in der sonst Panele laufen, mit kleinen holländischen Kacheln be- kleidet, glasirte Täfelchen mit kleinen blauen Figuren darauf. Dieß war ersichtlich das Staats- und Empfangzimmer während der "Tage in Cossenblatt;" denn über dem Kamin hängt ein Por- trät Ludwig XIV. im weit nachschleppenden Hermelin. Die Far- ben des Bildes sind halb abgefallen und doch ist der haften ge- bliebene Rest das Einzige, was in dem ganzen weiten Schloß an Kunst erinnert, an Genius mahnt.
In demselben Zimmer befindet sich noch ein Dutzend anderer Porträts, aber es sind die in tormentis gemalten Bilder des Königs selbst. Das Mildeste, vielleicht auch das Zutreffendste, was man von ihnen sagen kann, ist: sie verleugnen die Stunde ihres Ursprungs nicht. Freilich haben auch sie ihre Verehrer gefunden, und wenn man so will, mit Recht. Einige unbedingte Friedrich- Wilhelms-Bewunderer haben die ganze Frage auf das Gebiet des Charakters, der Kraft, der Energie gespielt und von ihrem Stand- punkt aus mit Recht gesprochen: "So malte ein Mann, der nicht malen konnte; so malte er unter Schmerzen, und -- jeden Tag ein Bild."
Vor diesem Raisonnement verneigt sich die Kritik. Alle diese Bilder des Königs rühren aus den Jahren 1736, 1737 und 1738 her. Es sind sämmtlich Porträts (Bruststücke), und zwar 41 an der Zahl, von denen sich 32 in den Zimmern, 9 aber im Corridor, alle in Rahmen von gebeiztem Eichenholz, befinden. So häßlich die Bilder sind und so unfähig, ein künstlerisches Wohl- gefallen zu wecken, so wecken sie doch immerhin ein gewisses künst- lerisches Interesse. Der Hang zum Charakteristischen ist unver- kennbar. In dem einen Zimmer hängen z. B. zwei Judenköpfe neben einander. Man sieht deutlich, daß dem König der erste Kopf nicht jüdisch genug erschienen war, und daß er sich zum zweiten mal an die Arbeit machte, um das Charakteristische entschiedener herauszuarbeiten. Einmal ist ihm sogar (cum grano salis) ein hübscher Kopf geglückt: die Frau seines ersten Kammerdieners.
Außer den Bildern des Königs bewahrt Schloß Cossenblatt
in der ſonſt Panele laufen, mit kleinen holländiſchen Kacheln be- kleidet, glaſirte Täfelchen mit kleinen blauen Figuren darauf. Dieß war erſichtlich das Staats- und Empfangzimmer während der „Tage in Coſſenblatt;“ denn über dem Kamin hängt ein Por- trät Ludwig XIV. im weit nachſchleppenden Hermelin. Die Far- ben des Bildes ſind halb abgefallen und doch iſt der haften ge- bliebene Reſt das Einzige, was in dem ganzen weiten Schloß an Kunſt erinnert, an Genius mahnt.
