blühen an einem Ort, dessen sämmtliche Seen für 4 Thaler Preußisch verpachtet sind."
Wer weiß, wo diese Bekümmernisse endlich noch gelandet wären, wenn nicht eine große Festfahne, die von einigen Kindern eben an uns vorbeigetragen wurde, alle Klagen unterbrochen und uns die Frage aufgedrängt hätte: was ist das? "Das ist die Fahne vom Möske-Fest, die man hat repariren lassen," erwie- derte der andere unserer Rheinsberger Freunde, dessen gute Laune das Gegenstück zu der Morosität seines Nachbarn bildete, "der sie trägt, ist Fähnrich Wilhelm Huth, und der ihm zur Rechten geht, ist General Eduard Netzeband; sitzt seit Ostern in Quarta." Diese Aeußerungen machten uns natürlich begierig, mehr zu hören, und wir erfuhren alsbald, was es mit dem Möske-Feste auf sich habe. Da diese Feier der Stadt Rheinsberg eigenthümlich ist, so darf ich wohl einen Augenblick dabei verweilen. Das Möske-Fest ist ein Kinderfest, das alljährlich am Sonntag vor Pfingsten gefeiert wird. Möske bedeutet "Waldmeister" (asperula odorata), und in alten Zeiten lief die Festlichkeit darauf hinaus, daß die Stadt- kinder frühmorgens in den Wald zogen, Waldmeister pflückten, und, damit heimkehrend, den Altar und die Pfeiler der Kirche schmückten. Erst im Jahre 1757 nahm die Feier einen sehr ver- schiedenen Charakter an. Am 6. Mai war die Schlacht bei Prag geschlagen worden, und am 20. Mai traf die Nachricht vom Siege in Rheinsberg ein. Es war Sonntag vor Pfingsten, also -- der Tag des Möske-Festes. Die Siegesfreude, vielleicht auch der Um- stand, daß Prinz Heinrich, der damals schon Besitzer von Rheins- berg war, durch Muth und Geschick die Schlacht zu Gunsten der Preußen entschieden hatte, schuf auf einen Schlag die bis dahin rein kirchliche Feier in eine militärisch-patriotische um. Was da- mals Impromptu war, ist geblieben. Das Möske-Fest ist eine Art Soldatenspiel geworden, das die Rheinsberger Jugend am Sonntag vor Pfingsten aufführt und an dem die Alten (die alle einmal das- selbe Spiel gespielt haben) mit herzlicher Freude theilnehmen. Früh am Morgen schon ziehen vier Trommler mit der Schloßpauke und
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blühen an einem Ort, deſſen ſämmtliche Seen für 4 Thaler Preußiſch verpachtet ſind.“
Wer weiß, wo dieſe Bekümmerniſſe endlich noch gelandet wären, wenn nicht eine große Feſtfahne, die von einigen Kindern eben an uns vorbeigetragen wurde, alle Klagen unterbrochen und uns die Frage aufgedrängt hätte: was iſt das? „Das iſt die Fahne vom Möske-Feſt, die man hat repariren laſſen,“ erwie- derte der andere unſerer Rheinsberger Freunde, deſſen gute Laune das Gegenſtück zu der Moroſität ſeines Nachbarn bildete, „der ſie trägt, iſt Fähnrich Wilhelm Huth, und der ihm zur Rechten geht, iſt General Eduard Netzeband; ſitzt ſeit Oſtern in Quarta.