selbe Tapferkeit, dieselbe soldatische Schroffheit, dieselbe Strenge im Dienst und gegen sich selbst. Haß gegen französische Sitte, Gleichgültigkeit gegen die Frauen, Verachtung gegen Ausschweifung, gesellen sich als weitere übereinstimmende Züge hinzu. Eben so sind ihre Feldherrngaben nahe verwandt: kalte Ruhe, klares Erkennen der Fehler bei Freund und Feind, glückliche Benutzung des Mo- ments. Was sie aber vor allem mit einander gemein haben, das ist die hohe Meinung von sich selbst und in Folge dieser eigenen (wie immer auch berechtigten) Werthschätzung, eine krank- hafte Reizbarkeit gegen alles das, was neben oder wohl gar über ihnen stand. York in seinem Verhältniß zu Bülow und später zu Gneisenau (oder sagen wir wenigstens "zum Hauptquartier") er- innert mehr als einmal an "Schöning und Barfus."
Wenn York nichts desto weniger in hellerem Lichte vor uns steht als Hans Albert, so liegt das -- ohne den hohen Verdien- sten Yorks zu nahe treten zu wollen -- nicht unwesentlich darin, daß wir die "Convention von Tauroggen" dankbar in Erinne- rung tragen, den Tag von Szalankament aber, trotz seiner Be- deutung für unsere Geschichte, so gut wie vergessen haben. Ein Anderes kommt hinzu. Der Charakter Yorks ruht allerdings auf einer sittlichen Basis, deren der Charakter Hans Albrechts, wenig- stens in so ausgesprochenem Maße, entbehrt. Aber andererseits dürfen wir diesen Umstand dem alten York nicht allzusehr zum Ruhme und unserem Barfus nicht allzusehr zum Schaden anrech- nen. Das sittliche Element, dessen sich York, im Vergleich zu Hans Albrecht, allerdings als eines Vorzugs erfreut, war überwiegend ein Vorzug der Zeit, in der er lebte, wenigstens jener Jahre, die die Befreiung des Vaterlandes brachten. Es war 1813 leichter als hundert Jahre früher, "selbstsuchtslos im Dienst einer Idee zu stehen." Was 1813 möglich war, war 1703 unmöglich. Die Charaktere waren weniger verschieden, als die Zeiten es waren.
Mit Hans Albrecht von Barfus starb der letzte jener fünf brandenburgischen Feldherrn, die noch die jungen Tage des gro-
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ſelbe Tapferkeit, dieſelbe ſoldatiſche Schroffheit, dieſelbe Strenge im Dienſt und gegen ſich ſelbſt. Haß gegen franzöſiſche Sitte, Gleichgültigkeit gegen die Frauen, Verachtung gegen Ausſchweifung, geſellen ſich als weitere übereinſtimmende Züge hinzu. Eben ſo ſind ihre Feldherrngaben nahe verwandt: kalte Ruhe, klares Erkennen der Fehler bei Freund und Feind, glückliche Benutzung des Mo- ments. Was ſie aber vor allem mit einander gemein haben, das iſt die hohe Meinung von ſich ſelbſt und in Folge dieſer eigenen (wie immer auch berechtigten) Werthſchätzung, eine krank- hafte Reizbarkeit gegen alles das, was neben oder wohl gar über ihnen ſtand. York in ſeinem Verhältniß zu Bülow und ſpäter zu Gneiſenau (oder ſagen wir wenigſtens „zum Hauptquartier“) er- innert mehr als einmal an „Schöning und Barfus.“
Wenn York nichts deſto weniger in hellerem Lichte vor uns ſteht als Hans Albert, ſo liegt das — ohne den hohen Verdien- ſten Yorks zu nahe treten zu wollen — nicht unweſentlich darin, daß wir die „Convention von Tauroggen“ dankbar in Erinne- rung tragen, den Tag von Szalankament aber, trotz ſeiner Be- deutung für unſere Geſchichte, ſo gut wie vergeſſen haben. Ein Anderes kommt hinzu. Der Charakter Yorks ruht allerdings auf einer ſittlichen Baſis, deren der Charakter Hans Albrechts, wenig- ſtens in ſo ausgeſprochenem Maße, entbehrt. Aber andererſeits dürfen wir dieſen Umſtand dem alten York nicht allzuſehr zum Ruhme und unſerem Barfus nicht allzuſehr zum Schaden anrech- nen. Das ſittliche Element, deſſen ſich York, im Vergleich zu Hans Albrecht, allerdings als eines Vorzugs erfreut, war überwiegend ein Vorzug der Zeit, in der er lebte, wenigſtens jener Jahre, die die Befreiung des Vaterlandes brachten. Es war 1813 leichter als hundert Jahre früher, „ſelbſtſuchtslos im Dienſt einer Idee zu ſtehen.“ Was 1813 möglich war, war 1703 unmöglich. Die Charaktere waren weniger verſchieden, als die Zeiten es waren.
