den Rauchhütten der Grönländer und die andre Hälfte in den Schlammhütten der Fellah's verbringt. Chamisso erzählt in seiner "Reise um die Welt", daß er, nach selbst gemachter Erfahrung, Kotzebue für den verbreitetsten Schriftsteller halten müsse, denn er sei (wohlbemerkt schon 1818) auf der Insel Taiti einem Bande Kotzebue'scher Komödien begegnet; aber was will das alles sagen gegen die Verbreitung jener farbenbunten Bogen, die mit der wohlbekannten Notiz: "bei Gustav Kühn in Neu-Ruppin" über die Welt flattern. Gebiete, die Barth und Overweg, die Richardson und Livingstone erst aufgeschlossen, -- der Kühn'sche Bilderbogen war ihnen vorausgeeilt und hatte von einer Welt da draußen erzählt. Er flieht die Gegenden, drin der Kupferstich und das Oelbild vorwalten, aber wo die Glaskoralle und der Zahl- pfennig ein staunendes Ach und die Begierde hervorrufen, in den engeren und weiteren Bezirken des Königs von Dahomey -- da ist er zu Haus. Den Maranon und den Orinocco aufwärts, wo die Kolibris wie Blüthen und die Blüthen wie Schmetterlinge sich schaukeln, dort, wo alles Glanz und Farbe ist, tritt er kühn und siegreich auf und stellt die Colorirkunst seiner Schablone -- die unangefochten von den neuen Gesetzen der Farbenzusammenstellung ihre ehrwürdigen Traditionen fortsetzt -- siegreich in die Zauber der Tropennatur hinein. Auf den Inseln der schottischen Westküste war es mir selbst vergönnt, diese Landsleute, diese Boten aus der engeren Heimath zu begrüßen. Die Wunder der Fingalshöhle, die Gestalt König Fingals selbst, die wie ein Nebelphantom auf der öden Klippe von Morven stand, war nicht mächtig genug gewesen, diese Sendboten abzuhalten; -- sie waren eingezogen in die Hütten der Maclean's und Macdonald's.
Lange bevor die erste "Illustrirte Zeitung" in die Welt ging, illustrirte der Kühn'sche Bilderbogen die Tagesgeschichte und was die Hauptsache war, die Illustration hinkte nicht langsam nach, sondern folgte den Ereignissen auf dem Fuß. Kaum, daß die Tran- cheen vor Antwerpen eröffnet waren, so flogen in den Druck- und Colorirstuben zu Neu-Ruppin die Bomben und Granaten
den Rauchhütten der Grönländer und die andre Hälfte in den Schlammhütten der Fellah’s verbringt. Chamiſſo erzählt in ſeiner „Reiſe um die Welt“, daß er, nach ſelbſt gemachter Erfahrung, Kotzebue für den verbreitetſten Schriftſteller halten müſſe, denn er ſei (wohlbemerkt ſchon 1818) auf der Inſel Taiti einem Bande Kotzebue’ſcher Komödien begegnet; aber was will das alles ſagen gegen die Verbreitung jener farbenbunten Bogen, die mit der wohlbekannten Notiz: „bei Guſtav Kühn in Neu-Ruppin“ über die Welt flattern. Gebiete, die Barth und Overweg, die Richardſon und Livingſtone erſt aufgeſchloſſen, — der Kühn’ſche Bilderbogen war ihnen vorausgeeilt und hatte von einer Welt da draußen erzählt. Er flieht die Gegenden, drin der Kupferſtich und das Oelbild vorwalten, aber wo die Glaskoralle und der Zahl- pfennig ein ſtaunendes Ach und die Begierde hervorrufen, in den engeren und weiteren Bezirken des Königs von Dahomey — da iſt er zu Haus. Den Maranon und den Orinocco aufwärts, wo die Kolibris wie Blüthen und die Blüthen wie Schmetterlinge ſich ſchaukeln, dort, wo alles Glanz und Farbe iſt, tritt er kühn und ſiegreich auf und ſtellt die Colorirkunſt ſeiner Schablone — die unangefochten von den neuen Geſetzen der Farbenzuſammenſtellung ihre ehrwürdigen Traditionen fortſetzt — ſiegreich in die Zauber der Tropennatur hinein. Auf den Inſeln der ſchottiſchen Weſtküſte war es mir ſelbſt vergönnt, dieſe Landsleute, dieſe Boten aus der engeren Heimath zu begrüßen. Die Wunder der Fingalshöhle, die Geſtalt König Fingals ſelbſt, die wie ein Nebelphantom auf der öden Klippe von Morven ſtand, war nicht mächtig genug geweſen, dieſe Sendboten abzuhalten; — ſie waren eingezogen in die Hütten der Maclean’s und Macdonald’s.
