Brandenburgern selbst. Sie bezeichneten es einfach als Rodomon- tade. Dennoch hatte Schöning Recht. Immer das Ganze in's Auge fassend, sagte er sich, daß er der allgemeinen Sache, min- destens aber der Sache seines Kurfürsten, durch etwas Eclatan- tes am besten diene. Seine Berechnung traf im vollsten Maße zu. Den Türken sowohl wie den Verbündeten hatte dieser Aufmarsch imponirt, und lange bevor Buda über war, hatten die Branden- burger bei Freund und Feind einen moralischen Sieg errungen. Das war Schöning'sch; solcher Einfälle und Berechnungen wäre unser Barfus unfähig gewesen. Er gehört zu den Schachspielern, die in jedem Moment des Spiels einen guten Zug, vielleicht den besten, zu thun verstehen, aber der Gabe weitsichtiger Voraus- berechnung eben so sehr wie jeder genialischen Combination ent- behren.
Tapfer, wie Hans Albrecht war, besaß er auch in hohem Maße jenen liebenswürdigen, den ächten und bewährten Muth verrathenden Zug alter Soldaten, schwache Momente nachsich- tig zu beurtheilen. Nur die Leute hinter'm warmen Ofen drin- gen auf constantes Heldenthum. Einstmals beklagte sich Graf Chri- stoph Dohna über die Feigheit eines Offiziers, der ihn während des Gefechts kläglich im Stich gelassen hatte. Barfus trat an Dohna heran und sagte: "Hören Sie, Graf, man muß Mitleid mit seinem Nächsten haben und ihm nicht alles Ueble anthun, was man ihm mit Gerechtigkeit würde anthun können. Es giebt schlechte Viertelstunden im Leben; vielleicht wird dieser Offi- zier ein andermal sich besser zeigen. Ich werde mit ihm allein reden." Barfus that es, und wenige Tage später fiel der Offizier an der Spitze einer Angriffscolonne.
Ein sehr hervorstechender Zug seines Charakters war das Antifranzösische. Seine vielbesprochene "Perückensteuer" war nicht bloß eine Finanzmaßregel, sie war auch gegen das "fremde Unwesen" überhaupt gerichtet. Der Umstand, daß er des Fran- zösischen nicht mächtig war, mochte freilich das seine dazu beitra- gen, ihn in seiner Abneigung gegen die "Welschen" zu bestärken.
Brandenburgern ſelbſt. Sie bezeichneten es einfach als Rodomon- tade. Dennoch hatte Schöning Recht. Immer das Ganze in’s Auge faſſend, ſagte er ſich, daß er der allgemeinen Sache, min- deſtens aber der Sache ſeines Kurfürſten, durch etwas Eclatan- tes am beſten diene. Seine Berechnung traf im vollſten Maße zu. Den Türken ſowohl wie den Verbündeten hatte dieſer Aufmarſch imponirt, und lange bevor Buda über war, hatten die Branden- burger bei Freund und Feind einen moraliſchen Sieg errungen. Das war Schöning’ſch; ſolcher Einfälle und Berechnungen wäre unſer Barfus unfähig geweſen. Er gehört zu den Schachſpielern, die in jedem Moment des Spiels einen guten Zug, vielleicht den beſten, zu thun verſtehen, aber der Gabe weitſichtiger Voraus- berechnung eben ſo ſehr wie jeder genialiſchen Combination ent- behren.
Tapfer, wie Hans Albrecht war, beſaß er auch in hohem Maße jenen liebenswürdigen, den ächten und bewährten Muth verrathenden Zug alter Soldaten, ſchwache Momente nachſich- tig zu beurtheilen. Nur die Leute hinter’m warmen Ofen drin- gen auf conſtantes Heldenthum. Einſtmals beklagte ſich Graf Chri- ſtoph Dohna über die Feigheit eines Offiziers, der ihn während des Gefechts kläglich im Stich gelaſſen hatte. Barfus trat an Dohna heran und ſagte: „Hören Sie, Graf, man muß Mitleid mit ſeinem Nächſten haben und ihm nicht alles Ueble anthun, was man ihm mit Gerechtigkeit würde anthun können. Es giebt ſchlechte Viertelſtunden im Leben; vielleicht wird dieſer Offi- zier ein andermal ſich beſſer zeigen. Ich werde mit ihm allein reden.“ Barfus that es, und wenige Tage ſpäter fiel der Offizier an der Spitze einer Angriffscolonne.
Ein ſehr hervorſtechender Zug ſeines Charakters war das Antifranzöſiſche. Seine vielbeſprochene „Perückenſteuer“ war nicht bloß eine Finanzmaßregel, ſie war auch gegen das „fremde Unweſen“ überhaupt gerichtet. Der Umſtand, daß er des Fran- zöſiſchen nicht mächtig war, mochte freilich das ſeine dazu beitra- gen, ihn in ſeiner Abneigung gegen die „Welſchen“ zu beſtärken.
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Brandenburgern ſelbſt. Sie bezeichneten es einfach als Rodomon-
tade. Dennoch hatte Schöning Recht. Immer das Ganze in’s
Auge faſſend, ſagte er ſich, daß er der allgemeinen Sache, min-
deſtens aber der Sache ſeines Kurfürſten, durch etwas Eclatan-
tes am beſten diene. Seine Berechnung traf im vollſten Maße zu.
Den Türken ſowohl wie den Verbündeten hatte dieſer Aufmarſch
imponirt, und lange bevor Buda über war, hatten die Branden-
burger bei Freund und Feind einen moraliſchen Sieg errungen.
Das war Schöning’ſch; ſolcher Einfälle und Berechnungen wäre
unſer Barfus unfähig geweſen. Er gehört zu den Schachſpielern,
die in jedem Moment des Spiels einen guten Zug, vielleicht den
beſten, zu thun verſtehen, aber der Gabe weitſichtiger Voraus-
berechnung eben ſo ſehr wie jeder genialiſchen Combination ent-
behren.
Tapfer, wie Hans Albrecht war, beſaß er auch in hohem
Maße jenen liebenswürdigen, den ächten und bewährten Muth
verrathenden Zug alter Soldaten, ſchwache Momente nachſich-
tig zu beurtheilen. Nur die Leute hinter’m warmen Ofen drin-
gen auf conſtantes Heldenthum. Einſtmals beklagte ſich Graf Chri-
ſtoph Dohna über die Feigheit eines Offiziers, der ihn während
des Gefechts kläglich im Stich gelaſſen hatte. Barfus trat an
Dohna heran und ſagte: „Hören Sie, Graf, man muß Mitleid
mit ſeinem Nächſten haben und ihm nicht alles Ueble anthun, was
man ihm mit Gerechtigkeit würde anthun können. Es giebt
ſchlechte Viertelſtunden im Leben; vielleicht wird dieſer Offi-
zier ein andermal ſich beſſer zeigen. Ich werde mit ihm allein
reden.“ Barfus that es, und wenige Tage ſpäter fiel der Offizier
an der Spitze einer Angriffscolonne.
Ein ſehr hervorſtechender Zug ſeines Charakters war das
Antifranzöſiſche. Seine vielbeſprochene „Perückenſteuer“ war
nicht bloß eine Finanzmaßregel, ſie war auch gegen das „fremde
Unweſen“ überhaupt gerichtet. Der Umſtand, daß er des Fran-
zöſiſchen nicht mächtig war, mochte freilich das ſeine dazu beitra-
gen, ihn in ſeiner Abneigung gegen die „Welſchen“ zu beſtärken.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/107>, abgerufen am 24.11.2024.
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