Mit Hans Albrecht von Barfus ſtarb der letzte jener fünf brandenburgiſchen Feldherrn, die noch die jungen Tage des gro-
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ſelbe Tapferkeit, dieſelbe ſoldatiſche Schroffheit, dieſelbe Strenge
im Dienſt und gegen ſich ſelbſt. Haß gegen franzöſiſche Sitte,
Gleichgültigkeit gegen die Frauen, Verachtung gegen Ausſchweifung,
geſellen ſich als weitere übereinſtimmende Züge hinzu. Eben ſo ſind
ihre Feldherrngaben nahe verwandt: kalte Ruhe, klares Erkennen
der Fehler bei Freund und Feind, glückliche Benutzung des Mo-
ments. Was ſie aber vor allem mit einander gemein haben, das
iſt die hohe Meinung von ſich ſelbſt und in Folge dieſer
eigenen (wie immer auch berechtigten) Werthſchätzung, eine krank-
hafte Reizbarkeit gegen alles das, was neben oder wohl gar über
ihnen ſtand. York in ſeinem Verhältniß zu Bülow und ſpäter zu
Gneiſenau (oder ſagen wir wenigſtens „zum Hauptquartier“) er-
innert mehr als einmal an „Schöning und Barfus.“
Wenn York nichts deſto weniger in hellerem Lichte vor uns
ſteht als Hans Albert, ſo liegt das — ohne den hohen Verdien-
ſten Yorks zu nahe treten zu wollen — nicht unweſentlich darin,
daß wir die „Convention von Tauroggen“ dankbar in Erinne-
rung tragen, den Tag von Szalankament aber, trotz ſeiner Be-
deutung für unſere Geſchichte, ſo gut wie vergeſſen haben. Ein
Anderes kommt hinzu. Der Charakter Yorks ruht allerdings auf
einer ſittlichen Baſis, deren der Charakter Hans Albrechts, wenig-
ſtens in ſo ausgeſprochenem Maße, entbehrt. Aber andererſeits
dürfen wir dieſen Umſtand dem alten York nicht allzuſehr zum
Ruhme und unſerem Barfus nicht allzuſehr zum Schaden anrech-
nen. Das ſittliche Element, deſſen ſich York, im Vergleich zu Hans
Albrecht, allerdings als eines Vorzugs erfreut, war überwiegend
ein Vorzug der Zeit, in der er lebte, wenigſtens jener Jahre, die
die Befreiung des Vaterlandes brachten. Es war 1813 leichter
als hundert Jahre früher, „ſelbſtſuchtslos im Dienſt einer Idee
zu ſtehen.“ Was 1813 möglich war, war 1703 unmöglich. Die
Charaktere waren weniger verſchieden, als die Zeiten es
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Mit Hans Albrecht von Barfus ſtarb der letzte jener fünf
brandenburgiſchen Feldherrn, die noch die jungen Tage des gro-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/111>, abgerufen am 24.11.2024.
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