tigen Dämmen." Das sogenannte Ober-Bruch, wie wir gesehen haben, hatte solche Dämme schon. Es handelte sich jetzt um Ein- dämmung des Nieder-Bruchs, eine Aufgabe, die dadurch so complicirt wurde, daß es hier nicht nur galt, den jetzigen Oder- strom auf seiner Strecke von Cüstrin bis Sathen an einer Seite (das neumärkische Ufer hat Berge), sondern vor allem die in wei- ten Windungen sich durch das Land ziehende "alte Oder" an beiden Seiten einzudämmen. Große Anstrengungen und große Geldsummen waren dazu erforderlich. Endlich glückte es. Die Ge- sammtstrecke der hier im Nieder-Oderbruche angelegten Deiche be- trägt über zehn Meilen. Diese Deiche waren nicht gleich Anfangs was sie jetzt sind, weder an Höhe noch Festigkeit. So kam es, daß auch nach Anlage derselben verschiedne große Ueberschwem- mungen stattfanden, z. B. 1786 und 1838. Auch jetzt noch ist die Möglichkeit solcher Ueberschwemmungen nicht ausgeschlossen; ein Dammbruch kann stattfinden oder die Höhe des Wassers (wie 1854 und 1862 nahezu geschah) kann die Höhe der Dämme übersteigen. Indessen verringert sich diese Möglichkeit von Jahr zu Jahr, da die Dämme wie Festungen, die nach immer verbesserten fortifikatorischen Prinzipien gemodelt werden, alljährlich an Aus- dehnung und Widerstandskraft gewinnen.
Ad 3. Die dritte Aufgabe war, das Binnenwasser abzu- fangen. Dies war kaum minder wichtig als die Anlegung der Dämme. Die Dämme schützten gegen die von außen her herein- brechenden Fluthen; aber sie konnten nicht schützen gegen das Wasser, das theils sichtbar im Bruche (in Sümpfen, Pfuhlen und sogenannten "faulen Seen") dastand, theils als Grund- wasser unter dem Erdreich lauerte, jeden Augenblick bereit, zu wachsen und an die Oberfläche zu treten. Um diesem Uebelstande abzuhelfen, ohne den eine eigentliche Trockenlegung nicht mög- lich war, bedurfte es eines ausgedehnten Canalsystems. Auch ein solches wurde geschaffen. Zahllose Abzugsgräben, kleine und große und unter den verschiedensten Namen, wurden gegraben, die alle in den sogenannten "Landgraben" mündeten und mittelst des-
tigen Dämmen.“ Das ſogenannte Ober-Bruch, wie wir geſehen haben, hatte ſolche Dämme ſchon. Es handelte ſich jetzt um Ein- dämmung des Nieder-Bruchs, eine Aufgabe, die dadurch ſo complicirt wurde, daß es hier nicht nur galt, den jetzigen Oder- ſtrom auf ſeiner Strecke von Cüſtrin bis Sathen an einer Seite (das neumärkiſche Ufer hat Berge), ſondern vor allem die in wei- ten Windungen ſich durch das Land ziehende „alte Oder“ an beiden Seiten einzudämmen. Große Anſtrengungen und große Geldſummen waren dazu erforderlich. Endlich glückte es. Die Ge- ſammtſtrecke der hier im Nieder-Oderbruche angelegten Deiche be- trägt über zehn Meilen. Dieſe Deiche waren nicht gleich Anfangs was ſie jetzt ſind, weder an Höhe noch Feſtigkeit. So kam es, daß auch nach Anlage derſelben verſchiedne große Ueberſchwem- mungen ſtattfanden, z. B. 1786 und 1838. Auch jetzt noch iſt die Möglichkeit ſolcher Ueberſchwemmungen nicht ausgeſchloſſen; ein Dammbruch kann ſtattfinden oder die Höhe des Waſſers (wie 1854 und 1862 nahezu geſchah) kann die Höhe der Dämme überſteigen. Indeſſen verringert ſich dieſe Möglichkeit von Jahr zu Jahr, da die Dämme wie Feſtungen, die nach immer verbeſſerten fortifikatoriſchen Prinzipien gemodelt werden, alljährlich an Aus- dehnung und Widerſtandskraft gewinnen.