Lange bevor die erſte „Illuſtrirte Zeitung“ in die Welt ging, illuſtrirte der Kühn’ſche Bilderbogen die Tagesgeſchichte und was die Hauptſache war, die Illuſtration hinkte nicht langſam nach, ſondern folgte den Ereigniſſen auf dem Fuß. Kaum, daß die Tran- chéen vor Antwerpen eröffnet waren, ſo flogen in den Druck- und Colorirſtuben zu Neu-Ruppin die Bomben und Granaten
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den Rauchhütten der Grönländer und die andre Hälfte in den
Schlammhütten der Fellah’s verbringt. Chamiſſo erzählt in ſeiner
„Reiſe um die Welt“, daß er, nach ſelbſt gemachter Erfahrung,
Kotzebue für den verbreitetſten Schriftſteller halten müſſe, denn er
ſei (wohlbemerkt ſchon 1818) auf der Inſel Taiti einem Bande
Kotzebue’ſcher Komödien begegnet; aber was will das alles ſagen
gegen die Verbreitung jener farbenbunten Bogen, die mit der
wohlbekannten Notiz: „bei Guſtav Kühn in Neu-Ruppin“
über die Welt flattern. Gebiete, die Barth und Overweg, die
Richardſon und Livingſtone erſt aufgeſchloſſen, — der Kühn’ſche
Bilderbogen war ihnen vorausgeeilt und hatte von einer Welt da
draußen erzählt. Er flieht die Gegenden, drin der Kupferſtich und
das Oelbild vorwalten, aber wo die Glaskoralle und der Zahl-
pfennig ein ſtaunendes Ach und die Begierde hervorrufen, in den
engeren und weiteren Bezirken des Königs von Dahomey — da
iſt er zu Haus. Den Maranon und den Orinocco aufwärts, wo
die Kolibris wie Blüthen und die Blüthen wie Schmetterlinge ſich
ſchaukeln, dort, wo alles Glanz und Farbe iſt, tritt er kühn und
ſiegreich auf und ſtellt die Colorirkunſt ſeiner Schablone — die
unangefochten von den neuen Geſetzen der Farbenzuſammenſtellung
ihre ehrwürdigen Traditionen fortſetzt — ſiegreich in die Zauber
der Tropennatur hinein. Auf den Inſeln der ſchottiſchen Weſtküſte
war es mir ſelbſt vergönnt, dieſe Landsleute, dieſe Boten aus der
engeren Heimath zu begrüßen. Die Wunder der Fingalshöhle, die
Geſtalt König Fingals ſelbſt, die wie ein Nebelphantom auf der
öden Klippe von Morven ſtand, war nicht mächtig genug geweſen,
dieſe Sendboten abzuhalten; — ſie waren eingezogen in die Hütten
der Maclean’s und Macdonald’s.
Lange bevor die erſte „Illuſtrirte Zeitung“ in die Welt ging,
illuſtrirte der Kühn’ſche Bilderbogen die Tagesgeſchichte und was
die Hauptſache war, die Illuſtration hinkte nicht langſam nach,
ſondern folgte den Ereigniſſen auf dem Fuß. Kaum, daß die Tran-
chéen vor Antwerpen eröffnet waren, ſo flogen in den Druck-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/93>, abgerufen am 27.11.2024.
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