ihrem wesentlichen Theile am First des Berges hin, diese zieht sich am Ufer entlang und folgt den Windungen von Fluß und Hügel. Zwischen beiden, am Abhang, und wie es heißt an selber Stelle, wo einst die alte Kathedrale stand, erhebt sich jetzt die Lebuser Kirche, ein Bau aus neuer Zeit. Die "Unterstadt" hat Höfe und Treppen, die an das Wasser führen; die "Oberstadt" hat Zickzack- wege und Schluchtenstraßen, die den Abhang bis an die Unterstadt hernieder steigen. Auf diesen Zickzackwegen bewegt sich ein Theil des städtischen Lebens und Verkehrs. Gänse und Ziegen weiden dort unter Gras und Gestrüpp; Frauengestalten, zum Theil in die malerische Tracht des Oderbruchs gekleidet, schreiten bergab; den Zickzackweg hinauf aber steigt eben unser Freund der Gipsfiguren- mann und alle seine Puppen (nicht blos die "Aurora", die wieder ihre Flügel angelegt hat) schimmern im Morgenstrahl.
Nun aber Commandowort vom Radkasten aus und unser Dampfer schaufelt weiter.
Lebus liegt hinter uns und wir treten jetzt, auf etwa eine Meile hin, in jenes Terrain ein, wo Stadt und Dorf, zu beiden Seiten des Flusses, an die Tage mahnen, die jenem Kunersdorfer 12. August vorausgingen und ihm folgten. Es sind drei Namen vorzugsweise, denen wir hier, am Ufer hin, begegnen: Reitwein, Goeritz und Oetscher, alle drei mit der Geschichte jener Tage verwoben.
In Reitwein erschien am 10. August die Avantgarde des Königs, um eine Schiffbrücke vom linken auf's rechte Oderufer zu schlagen. Man wählte dazu die Schmälung des Flusses, wo die alte Stadt Goeritz, malerisch am Hügelabhang, dem Dorfe Reit- wein gegenüberliegt. Am 10. Abends erschien der König selbst und führte seine Bataillone (60 an der Zahl) hinüber; die Cavallerie ging durch eine Furth. In Goeritz aber blieb General Flemming mit 7 Bataillons zur Deckung der Schiffbrücke zurück. Zwei Tage später, am Abend des 12., befanden sich die Trümmer der geschla- genen Armee an derselben Furth, an derselben Schiffbrücke. Aber das Spiel war vertauscht; statt von links nach rechts ging es jetzt
ihrem weſentlichen Theile am Firſt des Berges hin, dieſe zieht ſich am Ufer entlang und folgt den Windungen von Fluß und Hügel. Zwiſchen beiden, am Abhang, und wie es heißt an ſelber Stelle, wo einſt die alte Kathedrale ſtand, erhebt ſich jetzt die Lebuſer Kirche, ein Bau aus neuer Zeit. Die „Unterſtadt“ hat Höfe und Treppen, die an das Waſſer führen; die „Oberſtadt“ hat Zickzack- wege und Schluchtenſtraßen, die den Abhang bis an die Unterſtadt hernieder ſteigen. Auf dieſen Zickzackwegen bewegt ſich ein Theil des ſtädtiſchen Lebens und Verkehrs. Gänſe und Ziegen weiden dort unter Gras und Geſtrüpp; Frauengeſtalten, zum Theil in die maleriſche Tracht des Oderbruchs gekleidet, ſchreiten bergab; den Zickzackweg hinauf aber ſteigt eben unſer Freund der Gipsfiguren- mann und alle ſeine Puppen (nicht blos die „Aurora“, die wieder ihre Flügel angelegt hat) ſchimmern im Morgenſtrahl.
Nun aber Commandowort vom Radkaſten aus und unſer Dampfer ſchaufelt weiter.
