lichen Theil der häuslichen Einrichtung desselben bilden. Bei dieser häuslichen oder wirthschaftlichen Einrichtung des Floßes hab' ich noch einen Augenblick zu verweilen.
Die Gesammt-Oekonomie eines solchen Floßes besteht aus zwei gleich wichtigen Theilen, aus einem Kochplatz und einem Auf- bewahrungsplatz, oder aus Küche und Kammer. Beide sind von gleich einfacher Construction. Der Kochplatz, der Herd, besteht aus dem einen oder andern jener eben erwähnten Erdhügel, d. h. aus ein paar Dutzend Rasenstücken, die Morgens am Ufer frisch abge- stochen und wie Mauersteine neben und aufeinander gelegt werden. An jedem Morgen entsteht ein neuer Herd. Den alten Herdstellen aber gönnt man ihren alten Platz, und benutzt sie entweder als Inseln, wenn die Wellen kommen, oder nimmt sie auch wohl, nach einigen Tagen, als Herdstelle wieder auf. Auf diesem improvisirten Herde wird nun gekocht, was sich malerisch genug ausnimmt, be- sonders um die Abendstunde, wenn die Feuer wie Irrlichter auf dem Wasser zu tanzen scheinen. Ebenso wichtig wie der Kochplatz ist der Aufbewahrungsplatz. Seine Construction ist von noch grö- ßerer Einfachheit und besteht aus einem halbausgebreiteten Bündel Heu. Auf dieser Heuschicht liegen die Röcke, Jacken, Stiefel der Floßleute, und ausgerüstet mit diesen primitivsten Formen einer Küche und Kammer, machen die Flößer ihre oft wochenlange Reise.
Nach dieser Beschreibung wird es jedem klar sein, was eine solche Dampfschiffs-Neckerei für die Floßleute zu bedeuten hat. Jede aus den Lücken des Floßes hervorbrodelnde Welle spült nicht blos über die Füße der Betroffenen hin, sondern schädigt sie auch wirklich an ihrem Hab und Gut, als handele es sich um eine Ueberschwemmung im Kleinen. Hier fährt das Wasser zischend in das Herdfeuer und löscht es aus; dort hebt es das Heubündel, mit sammt seinen Garderobestücken, von unten her in die Höhe und tränkt es entweder mit Wasser oder schwemmt es gar hinweg. Das weckt dann freilich Stimmungen, die der Vorstellung von einer wachsenden "Fraternität" des Menschengeschlechts völlig Hohn
lichen Theil der häuslichen Einrichtung deſſelben bilden. Bei dieſer häuslichen oder wirthſchaftlichen Einrichtung des Floßes hab’ ich noch einen Augenblick zu verweilen.
Die Geſammt-Oekonomie eines ſolchen Floßes beſteht aus zwei gleich wichtigen Theilen, aus einem Kochplatz und einem Auf- bewahrungsplatz, oder aus Küche und Kammer. Beide ſind von gleich einfacher Conſtruction. Der Kochplatz, der Herd, beſteht aus dem einen oder andern jener eben erwähnten Erdhügel, d. h. aus ein paar Dutzend Raſenſtücken, die Morgens am Ufer friſch abge- ſtochen und wie Mauerſteine neben und aufeinander gelegt werden. An jedem Morgen entſteht ein neuer Herd. Den alten Herdſtellen aber gönnt man ihren alten Platz, und benutzt ſie entweder als Inſeln, wenn die Wellen kommen, oder nimmt ſie auch wohl, nach einigen Tagen, als Herdſtelle wieder auf. Auf dieſem improviſirten Herde wird nun gekocht, was ſich maleriſch genug ausnimmt, be- ſonders um die Abendſtunde, wenn die Feuer wie Irrlichter auf dem Waſſer zu tanzen ſcheinen. Ebenſo wichtig wie der Kochplatz iſt der Aufbewahrungsplatz. Seine Conſtruction iſt von noch grö- ßerer Einfachheit und beſteht aus einem halbausgebreiteten Bündel Heu. Auf dieſer Heuſchicht liegen die Röcke, Jacken, Stiefel der Floßleute, und ausgerüſtet mit dieſen primitivſten Formen einer Küche und Kammer, machen die Flößer ihre oft wochenlange Reiſe.
