1763 kam Bollersdorf durch Schenkung (wie Friedland) in Besitz des Generalmajors von Lestwitz und theilte seitdem, hinsicht- lich seiner Besitzverhältnisse, das Schicksal des Lestwitz-Itzenplitzi- schen Gütercomplexes (Friedland, Cunersdorff, Bollersdorf, Pritz- hagen), dem es von da ab zugehörte.
Pritzhagen liegt mehr östlich und das coupirte Terrain ge- stattet keinen Blick auf den Schermützel-See. Das Dorf selbst ist unbedeutend wie Bollersdorf. Viele Jahrhunderte lang, bis kurz vor der Zeit, wo es Lestwitz erhielt, besaßen es die "Rutze" oder die "von Reutze" wie sie später genannt wurden. Schon 1375 (wie das Landbuch berichtet) gehörte Pritzhagen den "Rutze's und blieb im Besitz dieser alten Familie bis in's 18. Jahrhundert hinein. Dann starben sie aus. Der letzte, wie es scheint, war "Junker Hans", ein Waidmann von altem Schrot und Korn, der seine Passion mit dem Leben bezahlte. Sein Name lebt fort in der "Junker Hansens Kehle." "Kehle", in der Gebirgssprache der märkischen Schweiz, ist der gäng und gäbe Ausdruck für "Schlucht" und "Junker Hansens Kehle" bedeutet einfach die Schlucht, in die Junker Hans von Rutze bei Verfolgung eines Hirsches hinein- stürzte und den Hals brach. In Pritzhagen erzählt jedes Kind von ihm; aber eine Meile weiter weiß niemand etwas weder von den Rutzes, noch Junker Hans, noch von der "Kehle", die seinem eignen Halse so verderblich wurde. Ein allerlokalster Ruhm.
Pritzhagen bedeutet wenig, aber seine Berge und Schluchten bedeuten viel, selbst seine "Kehlen." Einer seiner reizendsten Punkte ist der "Dachsberg", kaum eine Viertelstunde vom Dorf gelegen und mit Recht ein Lieblingsplatz aller märkischen "Touristen." Auch Berliner huldigen ihm. Und das ist doch immer das Ent- scheidende!
Der Dachsberg an und für sich ist nichts besonderes; aber die beiden Seen, die zu ihm aufblicken, ebenso wie die Schlucht, die diese Seen verbindet, bilden seine Schönheit. Die beiden Seen heißen der kleine und große Tornow und die Schlucht heißt die "Silberkehle."
1763 kam Bollersdorf durch Schenkung (wie Friedland) in Beſitz des Generalmajors von Leſtwitz und theilte ſeitdem, hinſicht- lich ſeiner Beſitzverhältniſſe, das Schickſal des Leſtwitz-Itzenplitzi- ſchen Gütercomplexes (Friedland, Cunersdorff, Bollersdorf, Pritz- hagen), dem es von da ab zugehörte.
Pritzhagen liegt mehr öſtlich und das coupirte Terrain ge- ſtattet keinen Blick auf den Schermützel-See. Das Dorf ſelbſt iſt unbedeutend wie Bollersdorf. Viele Jahrhunderte lang, bis kurz vor der Zeit, wo es Leſtwitz erhielt, beſaßen es die „Rutze“ oder die „von Reutze“ wie ſie ſpäter genannt wurden. Schon 1375 (wie das Landbuch berichtet) gehörte Pritzhagen den „Rutze’s und blieb im Beſitz dieſer alten Familie bis in’s 18. Jahrhundert hinein. Dann ſtarben ſie aus. Der letzte, wie es ſcheint, war „Junker Hans“, ein Waidmann von altem Schrot und Korn, der ſeine Paſſion mit dem Leben bezahlte. Sein Name lebt fort in der „Junker Hanſens Kehle.“ „Kehle“, in der Gebirgsſprache der märkiſchen Schweiz, iſt der gäng und gäbe Ausdruck für „Schlucht“ und „Junker Hanſens Kehle“ bedeutet einfach die Schlucht, in die Junker Hans von Rutze bei Verfolgung eines Hirſches hinein- ſtürzte und den Hals brach. In Pritzhagen erzählt jedes Kind von ihm; aber eine Meile weiter weiß niemand etwas weder von den Rutzes, noch Junker Hans, noch von der „Kehle“, die ſeinem eignen Halſe ſo verderblich wurde. Ein allerlokalſter Ruhm.
