thäte, es wäre aber besser, daß er stürbe, als daß die Justiz aus der Weldt kähme."
Diese Cabinetsordre trägt als Ort und Datum: Wuster- hausen, d. 1. November 1730.
Hier in Wusterhausen spielten später die Intriguen zwischen Schwester und Schwester, (Prinzessin Wilhelmine und Prinzessin Charlotte) und Tochter und Mutter (Prinzessin Wilhelmine und Königin); hier schwankte noch zuletzt die Wage, ob der Erbprinz von Baireuth oder der Prinz von Wales, wie so sehr gewünscht wurde, die Braut heimführen würde; hier endlich, nachdem die Ungewitter sich verzogen und ruhigeren Tagen Platz gemacht hat- ten, theilte der früh alternde König, wenn Gicht und Podagra das Jagen verboten, seine Zeit zwischen Rauchen und Malen, zwischen Pfeife und Pinsel. Es war dann in Wusterhausen wie in Schloß Cossenblatt (seinem eigentlichen Atelier), nur mit dem Unterschied, daß Cossenblatt der auserwählte Ort für Podagra und Malerei gewesen zu sein scheint, während in Potsdam und Wusterhausen nur gemalt wurde, wenn die Gicht wie von unge- fähr d. h. ohne Anmeldung und unerwartet erschien. Dies ist auch der Grund, weshalb sich in Potsdam und Wusterhausen viel we- niger Bilder von der Hand des Königs vorfinden, als in Schloß Cossenblatt. Man könnte vielleicht sagen, daß seine Malerei in Cossenblatt chronisch, in Potsdam und Wusterhausen blos acut gewesen sei. Schon hier übrigens sei bemerkt, daß sich im Wusterhausener Schlosse zur Zeit keine Bilder des Königs mehr vorfinden (seit Sommer 1863 geändert. Vgl. S. 114), doch hän- gen einige auf dem Oberflur des nachbarlichen Posthauses, -- Er- innerungsstücke an die Kunst und die Gicht des königlichen Malers.
Bei diesem Geplauder war es spät geworden. Die Stille in den Straßen mahnte zur Ruh. Ein schwaches Wetterleuchten zuckte dann und wann am Himmel und versprach einen schönen Tag; so schlief ich ein.
Der andere Morgen war Pfingstsonntag. Ich brach früh auf, um das "verzauberte Schloß" in hellem Tageslicht zu sehen. Ich
thäte, es wäre aber beſſer, daß er ſtürbe, als daß die Juſtiz aus der Weldt kähme.“
Dieſe Cabinetsordre trägt als Ort und Datum: Wuſter- hauſen, d. 1. November 1730.
Hier in Wuſterhauſen ſpielten ſpäter die Intriguen zwiſchen Schweſter und Schweſter, (Prinzeſſin Wilhelmine und Prinzeſſin Charlotte) und Tochter und Mutter (Prinzeſſin Wilhelmine und Königin); hier ſchwankte noch zuletzt die Wage, ob der Erbprinz von Baireuth oder der Prinz von Wales, wie ſo ſehr gewünſcht wurde, die Braut heimführen würde; hier endlich, nachdem die Ungewitter ſich verzogen und ruhigeren Tagen Platz gemacht hat- ten, theilte der früh alternde König, wenn Gicht und Podagra das Jagen verboten, ſeine Zeit zwiſchen Rauchen und Malen, zwiſchen Pfeife und Pinſel. Es war dann in Wuſterhauſen wie in Schloß Coſſenblatt (ſeinem eigentlichen Atelier), nur mit dem Unterſchied, daß Coſſenblatt der auserwählte Ort für Podagra und Malerei geweſen zu ſein ſcheint, während in Potsdam und Wuſterhauſen nur gemalt wurde, wenn die Gicht wie von unge- fähr d. h. ohne Anmeldung und unerwartet erſchien. Dies iſt auch der Grund, weshalb ſich in Potsdam und Wuſterhauſen viel we- niger Bilder von der Hand des Königs vorfinden, als in Schloß Coſſenblatt. Man könnte vielleicht ſagen, daß ſeine Malerei in Coſſenblatt chroniſch, in Potsdam und Wuſterhauſen blos acut geweſen ſei. Schon hier übrigens ſei bemerkt, daß ſich im Wuſterhauſener Schloſſe zur Zeit keine Bilder des Königs mehr vorfinden (ſeit Sommer 1863 geändert. Vgl. S. 114), doch hän- gen einige auf dem Oberflur des nachbarlichen Poſthauſes, — Er- innerungsſtücke an die Kunſt und die Gicht des königlichen Malers.
Bei dieſem Geplauder war es ſpät geworden. Die Stille in den Straßen mahnte zur Ruh. Ein ſchwaches Wetterleuchten zuckte dann und wann am Himmel und verſprach einen ſchönen Tag; ſo ſchlief ich ein.
