Was an diesem auf beiden Seiten beschriebenen Quartblatt das interessanteste ist, ist wohl der Umstand, daß uns dasselbe, (eben weil Brouillon) in die Entstehungs-Geschichte dieser, wie ähnlicher Versbriefe des Kronprinzen einführt und uns genau zeigt, wie er arbeitete. Es überrascht dabei einmal eine gewisse Strenge gegen sich selbst, die sich in den doppelten und dreifachen Varianten zur Genüge ausspricht, anderseits ein gewisses prosaisches "sich's bequem machen", das die Reimworte nicht mit ahnungs- voller Sicherheit aus dem Gedächtniß rasch heraufbeschwört, son- dern sie aufschreibt, um nun völlig nüchtern und nach Bedürf- niß die Auswahl zu treffen. So finden wir, in kurzen und langen Columnen, unter einander geordnet, erst: hyperbole, parole, dann pretendu, venu, parvenu, dann magnifique, rustique, implique, philosophique, intrique, musique, inique, poe- tique; endlich aprouve, deprave, annonce, consume, alarme etc., Aufzählungen, die es ersichtlich machen, daß der Kronprinz in vielen Fällen nicht eine Hülle für den Gedanken, sondern einen Gedanken für die Hülle suchte. Uebrigens arbeiten bekanntlich viele Poeten auf ziemlich dieselbe Weise und so unpoetisch, auf den ersten Blick, dieser Weg allerdings erscheinen muß, so ist doch schließlich nicht erwiesen, daß derselbe wesentlich schlechter sei als ein andrer. Er erinnert an die Verfahrungsweise einzelner Maler, be- sonders guter Coloristen, die, zunächst eine bloße harmonische Wir- kung auf die Sinne bezweckend, nicht klare Gestalten, sondern Farben (die dem Reim entsprechen) neben einander stellen. Form und Gedanke finden sich nachher. Wie sie sich finden, -- scheinbar zwanglos, oder aber sichtlich erzwungen -- davon hängt dann freilich alles ab.
Wir haben diesem umrahmten Quartblatt Papier wieder sei- nen Ehrenplatz an der Längswand des Bibliothekzimmers gegeben und treten nun aus dem kühlen schattigen Raume in den sonn- beschienenen Park hinaus. Es ist jener Mittagszauber, von dem es im Liede heißt:
Was an dieſem auf beiden Seiten beſchriebenen Quartblatt das intereſſanteſte iſt, iſt wohl der Umſtand, daß uns daſſelbe, (eben weil Brouillon) in die Entſtehungs-Geſchichte dieſer, wie ähnlicher Versbriefe des Kronprinzen einführt und uns genau zeigt, wie er arbeitete. Es überraſcht dabei einmal eine gewiſſe Strenge gegen ſich ſelbſt, die ſich in den doppelten und dreifachen Varianten zur Genüge ausſpricht, anderſeits ein gewiſſes proſaiſches „ſich’s bequem machen“, das die Reimworte nicht mit ahnungs- voller Sicherheit aus dem Gedächtniß raſch heraufbeſchwört, ſon- dern ſie aufſchreibt, um nun völlig nüchtern und nach Bedürf- niß die Auswahl zu treffen. So finden wir, in kurzen und langen Columnen, unter einander geordnet, erſt: hyperbole, parole, dann pretendu, venu, parvenu, dann magnifique, rustique, implique, philosophique, intrique, musique, inique, poe- tique; endlich aprouvé, depravé, annoncé, consumé, alarmé etc., Aufzählungen, die es erſichtlich machen, daß der Kronprinz in vielen Fällen nicht eine Hülle für den Gedanken, ſondern einen Gedanken für die Hülle ſuchte. Uebrigens arbeiten bekanntlich viele Poeten auf ziemlich dieſelbe Weiſe und ſo unpoetiſch, auf den erſten Blick, dieſer Weg allerdings erſcheinen muß, ſo iſt doch ſchließlich nicht erwieſen, daß derſelbe weſentlich ſchlechter ſei als ein andrer. Er erinnert an die Verfahrungsweiſe einzelner Maler, be- ſonders guter Coloriſten, die, zunächſt eine bloße harmoniſche Wir- kung auf die Sinne bezweckend, nicht klare Geſtalten, ſondern Farben (die dem Reim entſprechen) neben einander ſtellen. Form und Gedanke finden ſich nachher. Wie ſie ſich finden, — ſcheinbar zwanglos, oder aber ſichtlich erzwungen — davon hängt dann freilich alles ab.
Wir haben dieſem umrahmten Quartblatt Papier wieder ſei- nen Ehrenplatz an der Längswand des Bibliothekzimmers gegeben und treten nun aus dem kühlen ſchattigen Raume in den ſonn- beſchienenen Park hinaus. Es iſt jener Mittagszauber, von dem es im Liede heißt:
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Was an dieſem auf beiden Seiten beſchriebenen Quartblatt
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(eben weil Brouillon) in die Entſtehungs-Geſchichte dieſer,
wie ähnlicher Versbriefe des Kronprinzen einführt und uns genau
zeigt, wie er arbeitete. Es überraſcht dabei einmal eine gewiſſe
Strenge gegen ſich ſelbſt, die ſich in den doppelten und dreifachen
Varianten zur Genüge ausſpricht, anderſeits ein gewiſſes proſaiſches
„ſich’s bequem machen“, das die Reimworte nicht mit ahnungs-
voller Sicherheit aus dem Gedächtniß raſch heraufbeſchwört, ſon-
dern ſie aufſchreibt, um nun völlig nüchtern und nach Bedürf-
niß die Auswahl zu treffen. So finden wir, in kurzen und langen
Columnen, unter einander geordnet, erſt: hyperbole, parole,
dann pretendu, venu, parvenu, dann magnifique, rustique,
implique, philosophique, intrique, musique, inique, poe-
tique; endlich aprouvé, depravé, annoncé, consumé, alarmé
etc., Aufzählungen, die es erſichtlich machen, daß der Kronprinz
in vielen Fällen nicht eine Hülle für den Gedanken, ſondern einen
Gedanken für die Hülle ſuchte. Uebrigens arbeiten bekanntlich viele
Poeten auf ziemlich dieſelbe Weiſe und ſo unpoetiſch, auf den
erſten Blick, dieſer Weg allerdings erſcheinen muß, ſo iſt doch
ſchließlich nicht erwieſen, daß derſelbe weſentlich ſchlechter ſei als ein
andrer. Er erinnert an die Verfahrungsweiſe einzelner Maler, be-
ſonders guter Coloriſten, die, zunächſt eine bloße harmoniſche Wir-
kung auf die Sinne bezweckend, nicht klare Geſtalten, ſondern
Farben (die dem Reim entſprechen) neben einander ſtellen.
Form und Gedanke finden ſich nachher. Wie ſie ſich finden, —
ſcheinbar zwanglos, oder aber ſichtlich erzwungen — davon hängt
dann freilich alles ab.
Wir haben dieſem umrahmten Quartblatt Papier wieder ſei-
nen Ehrenplatz an der Längswand des Bibliothekzimmers gegeben
und treten nun aus dem kühlen ſchattigen Raume in den ſonn-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/184>, abgerufen am 27.11.2024.
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