biographischen Materials fort, das ich im Stande gewesen bin über unsern Helden zu sammeln.
Johann Heinrich's Jugendjahre, die er zunächst im Hause seiner verwittweten Mutter verlebte, scheinen Jahre der Entbehrung gewesen zu sein. Nichtsdestoweniger setzte die Mutter alles daran, ihn für das geistliche Amt zu erziehn, in dem der Vater des Kna- ben bereits Befriedigung und Auszeichnung gefunden hatte. Die Universität Halle bot dazu in mehr als einem Sinne die Mittel. Bald nach Ausbruch des siebenjährigen Krieges, wahrscheinlich im Jahre 1757, trat unser Günther seine theologischen Studien an der berühmten Hochschule an. Aber diese Studien wurden bald unterbrochen. War es, daß die wachsende Noth des Vaterlandes den festen Willen heranreifte, Gut und Blut für die Sache des Königs einzusetzen, oder war es -- wie eine andre Lesart lautet -- die Ueberzeugung, daß vielleicht morgen schon ein Zwang da eintreten würde, wo heute noch die Möglichkeit eines freiwilligen Entschlusses war, gleichviel, der Eintritt in die preußische Armee erfolgte.
Ernst Moritz Arndt, in seinen "Wanderungen und Wande- lungen mit dem Freiherrn v. Stein" erzählt den Hergang nach Mittheilungen, die er dem Geh. Kriegsrath Scheffner (in Königs- berg) zu verdanken scheint, im Wesentlichen wie folgt:
"Bald nach Ausbruch des siebenjährigen Krieges standen vier unter einander befreundete Jünglinge in den Listen der Hochschule Halle eingeschrieben. Sie hießen Scheffner, Neumann, l'Estocq und Günther. Alle vier haben sich später auf verwandtem Felde aus- gezeichnet. Eines Abends beim Commers führte das Gespräch dar- auf hin, daß sie binnen kürzester Frist für die Armee gepreßt und eingekleidet werden würden. Nach einigem Hin- und Hererwägen reifte der Entschluß in ihnen, lieber gleich als Freiwillige in ein berühmtes Husarenregiment einzutreten. Scheffner, nachdem er ehrenvoll gedient, lebte noch 1813 als Kriegs- und Domainen- rath in Königsberg; Neumann wurde durch seine tapfre Ver- theidigung Kosel's, -- l'Estocq durch seinen entscheidenden Angriff
biographiſchen Materials fort, das ich im Stande geweſen bin über unſern Helden zu ſammeln.
Johann Heinrich’s Jugendjahre, die er zunächſt im Hauſe ſeiner verwittweten Mutter verlebte, ſcheinen Jahre der Entbehrung geweſen zu ſein. Nichtsdeſtoweniger ſetzte die Mutter alles daran, ihn für das geiſtliche Amt zu erziehn, in dem der Vater des Kna- ben bereits Befriedigung und Auszeichnung gefunden hatte. Die Univerſität Halle bot dazu in mehr als einem Sinne die Mittel. Bald nach Ausbruch des ſiebenjährigen Krieges, wahrſcheinlich im Jahre 1757, trat unſer Günther ſeine theologiſchen Studien an der berühmten Hochſchule an. Aber dieſe Studien wurden bald unterbrochen. War es, daß die wachſende Noth des Vaterlandes den feſten Willen heranreifte, Gut und Blut für die Sache des Königs einzuſetzen, oder war es — wie eine andre Lesart lautet — die Ueberzeugung, daß vielleicht morgen ſchon ein Zwang da eintreten würde, wo heute noch die Möglichkeit eines freiwilligen Entſchluſſes war, gleichviel, der Eintritt in die preußiſche Armee erfolgte.
Ernſt Moritz Arndt, in ſeinen „Wanderungen und Wande- lungen mit dem Freiherrn v. Stein“ erzählt den Hergang nach Mittheilungen, die er dem Geh. Kriegsrath Scheffner (in Königs- berg) zu verdanken ſcheint, im Weſentlichen wie folgt:
„Bald nach Ausbruch des ſiebenjährigen Krieges ſtanden vier unter einander befreundete Jünglinge in den Liſten der Hochſchule Halle eingeſchrieben. Sie hießen Scheffner, Neumann, l’Eſtocq und Günther. Alle vier haben ſich ſpäter auf verwandtem Felde aus- gezeichnet. Eines Abends beim Commers führte das Geſpräch dar- auf hin, daß ſie binnen kürzeſter Friſt für die Armee gepreßt und eingekleidet werden würden. Nach einigem Hin- und Hererwägen reifte der Entſchluß in ihnen, lieber gleich als Freiwillige in ein berühmtes Huſarenregiment einzutreten. Scheffner, nachdem er ehrenvoll gedient, lebte noch 1813 als Kriegs- und Domainen- rath in Königsberg; Neumann wurde durch ſeine tapfre Ver- theidigung Koſel’s, — l’Eſtocq durch ſeinen entſcheidenden Angriff
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0072"n="54"/>
biographiſchen Materials fort, das ich im Stande geweſen bin<lb/>
über unſern Helden zu ſammeln.</p><lb/><p>Johann Heinrich’s Jugendjahre, die er zunächſt im Hauſe<lb/>ſeiner verwittweten Mutter verlebte, ſcheinen Jahre der Entbehrung<lb/>