In demſelben Zimmer befindet ſich noch ein Dutzend anderer Porträts, aber es ſind die in tormentis gemalten Bilder des Königs ſelbſt. Das Mildeſte, vielleicht auch das Zutreffendſte, was man von ihnen ſagen kann, iſt: ſie verleugnen die Stunde ihres Urſprungs nicht. Freilich haben auch ſie ihre Verehrer gefunden, und wenn man ſo will, mit Recht. Einige unbedingte Friedrich- Wilhelms-Bewunderer haben die ganze Frage auf das Gebiet des Charakters, der Kraft, der Energie geſpielt und von ihrem Stand- punkt aus mit Recht geſprochen: „So malte ein Mann, der nicht malen konnte; ſo malte er unter Schmerzen, und — jeden Tag ein Bild.“
Vor dieſem Raiſonnement verneigt ſich die Kritik. Alle dieſe Bilder des Königs rühren aus den Jahren 1736, 1737 und 1738 her. Es ſind ſämmtlich Porträts (Bruſtſtücke), und zwar 41 an der Zahl, von denen ſich 32 in den Zimmern, 9 aber im Corridor, alle in Rahmen von gebeiztem Eichenholz, befinden. So häßlich die Bilder ſind und ſo unfähig, ein künſtleriſches Wohl- gefallen zu wecken, ſo wecken ſie doch immerhin ein gewiſſes künſt- leriſches Intereſſe. Der Hang zum Charakteriſtiſchen iſt unver- kennbar. In dem einen Zimmer hängen z. B. zwei Judenköpfe neben einander. Man ſieht deutlich, daß dem König der erſte Kopf nicht jüdiſch genug erſchienen war, und daß er ſich zum zweiten mal an die Arbeit machte, um das Charakteriſtiſche entſchiedener herauszuarbeiten. Einmal iſt ihm ſogar (cum grano salis) ein hübſcher Kopf geglückt: die Frau ſeines erſten Kammerdieners.
Außer den Bildern des Königs bewahrt Schloß Coſſenblatt
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in der ſonſt Panele laufen, mit kleinen holländiſchen Kacheln be-
kleidet, glaſirte Täfelchen mit kleinen blauen Figuren darauf. Dieß
war erſichtlich das Staats- und Empfangzimmer während der
„Tage in Coſſenblatt;“ denn über dem Kamin hängt ein Por-
trät Ludwig XIV. im weit nachſchleppenden Hermelin. Die Far-
ben des Bildes ſind halb abgefallen und doch iſt der haften ge-
bliebene Reſt das Einzige, was in dem ganzen weiten Schloß an
Kunſt erinnert, an Genius mahnt.
In demſelben Zimmer befindet ſich noch ein Dutzend anderer
Porträts, aber es ſind die in tormentis gemalten Bilder des
Königs ſelbſt. Das Mildeſte, vielleicht auch das Zutreffendſte, was
man von ihnen ſagen kann, iſt: ſie verleugnen die Stunde ihres
Urſprungs nicht. Freilich haben auch ſie ihre Verehrer gefunden,
und wenn man ſo will, mit Recht. Einige unbedingte Friedrich-
Wilhelms-Bewunderer haben die ganze Frage auf das Gebiet des
Charakters, der Kraft, der Energie geſpielt und von ihrem Stand-
punkt aus mit Recht geſprochen: „So malte ein Mann, der nicht
malen konnte; ſo malte er unter Schmerzen, und — jeden
Tag ein Bild.“
Vor dieſem Raiſonnement verneigt ſich die Kritik. Alle dieſe
Bilder des Königs rühren aus den Jahren 1736, 1737 und
1738 her. Es ſind ſämmtlich Porträts (Bruſtſtücke), und zwar
41 an der Zahl, von denen ſich 32 in den Zimmern, 9 aber im
Corridor, alle in Rahmen von gebeiztem Eichenholz, befinden. So
häßlich die Bilder ſind und ſo unfähig, ein künſtleriſches Wohl-
gefallen zu wecken, ſo wecken ſie doch immerhin ein gewiſſes künſt-
leriſches Intereſſe. Der Hang zum Charakteriſtiſchen iſt unver-
kennbar. In dem einen Zimmer hängen z. B. zwei Judenköpfe
neben einander. Man ſieht deutlich, daß dem König der erſte Kopf
nicht jüdiſch genug erſchienen war, und daß er ſich zum zweiten
mal an die Arbeit machte, um das Charakteriſtiſche entſchiedener
herauszuarbeiten. Einmal iſt ihm ſogar (cum grano salis) ein
hübſcher Kopf geglückt: die Frau ſeines erſten Kammerdieners.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/128>, abgerufen am 23.11.2024.
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