1. Die Kahlenberge. Französische Colonisten-Dörfer. Einfahrt in Rheinsberg. Der Rathskeller. Unter den Linden. Das Möskefest.
Die Stadt Rheinsberg von Berlin aus zu erreichen, ist wirklich schwer. Die Eisenbahn zieht sich auf 6 Meilen Entfer- nung daran vorbei und nur ein geschickt zu benutzendes Verbin- dungsnetz von Hauderer und Fahrpost (die bloßen Worte ängstigen das Gemüth!) führt schließlich den Reisenden an das ersehnte Ziel. Dies mag es zum Theil erklären, weshalb ein Punkt unserer heimathlichen Mark so völlig unbesucht bleibt, dessen Naturschön- heiten mindestens nicht verächtlich zu behandeln und dessen histo- rische Erinnerungen allerersten Ranges sind.
Wir haben es besser, wenigstens näher. Wir kommen von dem nur 3 Meilen entfernten Ruppin und lassen uns durch die Sandwüste nicht beirren, die auf der ersten Hälfte des Weges vor uns liegt. Man passirt mehrere Hügelzüge, und so oft man fragt, "wie heißt dieser Platz hier?" so schallt die Antwort zurück, "die Kahlenberge." Diese Sandwüste wird hier und da durch ein Dorf aus alter, guter Zeit unterbrochen, dessen ärmliche Stroh- dächer ein spitzer Schindelthurm überragt. Vielen fehlt auch dieser Thurm. Einzelne dieser Dörfer (z. B. Braunsberg), in denen, bei ähnlichem Boden, wie ihn Teltow hat, auch die Rübenzucht
Rheinsberg.
1. Die Kahlenberge. Franzöſiſche Coloniſten-Dörfer. Einfahrt in Rheinsberg. Der Rathskeller. Unter den Linden. Das Möskefeſt.
Die Stadt Rheinsberg von Berlin aus zu erreichen, iſt wirklich ſchwer. Die Eiſenbahn zieht ſich auf 6 Meilen Entfer- nung daran vorbei und nur ein geſchickt zu benutzendes Verbin- dungsnetz von Hauderer und Fahrpoſt (die bloßen Worte ängſtigen das Gemüth!) führt ſchließlich den Reiſenden an das erſehnte Ziel. Dies mag es zum Theil erklären, weshalb ein Punkt unſerer heimathlichen Mark ſo völlig unbeſucht bleibt, deſſen Naturſchön- heiten mindeſtens nicht verächtlich zu behandeln und deſſen hiſto- riſche Erinnerungen allererſten Ranges ſind.
Wir haben es beſſer, wenigſtens näher. Wir kommen von dem nur 3 Meilen entfernten Ruppin und laſſen uns durch die Sandwüſte nicht beirren, die auf der erſten Hälfte des Weges vor uns liegt. Man paſſirt mehrere Hügelzüge, und ſo oft man fragt, „wie heißt dieſer Platz hier?“ ſo ſchallt die Antwort zurück, „die Kahlenberge.“ Dieſe Sandwüſte wird hier und da durch ein Dorf aus alter, guter Zeit unterbrochen, deſſen ärmliche Stroh- dächer ein ſpitzer Schindelthurm überragt. Vielen fehlt auch dieſer Thurm. Einzelne dieſer Dörfer (z. B. Braunsberg), in denen, bei ähnlichem Boden, wie ihn Teltow hat, auch die Rübenzucht
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Rheinsberg.
1.
Die Kahlenberge. Franzöſiſche Coloniſten-Dörfer.
Einfahrt in Rheinsberg. Der Rathskeller.
Unter den Linden. Das Möskefeſt.
Die Stadt Rheinsberg von Berlin aus zu erreichen, iſt
wirklich ſchwer. Die Eiſenbahn zieht ſich auf 6 Meilen Entfer-
nung daran vorbei und nur ein geſchickt zu benutzendes Verbin-
dungsnetz von Hauderer und Fahrpoſt (die bloßen Worte ängſtigen
das Gemüth!) führt ſchließlich den Reiſenden an das erſehnte Ziel.
Dies mag es zum Theil erklären, weshalb ein Punkt unſerer
heimathlichen Mark ſo völlig unbeſucht bleibt, deſſen Naturſchön-
heiten mindeſtens nicht verächtlich zu behandeln und deſſen hiſto-
riſche Erinnerungen allererſten Ranges ſind.
Wir haben es beſſer, wenigſtens näher. Wir kommen von
dem nur 3 Meilen entfernten Ruppin und laſſen uns durch die
Sandwüſte nicht beirren, die auf der erſten Hälfte des Weges
vor uns liegt. Man paſſirt mehrere Hügelzüge, und ſo oft man
fragt, „wie heißt dieſer Platz hier?“ ſo ſchallt die Antwort zurück,
„die Kahlenberge.“ Dieſe Sandwüſte wird hier und da durch ein
Dorf aus alter, guter Zeit unterbrochen, deſſen ärmliche Stroh-
dächer ein ſpitzer Schindelthurm überragt. Vielen fehlt auch dieſer
Thurm. Einzelne dieſer Dörfer (z. B. Braunsberg), in denen,
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. [78]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/96>, abgerufen am 24.11.2024.
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