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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

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Berlin in eine Stadt der Schönheit umgeschaffen und ihm hof-
fentlich für immer den Stempel seines Geistes aufgedrückt hat.

Nach Kränzlin hin adressirte er auch seine Briefe aus Italien,
wohin er im Jahre 1803 jene Reise antrat, die so nachhaltig und
entscheidend auf seine Kunstrichtung einwirkte. Er verwandte zu
dieser Reise sein väterliches Vermögen und den Ertrag eines
"Panorama's von Palermo", das er für Gropius gemalt hatte.
Die Aufmerksamkeit des Königs erregte er zuerst im Radziwill'schen
Hause, wo er bei einer der stattfindenden Theatervorstellungen eine
Mondschein-Decoration mit so frappanter Wahrheit aufgestellt hatte,
daß der König nach dem Namen des Malers fragte. Auch das
mag hier erwähnt sein, daß er zu Gneisenau in freundschaft-
lichen Beziehungen stand und bis in's Lager hin, über künstle-
rische Detailfragen mit ihm correspondirte.

Die Italienische Correspondence des Meisters, jene Reihen-
folge von Briefen, die er von Rom, Neapel und Sicilien aus
an seine Schwester in Kränzlin richtete, ist bis auf einen Brief
verloren gegangen; in ähnlicher Weise wie die Briefe David
Hume's an seine Freundin Msr. Mure verloren gegangen sind,
(die Köchin hatte diese Briefe statt Stroh zum Sengen der Enten
und Gänse benutzt), so sind wir um diese Schinkel-Correspondenz
gekommen -- Dienstmädchenhände haben Ofenfeuer damit gemacht.
Der eine Brief, den wir folgen lassen, wird zeigen, wie beklagens-
werth der Verlust ist. Schinkel war, wo sein Herz fühlte, des
Wortes in hohem Maße mächtig. Franz Kugler sagt Folgendes
von ihm: "Wenigen Menschen war so, wie ihm, das Gepräge
des Geistes aufgedrückt. Was in seiner Erscheinung anzog und
auf wunderbare Weise fesselte, darf man nicht eben als eine Mit-
gift der Natur bezeichnen. Schinkel war kein schöner Mann, aber
der Geist der Schönheit, der in ihm lebte, war so mächtig und
trat so lebendig nach außen, daß man diesen Widerspruch der
Form erst bemerkte, wenn man seine Erscheinung mit kalter Be-
sonnenheit zergliederte. In seinen Bewegungen war ein Adel und
ein Gleichmaß, in seinem Munde ein Lächeln, auf seiner Stirn

Berlin in eine Stadt der Schönheit umgeſchaffen und ihm hof-
fentlich für immer den Stempel ſeines Geiſtes aufgedrückt hat.

Nach Kränzlin hin adreſſirte er auch ſeine Briefe aus Italien,
wohin er im Jahre 1803 jene Reiſe antrat, die ſo nachhaltig und
entſcheidend auf ſeine Kunſtrichtung einwirkte. Er verwandte zu
dieſer Reiſe ſein väterliches Vermögen und den Ertrag eines
„Panorama’s von Palermo“, das er für Gropius gemalt hatte.
Die Aufmerkſamkeit des Königs erregte er zuerſt im Radziwill’ſchen
Hauſe, wo er bei einer der ſtattfindenden Theatervorſtellungen eine
Mondſchein-Decoration mit ſo frappanter Wahrheit aufgeſtellt hatte,
daß der König nach dem Namen des Malers fragte. Auch das
mag hier erwähnt ſein, daß er zu Gneiſenau in freundſchaft-
lichen Beziehungen ſtand und bis in’s Lager hin, über künſtle-
riſche Detailfragen mit ihm correspondirte.