Nach dieſer Beſchreibung wird es jedem klar ſein, was eine ſolche Dampfſchiffs-Neckerei für die Floßleute zu bedeuten hat. Jede aus den Lücken des Floßes hervorbrodelnde Welle ſpült nicht blos über die Füße der Betroffenen hin, ſondern ſchädigt ſie auch wirklich an ihrem Hab und Gut, als handele es ſich um eine Ueberſchwemmung im Kleinen. Hier fährt das Waſſer ziſchend in das Herdfeuer und löſcht es aus; dort hebt es das Heubündel, mit ſammt ſeinen Garderobeſtücken, von unten her in die Höhe und tränkt es entweder mit Waſſer oder ſchwemmt es gar hinweg. Das weckt dann freilich Stimmungen, die der Vorſtellung von einer wachſenden „Fraternität“ des Menſchengeſchlechts völlig Hohn
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lichen Theil der häuslichen Einrichtung deſſelben bilden. Bei dieſer
häuslichen oder wirthſchaftlichen Einrichtung des Floßes hab’ ich
noch einen Augenblick zu verweilen.
Die Geſammt-Oekonomie eines ſolchen Floßes beſteht aus
zwei gleich wichtigen Theilen, aus einem Kochplatz und einem Auf-
bewahrungsplatz, oder aus Küche und Kammer. Beide ſind von
gleich einfacher Conſtruction. Der Kochplatz, der Herd, beſteht aus
dem einen oder andern jener eben erwähnten Erdhügel, d. h. aus
ein paar Dutzend Raſenſtücken, die Morgens am Ufer friſch abge-
ſtochen und wie Mauerſteine neben und aufeinander gelegt werden.
An jedem Morgen entſteht ein neuer Herd. Den alten Herdſtellen
aber gönnt man ihren alten Platz, und benutzt ſie entweder als
Inſeln, wenn die Wellen kommen, oder nimmt ſie auch wohl, nach
einigen Tagen, als Herdſtelle wieder auf. Auf dieſem improviſirten
Herde wird nun gekocht, was ſich maleriſch genug ausnimmt, be-
ſonders um die Abendſtunde, wenn die Feuer wie Irrlichter auf
dem Waſſer zu tanzen ſcheinen. Ebenſo wichtig wie der Kochplatz
iſt der Aufbewahrungsplatz. Seine Conſtruction iſt von noch grö-
ßerer Einfachheit und beſteht aus einem halbausgebreiteten Bündel
Heu. Auf dieſer Heuſchicht liegen die Röcke, Jacken, Stiefel der
Floßleute, und ausgerüſtet mit dieſen primitivſten Formen einer
Küche und Kammer, machen die Flößer ihre oft wochenlange Reiſe.
Nach dieſer Beſchreibung wird es jedem klar ſein, was eine
ſolche Dampfſchiffs-Neckerei für die Floßleute zu bedeuten hat.
Jede aus den Lücken des Floßes hervorbrodelnde Welle ſpült nicht
blos über die Füße der Betroffenen hin, ſondern ſchädigt ſie auch
wirklich an ihrem Hab und Gut, als handele es ſich um eine
Ueberſchwemmung im Kleinen. Hier fährt das Waſſer ziſchend in
das Herdfeuer und löſcht es aus; dort hebt es das Heubündel,
mit ſammt ſeinen Garderobeſtücken, von unten her in die Höhe
und tränkt es entweder mit Waſſer oder ſchwemmt es gar hinweg.
Das weckt dann freilich Stimmungen, die der Vorſtellung von
einer wachſenden „Fraternität“ des Menſchengeſchlechts völlig Hohn
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/16>, abgerufen am 25.11.2024.
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