Lebus liegt hinter uns und wir treten jetzt, auf etwa eine Meile hin, in jenes Terrain ein, wo Stadt und Dorf, zu beiden Seiten des Fluſſes, an die Tage mahnen, die jenem Kunersdorfer 12. Auguſt vorausgingen und ihm folgten. Es ſind drei Namen vorzugsweiſe, denen wir hier, am Ufer hin, begegnen: Reitwein, Goeritz und Oetſcher, alle drei mit der Geſchichte jener Tage verwoben.
In Reitwein erſchien am 10. Auguſt die Avantgarde des Königs, um eine Schiffbrücke vom linken auf’s rechte Oderufer zu ſchlagen. Man wählte dazu die Schmälung des Fluſſes, wo die alte Stadt Goeritz, maleriſch am Hügelabhang, dem Dorfe Reit- wein gegenüberliegt. Am 10. Abends erſchien der König ſelbſt und führte ſeine Bataillone (60 an der Zahl) hinüber; die Cavallerie ging durch eine Furth. In Goeritz aber blieb General Flemming mit 7 Bataillons zur Deckung der Schiffbrücke zurück. Zwei Tage ſpäter, am Abend des 12., befanden ſich die Trümmer der geſchla- genen Armee an derſelben Furth, an derſelben Schiffbrücke. Aber das Spiel war vertauſcht; ſtatt von links nach rechts ging es jetzt
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ihrem weſentlichen Theile am Firſt des Berges hin, dieſe zieht ſich
am Ufer entlang und folgt den Windungen von Fluß und Hügel.
Zwiſchen beiden, am Abhang, und wie es heißt an ſelber Stelle,
wo einſt die alte Kathedrale ſtand, erhebt ſich jetzt die Lebuſer
Kirche, ein Bau aus neuer Zeit. Die „Unterſtadt“ hat Höfe und
Treppen, die an das Waſſer führen; die „Oberſtadt“ hat Zickzack-
wege und Schluchtenſtraßen, die den Abhang bis an die Unterſtadt
hernieder ſteigen. Auf dieſen Zickzackwegen bewegt ſich ein Theil
des ſtädtiſchen Lebens und Verkehrs. Gänſe und Ziegen weiden
dort unter Gras und Geſtrüpp; Frauengeſtalten, zum Theil in die
maleriſche Tracht des Oderbruchs gekleidet, ſchreiten bergab; den
Zickzackweg hinauf aber ſteigt eben unſer Freund der Gipsfiguren-
mann und alle ſeine Puppen (nicht blos die „Aurora“, die wieder
ihre Flügel angelegt hat) ſchimmern im Morgenſtrahl.
Nun aber Commandowort vom Radkaſten aus und unſer
Dampfer ſchaufelt weiter.
Lebus liegt hinter uns und wir treten jetzt, auf etwa eine
Meile hin, in jenes Terrain ein, wo Stadt und Dorf, zu beiden
Seiten des Fluſſes, an die Tage mahnen, die jenem Kunersdorfer
12. Auguſt vorausgingen und ihm folgten. Es ſind drei
Namen vorzugsweiſe, denen wir hier, am Ufer hin, begegnen:
Reitwein, Goeritz und Oetſcher, alle drei mit der Geſchichte jener
Tage verwoben.
In Reitwein erſchien am 10. Auguſt die Avantgarde des
Königs, um eine Schiffbrücke vom linken auf’s rechte Oderufer zu
ſchlagen. Man wählte dazu die Schmälung des Fluſſes, wo die
alte Stadt Goeritz, maleriſch am Hügelabhang, dem Dorfe Reit-
wein gegenüberliegt. Am 10. Abends erſchien der König ſelbſt und
führte ſeine Bataillone (60 an der Zahl) hinüber; die Cavallerie
ging durch eine Furth. In Goeritz aber blieb General Flemming
mit 7 Bataillons zur Deckung der Schiffbrücke zurück. Zwei Tage
ſpäter, am Abend des 12., befanden ſich die Trümmer der geſchla-
genen Armee an derſelben Furth, an derſelben Schiffbrücke. Aber
das Spiel war vertauſcht; ſtatt von links nach rechts ging es jetzt
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/22>, abgerufen am 27.11.2024.
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