eilten durch die verschiedenen Regionen des Berges auf Lavaströmen bis zu den Thoren Catania's, die wir bei später Nacht er- reichten.
Syracusa, 31. Mai 1804. Neun Tage ließ uns Sicilia- nische Gastfreundschaft in Catania unter vortrefflichen Menschen froh genießen. Ein Bekannter aus Rom, der Baron von Rech- berg, Commendator der Baierisch-Russischen Zunge des Malteser- Ordens, die jetzt in Catania den Sitz hat, dieser gefällige Mann widmete uns fast seine ganze Zeit. Catania ist nach der schrecklichen Verwüstung des vorigen Jahrhunderts ganz neu und prächtig aufgebaut, zählt mehrere antike Gebäude und Cabinette von großer Auswahl antiker Gegenstände. Die umliegende Gegend ist nicht reizend, da der schreckliche Ausbruch alle Felder mit Lava überschwemmte. Unfern Catania waren die Tunesen gelandet, und hatten unter andern Personen reisende Kapuziner gefangen, in deren Kleidung sie sich steckten und unerkannt viel Unfug trie- ben. Man rieth uns Vorsicht auf dem Wege nach Syrakus, der immer an der Küste bleibt. So begannen wir den Weg, nicht ohne Furcht vor See- und Straßenräubern. Indeß erreichten wir nach einem wenig interessanten Wege am Abend die Stadt, die ehemals allein Athen den Rang streitig machte. Ohngeachtet sie jetzt wohl kaum den zwanzigsten Theil des alten Umfangs hat, so bleibt ihr Eindruck auf der Insel in der weitgeschwungenen Meer- bucht immer noch imposant. Wir ritten über den Theil der alten Stadt, den man Gradina nannte; hier sieht man Grundpläne alter Gebäude in den Fels gehauen, dann hinab zwischen Orangen- gärten in die Stadt. Viele Festungswerke und Brücken von sehr solidem Bau aus gehauenem Stein lassen ein elegantes In- nere vermuthen; aber getäuscht empfängt ein enges unreinliches Oertchen den Wanderer und weckt tiefes Bedauern der verwan- delten Zeit."
So weit der Schinkel'sche Brief. An einzelnen Stellen ist es, als höre man den Vollklang Platen'scher Rhythmen. Verwandte Naturen finden leicht das verwandte Wort.
eilten durch die verſchiedenen Regionen des Berges auf Lavaſtrömen bis zu den Thoren Catania’s, die wir bei ſpäter Nacht er- reichten.
Syracuſa, 31. Mai 1804. Neun Tage ließ uns Sicilia- niſche Gaſtfreundſchaft in Catania unter vortrefflichen Menſchen froh genießen. Ein Bekannter aus Rom, der Baron von Rech- berg, Commendator der Baieriſch-Ruſſiſchen Zunge des Malteſer- Ordens, die jetzt in Catania den Sitz hat, dieſer gefällige Mann widmete uns faſt ſeine ganze Zeit. Catania iſt nach der ſchrecklichen Verwüſtung des vorigen Jahrhunderts ganz neu und prächtig aufgebaut, zählt mehrere antike Gebäude und Cabinette von großer Auswahl antiker Gegenſtände. Die umliegende Gegend iſt nicht reizend, da der ſchreckliche Ausbruch alle Felder mit Lava überſchwemmte. Unfern Catania waren die Tuneſen gelandet, und hatten unter andern Perſonen reiſende Kapuziner gefangen, in deren Kleidung ſie ſich ſteckten und unerkannt viel Unfug trie- ben. Man rieth uns Vorſicht auf dem Wege nach Syrakus, der immer an der Küſte bleibt. So begannen wir den Weg, nicht ohne Furcht vor See- und Straßenräubern. Indeß erreichten wir nach einem wenig intereſſanten Wege am Abend die Stadt, die ehemals allein Athen den Rang ſtreitig machte. Ohngeachtet ſie jetzt wohl kaum den zwanzigſten Theil des alten Umfangs hat, ſo bleibt ihr Eindruck auf der Inſel in der weitgeſchwungenen Meer- bucht immer noch impoſant. Wir ritten über den Theil der alten Stadt, den man Gradina nannte; hier ſieht man Grundpläne alter Gebäude in den Fels gehauen, dann hinab zwiſchen Orangen- gärten in die Stadt. Viele Feſtungswerke und Brücken von ſehr ſolidem Bau aus gehauenem Stein laſſen ein elegantes In- nere vermuthen; aber getäuſcht empfängt ein enges unreinliches Oertchen den Wanderer und weckt tiefes Bedauern der verwan- delten Zeit.“
So weit der Schinkel’ſche Brief. An einzelnen Stellen iſt es, als höre man den Vollklang Platen’ſcher Rhythmen. Verwandte Naturen finden leicht das verwandte Wort.
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eilten durch die verſchiedenen Regionen des Berges auf Lavaſtrömen
bis zu den Thoren Catania’s, die wir bei ſpäter Nacht er-
reichten.
Syracuſa, 31. Mai 1804. Neun Tage ließ uns Sicilia-
niſche Gaſtfreundſchaft in Catania unter vortrefflichen Menſchen
froh genießen. Ein Bekannter aus Rom, der Baron von Rech-
berg, Commendator der Baieriſch-Ruſſiſchen Zunge des Malteſer-
Ordens, die jetzt in Catania den Sitz hat, dieſer gefällige
Mann widmete uns faſt ſeine ganze Zeit. Catania iſt nach der
ſchrecklichen Verwüſtung des vorigen Jahrhunderts ganz neu und
prächtig aufgebaut, zählt mehrere antike Gebäude und Cabinette
von großer Auswahl antiker Gegenſtände. Die umliegende Gegend
iſt nicht reizend, da der ſchreckliche Ausbruch alle Felder mit Lava
überſchwemmte. Unfern Catania waren die Tuneſen gelandet, und
hatten unter andern Perſonen reiſende Kapuziner gefangen, in
deren Kleidung ſie ſich ſteckten und unerkannt viel Unfug trie-
ben. Man rieth uns Vorſicht auf dem Wege nach Syrakus, der
immer an der Küſte bleibt. So begannen wir den Weg, nicht
ohne Furcht vor See- und Straßenräubern. Indeß erreichten wir
nach einem wenig intereſſanten Wege am Abend die Stadt, die
ehemals allein Athen den Rang ſtreitig machte. Ohngeachtet ſie
jetzt wohl kaum den zwanzigſten Theil des alten Umfangs hat, ſo
bleibt ihr Eindruck auf der Inſel in der weitgeſchwungenen Meer-
bucht immer noch impoſant. Wir ritten über den Theil der alten
Stadt, den man Gradina nannte; hier ſieht man Grundpläne
alter Gebäude in den Fels gehauen, dann hinab zwiſchen Orangen-
gärten in die Stadt. Viele Feſtungswerke und Brücken von
ſehr ſolidem Bau aus gehauenem Stein laſſen ein elegantes In-
nere vermuthen; aber getäuſcht empfängt ein enges unreinliches
Oertchen den Wanderer und weckt tiefes Bedauern der verwan-
delten Zeit.“
So weit der Schinkel’ſche Brief. An einzelnen Stellen iſt es,
als höre man den Vollklang Platen’ſcher Rhythmen. Verwandte
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/91>, abgerufen am 24.11.2024.
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