Räthen Mylius und Gerbett und behauptete während dessen eine "kecke und beleidigende Zurückhaltung." Als Grumbkow ihm seine Verwunderung darüber bezeugte, antwortete er: "Ich bin auf alles gefaßt, was kommen kann, und hoffe, mein Muth wird grö- ßer sein, als mein Unglück." --
Garnison stand damals noch nicht in Mittenwalde; es hatte eine solche (Jäger) nur von 1780--1806. Die Stadt war über- haupt noch klein und zählte (1730) nur 952 Einwohner. In welchem Hause der Prinz bewacht wurde, habe ich nicht mehr er- mitteln können; das "Schloß" existirte längst nicht mehr; das Verhör fand muthmaßlich auf dem Rathhause statt.
Das war im September 1730. Fast siebenzig Jahre später, am Sylvesterabend 1799, tritt noch einmal eine historische Figur auf die bescheidene Mittenwalder Bühne, um ihr (sechs Jahre lang, wie Paul Gerhardt) in Leid und Freude anzugehören. Ein Kämpfer wie er, nicht mit mächtigeren, aber mit derberen Waffen. Es genügt, seinen Namen zu nennen -- Major von York, der spätere "alte York." Unterm 6. November hatte der König an den damals in Johannisburg stehenden Major von York geschrieben: "Mein lieber Major von York. Da die jetzt verfügte Versetzung des Major von Uttenhoven vom Regiment Fußjäger als Com- mandeur zum dritten Bataillon des Regiments von Zenge es nothwendig macht, dem Jägerregiment (in Mittenwalde) einen ganz capablen Commandeur zu geben und Ich Mich überzeuge, daß Ihr die zu diesem wichtigen Posten erforderlichen Eigenschaf- ten in Euch verbindet, so will ich Euch hierdurch zum Comman- deur des Jägerregiments ernennen etc."
Am Sylvesterabend 1799, an der Neige des Jahrhunderts, traf Major von York in Mittenwalde ein und überraschte seine Herren Offiziers auf dem Sylvesterball. Die erste Begegnung war gemüthlich genug, der dienstliche Ernst kam nach. Das Corps war
Räthen Mylius und Gerbett und behauptete während deſſen eine „kecke und beleidigende Zurückhaltung.“ Als Grumbkow ihm ſeine Verwunderung darüber bezeugte, antwortete er: „Ich bin auf alles gefaßt, was kommen kann, und hoffe, mein Muth wird grö- ßer ſein, als mein Unglück.“ —
Garniſon ſtand damals noch nicht in Mittenwalde; es hatte eine ſolche (Jäger) nur von 1780—1806. Die Stadt war über- haupt noch klein und zählte (1730) nur 952 Einwohner. In welchem Hauſe der Prinz bewacht wurde, habe ich nicht mehr er- mitteln können; das „Schloß“ exiſtirte längſt nicht mehr; das Verhör fand muthmaßlich auf dem Rathhauſe ſtatt.
Das war im September 1730. Faſt ſiebenzig Jahre ſpäter, am Sylveſterabend 1799, tritt noch einmal eine hiſtoriſche Figur auf die beſcheidene Mittenwalder Bühne, um ihr (ſechs Jahre lang, wie Paul Gerhardt) in Leid und Freude anzugehören. Ein Kämpfer wie er, nicht mit mächtigeren, aber mit derberen Waffen. Es genügt, ſeinen Namen zu nennen — Major von York, der ſpätere „alte York.“ Unterm 6. November hatte der König an den damals in Johannisburg ſtehenden Major von York geſchrieben: „Mein lieber Major von York. Da die jetzt verfügte Verſetzung des Major von Uttenhoven vom Regiment Fußjäger als Com- mandeur zum dritten Bataillon des Regiments von Zenge es nothwendig macht, dem Jägerregiment (in Mittenwalde) einen ganz capablen Commandeur zu geben und Ich Mich überzeuge, daß Ihr die zu dieſem wichtigen Poſten erforderlichen Eigenſchaf- ten in Euch verbindet, ſo will ich Euch hierdurch zum Comman- deur des Jägerregiments ernennen ꝛc.“
Am Sylveſterabend 1799, an der Neige des Jahrhunderts, traf Major von York in Mittenwalde ein und überraſchte ſeine Herren Offiziers auf dem Sylveſterball. Die erſte Begegnung war gemüthlich genug, der dienſtliche Ernſt kam nach. Das Corps war
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Räthen Mylius und Gerbett und behauptete während deſſen eine
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alles gefaßt, was kommen kann, und hoffe, mein Muth wird grö-
ßer ſein, als mein Unglück.“ —
Garniſon ſtand damals noch nicht in Mittenwalde; es hatte
eine ſolche (Jäger) nur von 1780—1806. Die Stadt war über-
haupt noch klein und zählte (1730) nur 952 Einwohner. In
welchem Hauſe der Prinz bewacht wurde, habe ich nicht mehr er-
mitteln können; das „Schloß“ exiſtirte längſt nicht mehr; das
Verhör fand muthmaßlich auf dem Rathhauſe ſtatt.
Das war im September 1730. Faſt ſiebenzig Jahre ſpäter,
am Sylveſterabend 1799, tritt noch einmal eine hiſtoriſche Figur
auf die beſcheidene Mittenwalder Bühne, um ihr (ſechs Jahre
lang, wie Paul Gerhardt) in Leid und Freude anzugehören. Ein
Kämpfer wie er, nicht mit mächtigeren, aber mit derberen Waffen.
Es genügt, ſeinen Namen zu nennen — Major von York, der
ſpätere „alte York.“ Unterm 6. November hatte der König an den
damals in Johannisburg ſtehenden Major von York geſchrieben:
„Mein lieber Major von York. Da die jetzt verfügte Verſetzung
des Major von Uttenhoven vom Regiment Fußjäger als Com-
mandeur zum dritten Bataillon des Regiments von Zenge es
nothwendig macht, dem Jägerregiment (in Mittenwalde) einen
ganz capablen Commandeur zu geben und Ich Mich überzeuge,
daß Ihr die zu dieſem wichtigen Poſten erforderlichen Eigenſchaf-
ten in Euch verbindet, ſo will ich Euch hierdurch zum Comman-
deur des Jägerregiments ernennen ꝛc.“
Am Sylveſterabend 1799, an der Neige des Jahrhunderts,
traf Major von York in Mittenwalde ein und überraſchte ſeine
Herren Offiziers auf dem Sylveſterball. Die erſte Begegnung war
gemüthlich genug, der dienſtliche Ernſt kam nach. Das Corps war
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/166>, abgerufen am 23.11.2024.
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