Die Italieniſche Correspondence des Meiſters, jene Reihen-
folge von Briefen, die er von Rom, Neapel und Sicilien aus
an ſeine Schweſter in Kränzlin richtete, iſt bis auf einen Brief
verloren gegangen; in ähnlicher Weiſe wie die Briefe David
Hume’s an ſeine Freundin Msr. Mure verloren gegangen ſind,
(die Köchin hatte dieſe Briefe ſtatt Stroh zum Sengen der Enten
und Gänſe benutzt), ſo ſind wir um dieſe Schinkel-Correspondenz
gekommen — Dienſtmädchenhände haben Ofenfeuer damit gemacht.
Der eine Brief, den wir folgen laſſen, wird zeigen, wie beklagens-
werth der Verluſt iſt. Schinkel war, wo ſein Herz fühlte, des
Wortes in hohem Maße mächtig. Franz Kugler ſagt Folgendes
von ihm: „Wenigen Menſchen war ſo, wie ihm, das Gepräge
des Geiſtes aufgedrückt. Was in ſeiner Erſcheinung anzog und
auf wunderbare Weiſe feſſelte, darf man nicht eben als eine Mit-
gift der Natur bezeichnen. Schinkel war kein ſchöner Mann, aber
der Geiſt der Schönheit, der in ihm lebte, war ſo mächtig und
trat ſo lebendig nach außen, daß man dieſen Widerſpruch der
Form erſt bemerkte, wenn man ſeine Erſcheinung mit kalter Be-
ſonnenheit zergliederte. In ſeinen Bewegungen war ein Adel und
ein Gleichmaß, in ſeinem Munde ein Lächeln, auf ſeiner Stirn

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[66/0084] Berlin in eine Stadt der Schönheit umgeſchaffen und ihm hof- fentlich für immer den Stempel ſeines Geiſtes aufgedrückt hat. Nach Kränzlin hin adreſſirte er auch ſeine Briefe aus Italien, wohin er im Jahre 1803 jene Reiſe antrat, die ſo nachhaltig und entſcheidend auf ſeine Kunſtrichtung einwirkte. Er verwandte zu dieſer Reiſe ſein väterliches Vermögen und den Ertrag eines „Panorama’s von Palermo“, das er für Gropius gemalt hatte. Die Aufmerkſamkeit des Königs erregte er zuerſt im Radziwill’ſchen Hauſe, wo er bei einer der ſtattfindenden Theatervorſtellungen eine Mondſchein-Decoration mit ſo frappanter Wahrheit aufgeſtellt hatte, daß der König nach dem Namen des Malers fragte. Auch das mag hier erwähnt ſein, daß er zu Gneiſenau in freundſchaft- lichen Beziehungen ſtand und bis in’s Lager hin, über künſtle- riſche Detailfragen mit ihm correspondirte. Die Italieniſche Correspondence des Meiſters, jene Reihen- folge von Briefen, die er von Rom, Neapel und Sicilien aus an ſeine Schweſter in Kränzlin richtete, iſt bis auf einen Brief verloren gegangen; in ähnlicher Weiſe wie die Briefe David Hume’s an ſeine Freundin Msr. Mure verloren gegangen ſind, (die Köchin hatte dieſe Briefe ſtatt Stroh zum Sengen der Enten und Gänſe benutzt), ſo ſind wir um dieſe Schinkel-Correspondenz gekommen — Dienſtmädchenhände haben Ofenfeuer damit gemacht. Der eine Brief, den wir folgen laſſen, wird zeigen, wie beklagens- werth der Verluſt iſt. Schinkel war, wo ſein Herz fühlte, des Wortes in hohem Maße mächtig. Franz Kugler ſagt Folgendes von ihm: „Wenigen Menſchen war ſo, wie ihm, das Gepräge des Geiſtes aufgedrückt. Was in ſeiner Erſcheinung anzog und auf wunderbare Weiſe feſſelte, darf man nicht eben als eine Mit- gift der Natur bezeichnen. Schinkel war kein ſchöner Mann, aber der Geiſt der Schönheit, der in ihm lebte, war ſo mächtig und trat ſo lebendig nach außen, daß man dieſen Widerſpruch der Form erſt bemerkte, wenn man ſeine Erſcheinung mit kalter Be- ſonnenheit zergliederte. In ſeinen Bewegungen war ein Adel und ein Gleichmaß, in ſeinem Munde ein Lächeln, auf ſeiner Stirn

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/84>, abgerufen am 24.11.2024.