Der andere Morgen war Pfingſtſonntag. Ich brach früh auf, um das „verzauberte Schloß“ in hellem Tageslicht zu ſehen. Ich
<TEI><text><body><divn="1"><p><hirendition="#et"><pbfacs="#f0137"n="125"/>
thäte, es wäre aber beſſer, daß er ſtürbe, als daß die Juſtiz<lb/>
aus der Weldt kähme.“</hi></p><lb/><p>Dieſe Cabinetsordre trägt als Ort und Datum: <hirendition="#g">Wuſter-<lb/>
hauſen</hi>, d. 1. November 1730.</p><lb/><p>Hier in Wuſterhauſen ſpielten ſpäter die Intriguen zwiſchen<lb/>
Schweſter und Schweſter, (Prinzeſſin Wilhelmine und Prinzeſſin<lb/>
Charlotte) und Tochter und Mutter (Prinzeſſin Wilhelmine und<lb/>
Königin); hier ſchwankte noch zuletzt die Wage, ob der Erbprinz<lb/>
von Baireuth oder der Prinz von Wales, wie ſo ſehr gewünſcht<lb/>
wurde, die Braut heimführen würde; hier endlich, nachdem die<lb/>
Ungewitter ſich verzogen und ruhigeren Tagen Platz gemacht hat-<lb/>
ten, theilte der früh alternde König, wenn Gicht und Podagra<lb/>
das Jagen verboten, ſeine Zeit zwiſchen Rauchen und Malen,<lb/>
zwiſchen Pfeife und Pinſel. Es war dann in Wuſterhauſen wie in<lb/>
Schloß <hirendition="#g">Coſſenblatt</hi> (ſeinem eigentlichen Atelier), nur mit dem<lb/>
Unterſchied, daß Coſſenblatt der <hirendition="#g">auserwählte</hi> Ort für Podagra<lb/>
und Malerei geweſen zu ſein ſcheint, während in Potsdam und<lb/>
Wuſterhauſen nur gemalt wurde, wenn die Gicht wie von unge-<lb/>
fähr d. h. ohne Anmeldung und unerwartet erſchien. Dies iſt auch<lb/>
der Grund, weshalb ſich in Potsdam und Wuſterhauſen viel we-<lb/>
niger Bilder von der Hand des Königs vorfinden, als in Schloß<lb/>
Coſſenblatt. Man könnte vielleicht ſagen, daß ſeine Malerei in<lb/>
Coſſenblatt chroniſch, in Potsdam und Wuſterhauſen blos<lb/>
acut geweſen ſei. Schon hier übrigens ſei bemerkt, daß ſich im<lb/>
Wuſterhauſener <hirendition="#g">Schloſſe</hi> zur Zeit keine Bilder des Königs mehr<lb/>
vorfinden (ſeit Sommer 1863 geändert. Vgl. S. 114), doch hän-<lb/>
gen einige auf dem Oberflur des nachbarlichen Poſthauſes, — Er-<lb/>
innerungsſtücke an die Kunſt und die Gicht des königlichen Malers.</p><lb/><p>Bei dieſem Geplauder war es ſpät geworden. Die Stille in<lb/>
den Straßen mahnte zur Ruh. Ein ſchwaches Wetterleuchten zuckte<lb/>
dann und wann am Himmel und verſprach einen ſchönen Tag;<lb/>ſo ſchlief ich ein.</p><lb/><p>Der andere Morgen war Pfingſtſonntag. Ich brach früh auf,<lb/>
um das „verzauberte Schloß“ in hellem Tageslicht zu ſehen. Ich<lb/></p></div></body></text></TEI>
[125/0137]
thäte, es wäre aber beſſer, daß er ſtürbe, als daß die Juſtiz
aus der Weldt kähme.“
Dieſe Cabinetsordre trägt als Ort und Datum: Wuſter-
hauſen, d. 1. November 1730.
Hier in Wuſterhauſen ſpielten ſpäter die Intriguen zwiſchen
Schweſter und Schweſter, (Prinzeſſin Wilhelmine und Prinzeſſin
Charlotte) und Tochter und Mutter (Prinzeſſin Wilhelmine und
Königin); hier ſchwankte noch zuletzt die Wage, ob der Erbprinz
von Baireuth oder der Prinz von Wales, wie ſo ſehr gewünſcht
wurde, die Braut heimführen würde; hier endlich, nachdem die
Ungewitter ſich verzogen und ruhigeren Tagen Platz gemacht hat-
ten, theilte der früh alternde König, wenn Gicht und Podagra
das Jagen verboten, ſeine Zeit zwiſchen Rauchen und Malen,
zwiſchen Pfeife und Pinſel. Es war dann in Wuſterhauſen wie in
Schloß Coſſenblatt (ſeinem eigentlichen Atelier), nur mit dem
Unterſchied, daß Coſſenblatt der auserwählte Ort für Podagra
und Malerei geweſen zu ſein ſcheint, während in Potsdam und
Wuſterhauſen nur gemalt wurde, wenn die Gicht wie von unge-
fähr d. h. ohne Anmeldung und unerwartet erſchien. Dies iſt auch
der Grund, weshalb ſich in Potsdam und Wuſterhauſen viel we-
niger Bilder von der Hand des Königs vorfinden, als in Schloß
Coſſenblatt. Man könnte vielleicht ſagen, daß ſeine Malerei in
Coſſenblatt chroniſch, in Potsdam und Wuſterhauſen blos
acut geweſen ſei. Schon hier übrigens ſei bemerkt, daß ſich im
Wuſterhauſener Schloſſe zur Zeit keine Bilder des Königs mehr
vorfinden (ſeit Sommer 1863 geändert. Vgl. S. 114), doch hän-
gen einige auf dem Oberflur des nachbarlichen Poſthauſes, — Er-
innerungsſtücke an die Kunſt und die Gicht des königlichen Malers.
Bei dieſem Geplauder war es ſpät geworden. Die Stille in
den Straßen mahnte zur Ruh. Ein ſchwaches Wetterleuchten zuckte
dann und wann am Himmel und verſprach einen ſchönen Tag;
ſo ſchlief ich ein.
Der andere Morgen war Pfingſtſonntag. Ich brach früh auf,
um das „verzauberte Schloß“ in hellem Tageslicht zu ſehen. Ich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/137>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.