Pritzhagen bedeutet wenig, aber ſeine Berge und Schluchten bedeuten viel, ſelbſt ſeine „Kehlen.“ Einer ſeiner reizendſten Punkte iſt der „Dachsberg“, kaum eine Viertelſtunde vom Dorf gelegen und mit Recht ein Lieblingsplatz aller märkiſchen „Touriſten.“ Auch Berliner huldigen ihm. Und das iſt doch immer das Ent- ſcheidende!
Der Dachsberg an und für ſich iſt nichts beſonderes; aber die beiden Seen, die zu ihm aufblicken, ebenſo wie die Schlucht, die dieſe Seen verbindet, bilden ſeine Schönheit. Die beiden Seen heißen der kleine und große Tornow und die Schlucht heißt die „Silberkehle.“
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1763 kam Bollersdorf durch Schenkung (wie Friedland) in
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lich ſeiner Beſitzverhältniſſe, das Schickſal des Leſtwitz-Itzenplitzi-
ſchen Gütercomplexes (Friedland, Cunersdorff, Bollersdorf, Pritz-
hagen), dem es von da ab zugehörte.
Pritzhagen liegt mehr öſtlich und das coupirte Terrain ge-
ſtattet keinen Blick auf den Schermützel-See. Das Dorf ſelbſt iſt
unbedeutend wie Bollersdorf. Viele Jahrhunderte lang, bis kurz
vor der Zeit, wo es Leſtwitz erhielt, beſaßen es die „Rutze“ oder
die „von Reutze“ wie ſie ſpäter genannt wurden. Schon 1375
(wie das Landbuch berichtet) gehörte Pritzhagen den „Rutze’s und
blieb im Beſitz dieſer alten Familie bis in’s 18. Jahrhundert
hinein. Dann ſtarben ſie aus. Der letzte, wie es ſcheint, war
„Junker Hans“, ein Waidmann von altem Schrot und Korn, der
ſeine Paſſion mit dem Leben bezahlte. Sein Name lebt fort in
der „Junker Hanſens Kehle.“ „Kehle“, in der Gebirgsſprache der
märkiſchen Schweiz, iſt der gäng und gäbe Ausdruck für „Schlucht“
und „Junker Hanſens Kehle“ bedeutet einfach die Schlucht, in
die Junker Hans von Rutze bei Verfolgung eines Hirſches hinein-
ſtürzte und den Hals brach. In Pritzhagen erzählt jedes Kind von
ihm; aber eine Meile weiter weiß niemand etwas weder von den
Rutzes, noch Junker Hans, noch von der „Kehle“, die ſeinem
eignen Halſe ſo verderblich wurde. Ein allerlokalſter Ruhm.
Pritzhagen bedeutet wenig, aber ſeine Berge und Schluchten
bedeuten viel, ſelbſt ſeine „Kehlen.“ Einer ſeiner reizendſten Punkte
iſt der „Dachsberg“, kaum eine Viertelſtunde vom Dorf gelegen
und mit Recht ein Lieblingsplatz aller märkiſchen „Touriſten.“
Auch Berliner huldigen ihm. Und das iſt doch immer das Ent-
ſcheidende!
Der Dachsberg an und für ſich iſt nichts beſonderes; aber
die beiden Seen, die zu ihm aufblicken, ebenſo wie die Schlucht,
die dieſe Seen verbindet, bilden ſeine Schönheit. Die beiden
Seen heißen der kleine und große Tornow und die Schlucht heißt
die „Silberkehle.“
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/198>, abgerufen am 23.11.2024.
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