“ Dieſe Aeußerungen machten uns natürlich begierig, mehr zu hören, und wir erfuhren alsbald, was es mit dem Möske-Feſte auf ſich habe. Da dieſe Feier der Stadt Rheinsberg eigenthümlich iſt, ſo darf ich wohl einen Augenblick dabei verweilen. Das Möske-Feſt iſt ein Kinderfeſt, das alljährlich am Sonntag vor Pfingſten gefeiert wird. Möske bedeutet „Waldmeiſter“ (asperula odorata), und in alten Zeiten lief die Feſtlichkeit darauf hinaus, daß die Stadt- kinder frühmorgens in den Wald zogen, Waldmeiſter pflückten, und, damit heimkehrend, den Altar und die Pfeiler der Kirche ſchmückten. Erſt im Jahre 1757 nahm die Feier einen ſehr ver- ſchiedenen Charakter an. Am 6. Mai war die Schlacht bei Prag geſchlagen worden, und am 20. Mai traf die Nachricht vom Siege in Rheinsberg ein. Es war Sonntag vor Pfingſten, alſo — der Tag des Möske-Feſtes. Die Siegesfreude, vielleicht auch der Um- ſtand, daß Prinz Heinrich, der damals ſchon Beſitzer von Rheins- berg war, durch Muth und Geſchick die Schlacht zu Gunſten der Preußen entſchieden hatte, ſchuf auf einen Schlag die bis dahin rein kirchliche Feier in eine militäriſch-patriotiſche um. Was da- mals Impromptu war, iſt geblieben. Das Möske-Feſt iſt eine Art Soldatenſpiel geworden, das die Rheinsberger Jugend am Sonntag vor Pfingſten aufführt und an dem die Alten (die alle einmal das- ſelbe Spiel geſpielt haben) mit herzlicher Freude theilnehmen. Früh am Morgen ſchon ziehen vier Trommler mit der Schloßpauke und
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blühen an einem Ort, deſſen ſämmtliche Seen für 4 Thaler
Preußiſch verpachtet ſind.“
Wer weiß, wo dieſe Bekümmerniſſe endlich noch gelandet
wären, wenn nicht eine große Feſtfahne, die von einigen Kindern
eben an uns vorbeigetragen wurde, alle Klagen unterbrochen und
uns die Frage aufgedrängt hätte: was iſt das? „Das iſt die
Fahne vom Möske-Feſt, die man hat repariren laſſen,“ erwie-
derte der andere unſerer Rheinsberger Freunde, deſſen gute Laune
das Gegenſtück zu der Moroſität ſeines Nachbarn bildete, „der ſie
trägt, iſt Fähnrich Wilhelm Huth, und der ihm zur Rechten geht,
iſt General Eduard Netzeband; ſitzt ſeit Oſtern in Quarta.“ Dieſe
Aeußerungen machten uns natürlich begierig, mehr zu hören, und
wir erfuhren alsbald, was es mit dem Möske-Feſte auf ſich habe.
Da dieſe Feier der Stadt Rheinsberg eigenthümlich iſt, ſo darf
ich wohl einen Augenblick dabei verweilen. Das Möske-Feſt iſt
ein Kinderfeſt, das alljährlich am Sonntag vor Pfingſten gefeiert
wird. Möske bedeutet „Waldmeiſter“ (asperula odorata), und
in alten Zeiten lief die Feſtlichkeit darauf hinaus, daß die Stadt-
kinder frühmorgens in den Wald zogen, Waldmeiſter pflückten,
und, damit heimkehrend, den Altar und die Pfeiler der Kirche
ſchmückten. Erſt im Jahre 1757 nahm die Feier einen ſehr ver-
ſchiedenen Charakter an. Am 6. Mai war die Schlacht bei Prag
geſchlagen worden, und am 20. Mai traf die Nachricht vom Siege
in Rheinsberg ein. Es war Sonntag vor Pfingſten, alſo — der
Tag des Möske-Feſtes. Die Siegesfreude, vielleicht auch der Um-
ſtand, daß Prinz Heinrich, der damals ſchon Beſitzer von Rheins-
berg war, durch Muth und Geſchick die Schlacht zu Gunſten der
Preußen entſchieden hatte, ſchuf auf einen Schlag die bis dahin
rein kirchliche Feier in eine militäriſch-patriotiſche um. Was da-
mals Impromptu war, iſt geblieben. Das Möske-Feſt iſt eine Art
Soldatenſpiel geworden, das die Rheinsberger Jugend am Sonntag
vor Pfingſten aufführt und an dem die Alten (die alle einmal das-
ſelbe Spiel geſpielt haben) mit herzlicher Freude theilnehmen. Früh
am Morgen ſchon ziehen vier Trommler mit der Schloßpauke und
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/99>, abgerufen am 24.11.2024.
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