Ad 3. Die dritte Aufgabe war, das Binnenwaſſer abzu- fangen. Dies war kaum minder wichtig als die Anlegung der Dämme. Die Dämme ſchützten gegen die von außen her herein- brechenden Fluthen; aber ſie konnten nicht ſchützen gegen das Waſſer, das theils ſichtbar im Bruche (in Sümpfen, Pfuhlen und ſogenannten „faulen Seen“) daſtand, theils als Grund- waſſer unter dem Erdreich lauerte, jeden Augenblick bereit, zu wachſen und an die Oberfläche zu treten. Um dieſem Uebelſtande abzuhelfen, ohne den eine eigentliche Trockenlegung nicht mög- lich war, bedurfte es eines ausgedehnten Canalſyſtems. Auch ein ſolches wurde geſchaffen. Zahlloſe Abzugsgräben, kleine und große und unter den verſchiedenſten Namen, wurden gegraben, die alle in den ſogenannten „Landgraben“ mündeten und mittelſt deſ-
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tigen Dämmen.“ Das ſogenannte Ober-Bruch, wie wir geſehen
haben, hatte ſolche Dämme ſchon. Es handelte ſich jetzt um Ein-
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complicirt wurde, daß es hier nicht nur galt, den jetzigen Oder-
ſtrom auf ſeiner Strecke von Cüſtrin bis Sathen an einer Seite
(das neumärkiſche Ufer hat Berge), ſondern vor allem die in wei-
ten Windungen ſich durch das Land ziehende „alte Oder“ an
beiden Seiten einzudämmen. Große Anſtrengungen und große
Geldſummen waren dazu erforderlich. Endlich glückte es. Die Ge-
ſammtſtrecke der hier im Nieder-Oderbruche angelegten Deiche be-
trägt über zehn Meilen. Dieſe Deiche waren nicht gleich Anfangs
was ſie jetzt ſind, weder an Höhe noch Feſtigkeit. So kam es,
daß auch nach Anlage derſelben verſchiedne große Ueberſchwem-
mungen ſtattfanden, z. B. 1786 und 1838. Auch jetzt noch iſt
die Möglichkeit ſolcher Ueberſchwemmungen nicht ausgeſchloſſen;
ein Dammbruch kann ſtattfinden oder die Höhe des Waſſers (wie
1854 und 1862 nahezu geſchah) kann die Höhe der Dämme
überſteigen. Indeſſen verringert ſich dieſe Möglichkeit von Jahr zu
Jahr, da die Dämme wie Feſtungen, die nach immer verbeſſerten
fortifikatoriſchen Prinzipien gemodelt werden, alljährlich an Aus-
dehnung und Widerſtandskraft gewinnen.
Ad 3. Die dritte Aufgabe war, das Binnenwaſſer abzu-
fangen. Dies war kaum minder wichtig als die Anlegung der
Dämme. Die Dämme ſchützten gegen die von außen her herein-
brechenden Fluthen; aber ſie konnten nicht ſchützen gegen das
Waſſer, das theils ſichtbar im Bruche (in Sümpfen, Pfuhlen
und ſogenannten „faulen Seen“) daſtand, theils als Grund-
waſſer unter dem Erdreich lauerte, jeden Augenblick bereit, zu
wachſen und an die Oberfläche zu treten. Um dieſem Uebelſtande
abzuhelfen, ohne den eine eigentliche Trockenlegung nicht mög-
lich war, bedurfte es eines ausgedehnten Canalſyſtems. Auch
ein ſolches wurde geſchaffen. Zahlloſe Abzugsgräben, kleine und
große und unter den verſchiedenſten Namen, wurden gegraben, die
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/214>, abgerufen am 25.11.2024.
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