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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

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mehr, als daß sie es sah, denn die helle Mittagssonne stand über
dem Schauspiel. Als alles niedergebrannt war, saß sie todt in
ihrem Rollstuhl.

So erzählt sich das Volk. Die erste Hälfte der Geschichte,
das Vermauern des Schatzes, ist das immer Wiederkehrende; aber
die zweite Hälfte hat neue Züge, die auf wirklich Vorgekommenes
hindeuten. Anhaltepunkte sind da. Ich finde in dem Nachweis
über die Söhne des Feldmarschalls von Barfus folgendes: "Die
beiden älteren starben jung, der älteste an Wunden, die er in der
Schlacht bei Belgrad erhalten hatte. Der dritte und jüngste Sohn
war Karl Friedrich Ludwig. Er war der einzige, der seine Mutter
überlebte, und es scheint fast, daß seine Erziehung absichtlich ver-
nachlässigt wurde, da seine nächsten Verwandten nach dem Besitz
des reichen Erbes trachteten."

Diese Zeilen, so unbestimmt sie gehalten sind, oder vielleicht
weil sie es sind, lassen sich unschwer mit der eben erzählten Sage
in Einklang bringen. Der Sohn, so darf man annehmen, wurde
nicht von der Mutter, sondern von den Verwandten erzogen, und
eingesponnen in die Netze der letzteren, traf ihn leicht möglich ein
Theil des Hasses mit, den die alte Reichsgräfin gegen die hab-
gierig Wartenden unterhielt. Alles dieß indeß will nichts weiter
sein als eine Hypothese, als ein Versuch, mit Hülfe von Sage
und Tradition, dem Historischen um einen Schritt näher zu
kommen.

Im Jahr 1728 starb die alte Reichsgräfin, und ihr einziger
Sohn, der obengenannte Karl Friedrich Ludwig, folgte im Besitz
von Cossenblatt. Aber nur acht Jahre blieb es in seinen Händen;
1736 erstand es König Friedrich Wilhelm I. und machte es zu
einem Theil seiner Herrschaft Königs-Wusterhausen. Ueber die
Umstände, die den Ankauf des Gutes begleiteten, spreche ich wei-
ter unten.

Hundert Jahre und darüber sind seit jenem Ankauf vergan-
gen und Schloß Cossenblatt ist seitdem ein hohenzollernscher Besitz
geblieben, bis auf diesen Tag. Die Barfus, für die der alte Feld-

mehr, als daß ſie es ſah, denn die helle Mittagsſonne ſtand über
dem Schauſpiel. Als alles niedergebrannt war, ſaß ſie todt in
ihrem Rollſtuhl.

So erzählt ſich das Volk. Die erſte Hälfte der Geſchichte,
das Vermauern des Schatzes, iſt das immer Wiederkehrende; aber
die zweite Hälfte hat neue Züge, die auf wirklich Vorgekommenes
hindeuten. Anhaltepunkte ſind da. Ich finde in dem Nachweis
über die Söhne des Feldmarſchalls von Barfus folgendes: „Die
beiden älteren ſtarben jung, der älteſte an Wunden, die er in der
Schlacht bei Belgrad erhalten hatte. Der dritte und jüngſte Sohn
war Karl Friedrich Ludwig. Er war der einzige, der ſeine Mutter
überlebte, und es ſcheint faſt, daß ſeine Erziehung abſichtlich ver-
nachläſſigt wurde, da ſeine nächſten Verwandten nach dem Beſitz
des reichen Erbes trachteten.“

Dieſe Zeilen, ſo unbeſtimmt ſie gehalten ſind, oder vielleicht
weil ſie es ſind, laſſen ſich unſchwer mit der eben erzählten Sage
in Einklang bringen. Der Sohn, ſo darf man annehmen, wurde
nicht von der Mutter, ſondern von den Verwandten erzogen, und
eingeſponnen in die Netze der letzteren, traf ihn leicht möglich ein
Theil des Haſſes mit, den die alte Reichsgräfin gegen die hab-
gierig Wartenden unterhielt. Alles dieß indeß will nichts weiter
ſein als eine Hypotheſe, als ein Verſuch, mit Hülfe von Sage
und Tradition, dem Hiſtoriſchen um einen Schritt näher zu
kommen.

Im Jahr 1728 ſtarb die alte Reichsgräfin, und ihr einziger
Sohn, der obengenannte Karl Friedrich Ludwig, folgte im Beſitz
von Coſſenblatt. Aber nur acht Jahre blieb es in ſeinen Händen;
1736 erſtand es König Friedrich Wilhelm I. und machte es zu
einem Theil ſeiner Herrſchaft Königs-Wuſterhauſen. Ueber die
Umſtände, die den Ankauf des Gutes begleiteten, ſpreche ich wei-
ter unten.

Hundert Jahre und darüber ſind ſeit jenem Ankauf vergan-
gen und Schloß Coſſenblatt iſt ſeitdem ein hohenzollernſcher Beſitz
geblieben, bis auf dieſen Tag. Die Barfus, für die der alte Feld-

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[110/0122] mehr, als daß ſie es ſah, denn die helle Mittagsſonne ſtand über dem Schauſpiel. Als alles niedergebrannt war, ſaß ſie todt in ihrem Rollſtuhl. So erzählt ſich das Volk. Die erſte Hälfte der Geſchichte, das Vermauern des Schatzes, iſt das immer Wiederkehrende; aber die zweite Hälfte hat neue Züge, die auf wirklich Vorgekommenes hindeuten. Anhaltepunkte ſind da. Ich finde in dem Nachweis über die Söhne des Feldmarſchalls von Barfus folgendes: „Die beiden älteren ſtarben jung, der älteſte an Wunden, die er in der Schlacht bei Belgrad erhalten hatte. Der dritte und jüngſte Sohn war Karl Friedrich Ludwig. Er war der einzige, der ſeine Mutter überlebte, und es ſcheint faſt, daß ſeine Erziehung abſichtlich ver- nachläſſigt wurde, da ſeine nächſten Verwandten nach dem Beſitz des reichen Erbes trachteten.“ Dieſe Zeilen, ſo unbeſtimmt ſie gehalten ſind, oder vielleicht weil ſie es ſind, laſſen ſich unſchwer mit der eben erzählten Sage in Einklang bringen. Der Sohn, ſo darf man annehmen, wurde nicht von der Mutter, ſondern von den Verwandten erzogen, und eingeſponnen in die Netze der letzteren, traf ihn leicht möglich ein Theil des Haſſes mit, den die alte Reichsgräfin gegen die hab- gierig Wartenden unterhielt. Alles dieß indeß will nichts weiter ſein als eine Hypotheſe, als ein Verſuch, mit Hülfe von Sage und Tradition, dem Hiſtoriſchen um einen Schritt näher zu kommen. Im Jahr 1728 ſtarb die alte Reichsgräfin, und ihr einziger Sohn, der obengenannte Karl Friedrich Ludwig, folgte im Beſitz von Coſſenblatt. Aber nur acht Jahre blieb es in ſeinen Händen; 1736 erſtand es König Friedrich Wilhelm I. und machte es zu einem Theil ſeiner Herrſchaft Königs-Wuſterhauſen. Ueber die Umſtände, die den Ankauf des Gutes begleiteten, ſpreche ich wei- ter unten. Hundert Jahre und darüber ſind ſeit jenem Ankauf vergan- gen und Schloß Coſſenblatt iſt ſeitdem ein hohenzollernſcher Beſitz geblieben, bis auf dieſen Tag. Die Barfus, für die der alte Feld-

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/122>, abgerufen am 25.11.2024.