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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

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haben wenig davon. Wenn wir hier Netze ziehn, so gehen die
Fische tiefer, und wollen wir ihnen nach, so kommen wir in den
alten Eichwald, der hier unten steht. Die Maschen zerreißen dann,
die Fische schlüpfen durch und ein paar abgebrochne Zacken sind
alles, was wir mit nach oben bringen. So hat sich's geändert;
einst war alles Berg hier, und Stadt und Wald standen zwischen
hüben und drüben, wie wir beide hier auf dieser Höhe stehn. In
einer Nacht war alles vorbei. Der Berg ging nach unten und der
See kam herauf."

Die Sonne ging eben unter, eine kühle Luft wehte über das
Feld und ein leises Unbehagen lief mir über den Rücken. Aber ich
wußte doch nun, was es war, daß mich der See mit ganz andrem
Auge angeblickt hatte wie mancher andre See und ich warf mich
nieder und streckte den Kopf über den Abgrund hinaus, wenigstens
den Wunsch (wenn nicht mehr) im Herzen, unten ein Eichenskelett
bis an den Wasserspiegel heraufragen und die Fische durch die
Zackenkronen hindurch huschen zu sehn. Ich sah es auch wirklich,
aber mit dem Bewußtsein, daß es Täuschung sei.

Wir traten den Rückweg an und plauderten über dies und
das. Des See's Sagen indeß verließen mich nicht und begleiteten
mich in die große Stadt, wo ich in Büchern nachzuschlagen und
nach der Vorgeschichte des großen Schermützel See's zu suchen
begann. Was ich fand, ist das. Viele unsrer märkischen Seen und
seeartigen Vertiefungen sollen durch sogenannte Erdfälle entstan-
den sein. Man hat keine andre Erklärung. Plötzlich und unver-
mittelt in Mitten eines Plateaus auftretend (wie dies namentlich
bei'm Schermützel See der Fall ist) ist es nicht möglich von her-
einbrechenden Wasserfluthen, von Flußbett oder Strömungen zu
sprechen. Es ist nichts von außen Herantretendes, was die
Erklärung geben kann, es muß vielmehr ein innerlicher Vor-
gang, ein eminent lokaler sein. Man denkt sich die Sache so.
Das Innere der Erde hat Höhlen, deren Wände und Deckenge-
wölbe (nach Art der jetzigen Tunnel) die Hand der Natur mit

haben wenig davon. Wenn wir hier Netze ziehn, ſo gehen die
Fiſche tiefer, und wollen wir ihnen nach, ſo kommen wir in den
alten Eichwald, der hier unten ſteht. Die Maſchen zerreißen dann,
die Fiſche ſchlüpfen durch und ein paar abgebrochne Zacken ſind
alles, was wir mit nach oben bringen. So hat ſich’s geändert;
einſt war alles Berg hier, und Stadt und Wald ſtanden zwiſchen
hüben und drüben, wie wir beide hier auf dieſer Höhe ſtehn. In
einer Nacht war alles vorbei. Der Berg ging nach unten und der
See kam herauf.“

Die Sonne ging eben unter, eine kühle Luft wehte über das
Feld und ein leiſes Unbehagen lief mir über den Rücken. Aber ich
wußte doch nun, was es war, daß mich der See mit ganz andrem
Auge angeblickt hatte wie mancher andre See und ich warf mich
nieder und ſtreckte den Kopf über den Abgrund hinaus, wenigſtens
den Wunſch (wenn nicht mehr) im Herzen, unten ein Eichenſkelett
bis an den Waſſerſpiegel heraufragen und die Fiſche durch die
Zackenkronen hindurch huſchen zu ſehn. Ich ſah es auch wirklich,
aber mit dem Bewußtſein, daß es Täuſchung ſei.

Wir traten den Rückweg an und plauderten über dies und
das. Des See’s Sagen indeß verließen mich nicht und begleiteten
mich in die große Stadt, wo ich in Büchern nachzuſchlagen und
nach der Vorgeſchichte des großen Schermützel See’s zu ſuchen
begann. Was ich fand, iſt das. Viele unſrer märkiſchen Seen und
ſeeartigen Vertiefungen ſollen durch ſogenannte Erdfälle entſtan-
den ſein. Man hat keine andre Erklärung. Plötzlich und unver-
mittelt in Mitten eines Plateaus auftretend (wie dies namentlich
bei’m Schermützel See der Fall iſt) iſt es nicht möglich von her-
einbrechenden Waſſerfluthen, von Flußbett oder Strömungen zu
ſprechen. Es iſt nichts von außen Herantretendes, was die
Erklärung geben kann, es muß vielmehr ein innerlicher Vor-
gang, ein eminent lokaler ſein. Man denkt ſich die Sache ſo.
Das Innere der Erde hat Höhlen, deren Wände und Deckenge-
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[182/0194] haben wenig davon. Wenn wir hier Netze ziehn, ſo gehen die Fiſche tiefer, und wollen wir ihnen nach, ſo kommen wir in den alten Eichwald, der hier unten ſteht. Die Maſchen zerreißen dann, die Fiſche ſchlüpfen durch und ein paar abgebrochne Zacken ſind alles, was wir mit nach oben bringen. So hat ſich’s geändert; einſt war alles Berg hier, und Stadt und Wald ſtanden zwiſchen hüben und drüben, wie wir beide hier auf dieſer Höhe ſtehn. In einer Nacht war alles vorbei. Der Berg ging nach unten und der See kam herauf.“ Die Sonne ging eben unter, eine kühle Luft wehte über das Feld und ein leiſes Unbehagen lief mir über den Rücken. Aber ich wußte doch nun, was es war, daß mich der See mit ganz andrem Auge angeblickt hatte wie mancher andre See und ich warf mich nieder und ſtreckte den Kopf über den Abgrund hinaus, wenigſtens den Wunſch (wenn nicht mehr) im Herzen, unten ein Eichenſkelett bis an den Waſſerſpiegel heraufragen und die Fiſche durch die Zackenkronen hindurch huſchen zu ſehn. Ich ſah es auch wirklich, aber mit dem Bewußtſein, daß es Täuſchung ſei. Wir traten den Rückweg an und plauderten über dies und das. Des See’s Sagen indeß verließen mich nicht und begleiteten mich in die große Stadt, wo ich in Büchern nachzuſchlagen und nach der Vorgeſchichte des großen Schermützel See’s zu ſuchen begann. Was ich fand, iſt das. Viele unſrer märkiſchen Seen und ſeeartigen Vertiefungen ſollen durch ſogenannte Erdfälle entſtan- den ſein. Man hat keine andre Erklärung. Plötzlich und unver- mittelt in Mitten eines Plateaus auftretend (wie dies namentlich bei’m Schermützel See der Fall iſt) iſt es nicht möglich von her- einbrechenden Waſſerfluthen, von Flußbett oder Strömungen zu ſprechen. Es iſt nichts von außen Herantretendes, was die Erklärung geben kann, es muß vielmehr ein innerlicher Vor- gang, ein eminent lokaler ſein. Man denkt ſich die Sache ſo. Das Innere der Erde hat Höhlen, deren Wände und Deckenge- wölbe (nach Art der jetzigen Tunnel) die Hand der Natur mit

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/194>, abgerufen am 27.11.2024.