stuhl in den Garten hinein und wieder zurückgerollt wurde. Be- kanntlich war Treppensteigen nicht seine Sache.
Wir treten jetzt, den Blick noch einmal auf die öden Räume gerichtet, ebenfalls in's Freie hinaus und athmen auf im Son- nenlicht und in dem Wiesenduft, den eine Luftwelle eben zu uns her trägt. Eine mächtige alte Linde, hart zu Füßen der Rampe, ladet uns ein, unter ihrem Zweigwerk Platz zu nehmen. Wir thun's und befinden uns muthmaßlich unter demselben Blätterdach, "unter dem (um noch einmal Prinzessin Wilhelmine zu citiren) die Damen, wenn's regnete, bis an die Wade im Wasser saßen". Die Parkwiese liegt vor uns, Hummeln und Käfer summen dar- über hin, das Mühlenfließ, uns zur Rechten, fällt leise über das Wehr. Träume nehmen den Geist gefangen und führen ihn weit fort in südliche Länder, zu Tempeltrümmern und Götterbildern. Aber ein Satyr lauscht plötzlich hervor; -- es ist derselbe, der der tanzenden Bachantin da drinnen im Nacken sitzt, und die Bil- der von Schloß Wusterhausen schieben sich plötzlich wieder vor die Bilder klassischer Schönheit. Hatte die Memoirenschreiberin doch Recht? Ja und nein; ein prächtiger Platz für einen Waidmann und eine starke Natur, aber allerdings ein schlimmer Platz für ästhetischen Sinn und einen weiblichen esprit fort.
ſtuhl in den Garten hinein und wieder zurückgerollt wurde. Be- kanntlich war Treppenſteigen nicht ſeine Sache.
Wir treten jetzt, den Blick noch einmal auf die öden Räume gerichtet, ebenfalls in’s Freie hinaus und athmen auf im Son- nenlicht und in dem Wieſenduft, den eine Luftwelle eben zu uns her trägt. Eine mächtige alte Linde, hart zu Füßen der Rampe, ladet uns ein, unter ihrem Zweigwerk Platz zu nehmen. Wir thun’s und befinden uns muthmaßlich unter demſelben Blätterdach, „unter dem (um noch einmal Prinzeſſin Wilhelmine zu citiren) die Damen, wenn’s regnete, bis an die Wade im Waſſer ſaßen“. Die Parkwieſe liegt vor uns, Hummeln und Käfer ſummen dar- über hin, das Mühlenfließ, uns zur Rechten, fällt leiſe über das Wehr. Träume nehmen den Geiſt gefangen und führen ihn weit fort in ſüdliche Länder, zu Tempeltrümmern und Götterbildern. Aber ein Satyr lauſcht plötzlich hervor; — es iſt derſelbe, der der tanzenden Bachantin da drinnen im Nacken ſitzt, und die Bil- der von Schloß Wuſterhauſen ſchieben ſich plötzlich wieder vor die Bilder klaſſiſcher Schönheit. Hatte die Memoirenſchreiberin doch Recht? Ja und nein; ein prächtiger Platz für einen Waidmann und eine ſtarke Natur, aber allerdings ein ſchlimmer Platz für äſthetiſchen Sinn und einen weiblichen esprit fort.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0142"n="130"/>ſtuhl in den Garten hinein und wieder zurückgerollt wurde. Be-<lb/>
kanntlich war Treppenſteigen nicht ſeine Sache.</p><lb/><p>Wir treten jetzt, den Blick noch einmal auf die öden Räume<lb/>
gerichtet, ebenfalls in’s Freie hinaus und athmen auf im Son-<lb/>
nenlicht und in dem Wieſenduft, den eine Luftwelle eben zu uns<lb/>
her trägt. Eine mächtige alte Linde, hart zu Füßen der Rampe,<lb/>
ladet uns ein, unter ihrem Zweigwerk Platz zu nehmen. Wir<lb/>
thun’s und befinden uns muthmaßlich unter demſelben Blätterdach,<lb/>„unter dem (um noch einmal Prinzeſſin Wilhelmine zu citiren)<lb/>
die Damen, wenn’s regnete, bis an die Wade im Waſſer ſaßen“.<lb/>
Die Parkwieſe liegt vor uns, Hummeln und Käfer ſummen dar-<lb/>
über hin, das Mühlenfließ, uns zur Rechten, fällt leiſe über das<lb/>
Wehr. Träume nehmen den Geiſt gefangen und führen ihn weit<lb/>
fort in ſüdliche Länder, zu Tempeltrümmern und Götterbildern.<lb/>
Aber ein Satyr lauſcht plötzlich hervor; — es iſt derſelbe, der<lb/>
der tanzenden Bachantin da drinnen im Nacken ſitzt, und die Bil-<lb/>
der von Schloß Wuſterhauſen ſchieben ſich plötzlich wieder vor die<lb/>
Bilder klaſſiſcher Schönheit. Hatte die Memoirenſchreiberin <hirendition="#g">doch</hi><lb/>
Recht? Ja und nein; ein prächtiger Platz für einen Waidmann<lb/>
und eine ſtarke Natur, aber allerdings ein ſchlimmer Platz für<lb/>
äſthetiſchen Sinn und einen weiblichen <hirendition="#aq">esprit fort.</hi></p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></body></text></TEI>
[130/0142]
ſtuhl in den Garten hinein und wieder zurückgerollt wurde. Be-
kanntlich war Treppenſteigen nicht ſeine Sache.
Wir treten jetzt, den Blick noch einmal auf die öden Räume
gerichtet, ebenfalls in’s Freie hinaus und athmen auf im Son-
nenlicht und in dem Wieſenduft, den eine Luftwelle eben zu uns
her trägt. Eine mächtige alte Linde, hart zu Füßen der Rampe,
ladet uns ein, unter ihrem Zweigwerk Platz zu nehmen. Wir
thun’s und befinden uns muthmaßlich unter demſelben Blätterdach,
„unter dem (um noch einmal Prinzeſſin Wilhelmine zu citiren)
die Damen, wenn’s regnete, bis an die Wade im Waſſer ſaßen“.
Die Parkwieſe liegt vor uns, Hummeln und Käfer ſummen dar-
über hin, das Mühlenfließ, uns zur Rechten, fällt leiſe über das
Wehr. Träume nehmen den Geiſt gefangen und führen ihn weit
fort in ſüdliche Länder, zu Tempeltrümmern und Götterbildern.
Aber ein Satyr lauſcht plötzlich hervor; — es iſt derſelbe, der
der tanzenden Bachantin da drinnen im Nacken ſitzt, und die Bil-
der von Schloß Wuſterhauſen ſchieben ſich plötzlich wieder vor die
Bilder klaſſiſcher Schönheit. Hatte die Memoirenſchreiberin doch
Recht? Ja und nein; ein prächtiger Platz für einen Waidmann
und eine ſtarke Natur, aber allerdings ein ſchlimmer Platz für
äſthetiſchen Sinn und einen weiblichen esprit fort.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/142>, abgerufen am 28.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.