmeiſters von
Prittwitz (der ihn gerettet) ſchrieb er hier mit Bleiſtift die Worte
an den Miniſter Finkenſtein: „Alles iſt verloren, retten Sie die
Königliche Familie; Adieu für immer.“ Andern Tags nahm er
Quartier in Reitwein, damals noch den Burgsdorffs gehörig.
Hier war es, wo er die berühmte Inſtruction aufſetzte (ebenfalls
an Finkenſtein gerichtet), in der er den Prinzen Heinrich als Ge-
neraliſſimus der Armee bezeichnete und den Willen ausſprach, daß
die Armee ſeinem Neffen ſchwören ſollte.

An dieſen Plätzen führt uns jetzt unſere Fahrt vorüber.
Oetſcher (wiewohl nah gelegen) verbirgt ſich hinter Hügeln, deſto
maleriſcher treten Reitwein und Goeritz hervor. Schöner freilich
muß der Anblick dieſes Bildes geweſen ſein, als die alte Goeritzer
Kirche (ein berühmter Wallfahrtsort) auf der Höhe des Hügels
lag und ſich mit der Kirche von Reitwein drüben begrüßte. Aber
Goeritz und ſeine Kirche ſind in jedem Sinne von ihrer Höhe
herabgeſtiegen. Keine Wallfahrer kommen mehr und als ſei es
nicht länger nöthig, das berühmte Wallfahrtshaus, die Kirche,
ſchon weithin ſichtbar zu machen, hat man die neue Kirche (nach-
dem die alte, kurz vor der Zorndorfer Schlacht, von den Ruſſen
zerſtört worden war) in der Tiefe wieder aufgebaut.

Die Goeritzer Kirche hat uns zu guter Zeit an die Ruſſen
und die Zorndorfer Schlacht gemahnt; denn wir verlaſſen ſo
eben das Terrain — im weiteſten Sinne — der Kunersdorfer
Schlacht, um, in ähnlicher Weiſe, in den Schlachtengrund von
Zorndorf einzutreten.

Was wir zunächſt erblicken, iſt Küſtrin ſelbſt (thurmlos, grau,
in dünne Nebel gehüllt), die alte neumärkiſche Hauptſtadt, um
deren Rettung es ſich handelte, als am 21. Auguſt 1758 der

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[11/0023] von rechts nach links. Die Brücke, die am Abend des 10ten von Reitwein nach Goeritz vorwärts geführt hatte, führte jetzt, am Abend des 12., von Goeritz nach Reitwein zurück. Der König verbrachte die Nacht, eine Viertelmeile ſüdlich von der Schiffbrücke, im Dorfe Oetſcher; er ſchlief auf Stroh in einer verödeten Bauernhütte. Auf dem Rücken Rittmeiſters von Prittwitz (der ihn gerettet) ſchrieb er hier mit Bleiſtift die Worte an den Miniſter Finkenſtein: „Alles iſt verloren, retten Sie die Königliche Familie; Adieu für immer.“ Andern Tags nahm er Quartier in Reitwein, damals noch den Burgsdorffs gehörig. Hier war es, wo er die berühmte Inſtruction aufſetzte (ebenfalls an Finkenſtein gerichtet), in der er den Prinzen Heinrich als Ge- neraliſſimus der Armee bezeichnete und den Willen ausſprach, daß die Armee ſeinem Neffen ſchwören ſollte. An dieſen Plätzen führt uns jetzt unſere Fahrt vorüber. Oetſcher (wiewohl nah gelegen) verbirgt ſich hinter Hügeln, deſto maleriſcher treten Reitwein und Goeritz hervor. Schöner freilich muß der Anblick dieſes Bildes geweſen ſein, als die alte Goeritzer Kirche (ein berühmter Wallfahrtsort) auf der Höhe des Hügels lag und ſich mit der Kirche von Reitwein drüben begrüßte. Aber Goeritz und ſeine Kirche ſind in jedem Sinne von ihrer Höhe herabgeſtiegen. Keine Wallfahrer kommen mehr und als ſei es nicht länger nöthig, das berühmte Wallfahrtshaus, die Kirche, ſchon weithin ſichtbar zu machen, hat man die neue Kirche (nach- dem die alte, kurz vor der Zorndorfer Schlacht, von den Ruſſen zerſtört worden war) in der Tiefe wieder aufgebaut. Die Goeritzer Kirche hat uns zu guter Zeit an die Ruſſen und die Zorndorfer Schlacht gemahnt; denn wir verlaſſen ſo eben das Terrain — im weiteſten Sinne — der Kunersdorfer Schlacht, um, in ähnlicher Weiſe, in den Schlachtengrund von Zorndorf einzutreten. Was wir zunächſt erblicken, iſt Küſtrin ſelbſt (thurmlos, grau, in dünne Nebel gehüllt), die alte neumärkiſche Hauptſtadt, um deren Rettung es ſich handelte, als am 21. Auguſt 1758 der

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/23>, abgerufen am 24.11.2024.