die Frage drängt sich auf: was ist der Stadt, in der er seine schönsten Lieder dichtete, aus der Zeit seines Lebens und Wirkens erhalten geblieben? sind noch Plätze da, die an ihn mahnen, und welche sind's?
Die Stadt bietet nichts. Das Probsteigebäude, das noch vor fünfzig Jahren bewohnt und noch vor zwanzig Jahren wenigstens eine Ruine war, ist seitdem abgebrochen und ein Schulhaus an seiner Stelle errichtet worden; der Garten aber, in dessen Gängen muthmaßlich das schönste und volksthümlichste aller unserer Lieder entstand, liegt, wüst geworden, ohne Zaun und Einfassung zwi- schen zwei Nachbargärten; eine Kalkgrube in der Mitte, etwas Gänsekraut an den Seiten, das ganze der designirte Turnplatz der Mittenwalder Schuljugend.
Die Stadt bietet keine Erinnerungen mehr an ihn, wohl aber die Kirche. Unmittelbar unter seinem Bildniß, dessen ich be- reits ausführlicher erwähnte, ist eine Steintafel in die Wand des Seitenschiffes eingelassen, die folgende Inschrift trägt: Maria Elisabeth -- Pauli Gerhardt's, damahligen Probstes allhier zu Mittenwalde und Anna Maria Bertholds erstgebohrnes, herzliebes Töchterlein, so zur Welt kommen d. 19. Mai Anno 1656 und wieder abgeschieden d. 14. Januar Anno 1657 -- hat allhier ihr Ruhebettlein und dieses Täfflein von ihren lieben Eltern. Ge- nesis 47. V. 9. "Wenig und böse ist die Zeit meines Lebens." Ein grüner Kranz faßt die Inschrift ein und Engelsköpfe schmü- cken die Ecken der Steintafel.
Neben Bildniß und Stein ist die Sakristeithür. In der Sa- kristei selbst finden wir das alte Kirchenbuch von Mittenwalde, ein großes, nach Art der Bilderbibeln in Leder gebundenes Buch, etwa dreihundert Jahre alt. Die Registrirungen in diesem Buch aus der Zeit von 1651 bis Reujahr 1657 rühren alle von Paul Gerhardt selber her. Seine Handschrift ist fest, dabei voll Schwung und Schönheit. Die Aufzeichnungen von seiner Hand schließen mit dem 28. December 1656.
Bild und Stein und Buch, sie mahnen an sein Wandeln
die Frage drängt ſich auf: was iſt der Stadt, in der er ſeine ſchönſten Lieder dichtete, aus der Zeit ſeines Lebens und Wirkens erhalten geblieben? ſind noch Plätze da, die an ihn mahnen, und welche ſind’s?
Die Stadt bietet nichts. Das Probſteigebäude, das noch vor fünfzig Jahren bewohnt und noch vor zwanzig Jahren wenigſtens eine Ruine war, iſt ſeitdem abgebrochen und ein Schulhaus an ſeiner Stelle errichtet worden; der Garten aber, in deſſen Gängen muthmaßlich das ſchönſte und volksthümlichſte aller unſerer Lieder entſtand, liegt, wüſt geworden, ohne Zaun und Einfaſſung zwi- ſchen zwei Nachbargärten; eine Kalkgrube in der Mitte, etwas Gänſekraut an den Seiten, das ganze der deſignirte Turnplatz der Mittenwalder Schuljugend.
Die Stadt bietet keine Erinnerungen mehr an ihn, wohl aber die Kirche. Unmittelbar unter ſeinem Bildniß, deſſen ich be- reits ausführlicher erwähnte, iſt eine Steintafel in die Wand des Seitenſchiffes eingelaſſen, die folgende Inſchrift trägt: Maria Eliſabeth — Pauli Gerhardt’s, damahligen Probſtes allhier zu Mittenwalde und Anna Maria Bertholds erſtgebohrnes, herzliebes Töchterlein, ſo zur Welt kommen d. 19. Mai Anno 1656 und wieder abgeſchieden d. 14. Januar Anno 1657 — hat allhier ihr Ruhebettlein und dieſes Täfflein von ihren lieben Eltern. Ge- neſis 47. V. 9. „Wenig und böſe iſt die Zeit meines Lebens.“ Ein grüner Kranz faßt die Inſchrift ein und Engelsköpfe ſchmü- cken die Ecken der Steintafel.
Neben Bildniß und Stein iſt die Sakriſteithür. In der Sa- kriſtei ſelbſt finden wir das alte Kirchenbuch von Mittenwalde, ein großes, nach Art der Bilderbibeln in Leder gebundenes Buch, etwa dreihundert Jahre alt. Die Regiſtrirungen in dieſem Buch aus der Zeit von 1651 bis Reujahr 1657 rühren alle von Paul Gerhardt ſelber her. Seine Handſchrift iſt feſt, dabei voll Schwung und Schönheit. Die Aufzeichnungen von ſeiner Hand ſchließen mit dem 28. December 1656.
Bild und Stein und Buch, ſie mahnen an ſein Wandeln
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die Frage drängt ſich auf: was iſt der Stadt, in der er ſeine
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erhalten geblieben? ſind noch Plätze da, die an ihn mahnen, und
welche ſind’s?
Die Stadt bietet nichts. Das Probſteigebäude, das noch vor
fünfzig Jahren bewohnt und noch vor zwanzig Jahren wenigſtens
eine Ruine war, iſt ſeitdem abgebrochen und ein Schulhaus an
ſeiner Stelle errichtet worden; der Garten aber, in deſſen Gängen
muthmaßlich das ſchönſte und volksthümlichſte aller unſerer Lieder
entſtand, liegt, wüſt geworden, ohne Zaun und Einfaſſung zwi-
ſchen zwei Nachbargärten; eine Kalkgrube in der Mitte, etwas
Gänſekraut an den Seiten, das ganze der deſignirte Turnplatz der
Mittenwalder Schuljugend.
Die Stadt bietet keine Erinnerungen mehr an ihn, wohl
aber die Kirche. Unmittelbar unter ſeinem Bildniß, deſſen ich be-
reits ausführlicher erwähnte, iſt eine Steintafel in die Wand des
Seitenſchiffes eingelaſſen, die folgende Inſchrift trägt: Maria
Eliſabeth — Pauli Gerhardt’s, damahligen Probſtes allhier zu
Mittenwalde und Anna Maria Bertholds erſtgebohrnes, herzliebes
Töchterlein, ſo zur Welt kommen d. 19. Mai Anno 1656 und
wieder abgeſchieden d. 14. Januar Anno 1657 — hat allhier
ihr Ruhebettlein und dieſes Täfflein von ihren lieben Eltern. Ge-
neſis 47. V. 9. „Wenig und böſe iſt die Zeit meines Lebens.“
Ein grüner Kranz faßt die Inſchrift ein und Engelsköpfe ſchmü-
cken die Ecken der Steintafel.
Neben Bildniß und Stein iſt die Sakriſteithür. In der Sa-
kriſtei ſelbſt finden wir das alte Kirchenbuch von Mittenwalde, ein
großes, nach Art der Bilderbibeln in Leder gebundenes Buch,
etwa dreihundert Jahre alt. Die Regiſtrirungen in dieſem Buch
aus der Zeit von 1651 bis Reujahr 1657 rühren alle von Paul
Gerhardt ſelber her. Seine Handſchrift iſt feſt, dabei voll Schwung
und Schönheit. Die Aufzeichnungen von ſeiner Hand ſchließen mit
dem 28. December 1656.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/164>, abgerufen am 23.11.2024.
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