geweſen zu ſein. Nichtsdeſtoweniger ſetzte die Mutter alles daran,<lb/>
ihn für das geiſtliche Amt zu erziehn, in dem der Vater des Kna-<lb/>
ben bereits Befriedigung und Auszeichnung gefunden hatte. Die<lb/>
Univerſität Halle bot dazu in mehr als einem Sinne die Mittel.<lb/>
Bald nach Ausbruch des ſiebenjährigen Krieges, wahrſcheinlich im<lb/>
Jahre 1757, trat unſer Günther ſeine theologiſchen Studien an<lb/>
der berühmten Hochſchule an. Aber dieſe Studien wurden bald<lb/>
unterbrochen. War es, daß die wachſende Noth des Vaterlandes<lb/>
den feſten Willen heranreifte, Gut und Blut für die Sache des<lb/>
Königs einzuſetzen, oder war es — wie eine andre Lesart lautet<lb/>— die Ueberzeugung, daß vielleicht morgen ſchon ein <hirendition="#g">Zwang</hi> da<lb/>
eintreten würde, wo heute noch die Möglichkeit eines freiwilligen<lb/>
Entſchluſſes war, gleichviel, der Eintritt in die preußiſche Armee<lb/>
erfolgte.</p><lb/><p>Ernſt Moritz Arndt, in ſeinen „Wanderungen und Wande-<lb/>
lungen mit dem Freiherrn v. Stein“ erzählt den Hergang nach<lb/>
Mittheilungen, die er dem Geh. Kriegsrath Scheffner (in Königs-<lb/>
berg) zu verdanken ſcheint, im Weſentlichen wie folgt:</p><lb/><p>„Bald nach Ausbruch des ſiebenjährigen Krieges ſtanden vier<lb/>
unter einander befreundete Jünglinge in den Liſten der Hochſchule<lb/>
Halle eingeſchrieben. Sie hießen Scheffner, Neumann, l’Eſtocq und<lb/>
Günther. Alle vier haben ſich ſpäter auf verwandtem Felde aus-<lb/>
gezeichnet. Eines Abends beim Commers führte das Geſpräch dar-<lb/>
auf hin, daß ſie binnen kürzeſter Friſt für die Armee gepreßt und<lb/>
eingekleidet werden würden. Nach einigem Hin- und Hererwägen<lb/>
reifte der Entſchluß in ihnen, lieber gleich als Freiwillige in ein<lb/>
berühmtes Huſarenregiment einzutreten. <hirendition="#g">Scheffner</hi>, nachdem er<lb/>
ehrenvoll gedient, lebte noch 1813 als Kriegs- und Domainen-<lb/>
rath in Königsberg; <hirendition="#g">Neumann</hi> wurde durch ſeine tapfre Ver-<lb/>
theidigung Koſel’s, — l’<hirendition="#g">Eſtocq</hi> durch ſeinen entſcheidenden Angriff<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[54/0072]
biographiſchen Materials fort, das ich im Stande geweſen bin
über unſern Helden zu ſammeln.
Johann Heinrich’s Jugendjahre, die er zunächſt im Hauſe
ſeiner verwittweten Mutter verlebte, ſcheinen Jahre der Entbehrung
geweſen zu ſein. Nichtsdeſtoweniger ſetzte die Mutter alles daran,
ihn für das geiſtliche Amt zu erziehn, in dem der Vater des Kna-
ben bereits Befriedigung und Auszeichnung gefunden hatte. Die
Univerſität Halle bot dazu in mehr als einem Sinne die Mittel.
Bald nach Ausbruch des ſiebenjährigen Krieges, wahrſcheinlich im
Jahre 1757, trat unſer Günther ſeine theologiſchen Studien an
der berühmten Hochſchule an. Aber dieſe Studien wurden bald
unterbrochen. War es, daß die wachſende Noth des Vaterlandes
den feſten Willen heranreifte, Gut und Blut für die Sache des
Königs einzuſetzen, oder war es — wie eine andre Lesart lautet
— die Ueberzeugung, daß vielleicht morgen ſchon ein Zwang da
eintreten würde, wo heute noch die Möglichkeit eines freiwilligen
Entſchluſſes war, gleichviel, der Eintritt in die preußiſche Armee
erfolgte.
Ernſt Moritz Arndt, in ſeinen „Wanderungen und Wande-
lungen mit dem Freiherrn v. Stein“ erzählt den Hergang nach
Mittheilungen, die er dem Geh. Kriegsrath Scheffner (in Königs-
berg) zu verdanken ſcheint, im Weſentlichen wie folgt:
„Bald nach Ausbruch des ſiebenjährigen Krieges ſtanden vier
unter einander befreundete Jünglinge in den Liſten der Hochſchule
Halle eingeſchrieben. Sie hießen Scheffner, Neumann, l’Eſtocq und
Günther. Alle vier haben ſich ſpäter auf verwandtem Felde aus-
gezeichnet. Eines Abends beim Commers führte das Geſpräch dar-
auf hin, daß ſie binnen kürzeſter Friſt für die Armee gepreßt und
eingekleidet werden würden. Nach einigem Hin- und Hererwägen
reifte der Entſchluß in ihnen, lieber gleich als Freiwillige in ein
berühmtes Huſarenregiment einzutreten. Scheffner, nachdem er
ehrenvoll gedient, lebte noch 1813 als Kriegs- und Domainen-
rath in Königsberg; Neumann wurde durch ſeine tapfre Ver-
theidigung Koſel’s, — l’Eſtocq durch ſeinen entſcheidenden Angriff
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/72>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.