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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

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schaft mußten aushelfen, die Verpfändungen begannen; so ging
der Glanz des Hauses hin, und mit dem Glanz endlich Ansehn
und -- Liebe. Alles sank hin, zuletzt das Geschlecht selber.

Der letzte war Graf Wichmann, geboren 1503 auf dem
alten Seeschloß zu "Alten Ruppin." Kaum 4 Jahr alt, verlor
er beide Eltern, und nur die Großmutter, Anna Jacobine, eine
geb. Gräfin von Stolberg-Wernigerode, stand neben dem ver-
waisten Kinde. Sie war eine stolze, herrschlustige Frau, und
während Johann von Schlabberndorf, Bischof zu Havelberg,
nur dem Namen nach die Vormundschaft führte, führte sie Anna
Jacobine
in Wirklichkeit. Während der Zeit dieser Vormund-
schaft, im Jahre 1512, fand zu Ruppin auch jenes große mehrfach
beschriebene Turnier statt, das damals im ganzen Lande von sich
reden machte und mit einer Pracht begangen wurde, wie sie weder
in Berlin noch zu Cöllen an der Spree bis dahin gesehen worden
war. Kurfürst Joachim erschien mit einem reichen Gefolge von
bewaffneten Rittern und 300 Speer-Reitern, und mit dem Kur-
fürsten kam sein Bruder, der Kurfürst Albrecht von Mainz. Die
Kurfürstin kam in einer vergoldeten, mit Atlas bedeckten Kutsche
(der ersten, deren in Norddeutschland Erwähnung geschieht) und
wurde von 12 andern Wagen, die mit purpurfarbenen Decken
behangen waren, in welchen "das Hof-Frauenzimmer" saß, be-
gleitet. Ihnen folgten die Herzoge Heinrich und Albrecht von
Mecklenburg, Johann und Heinrich von Sachsen, Philipp von
Braunschweig, die Bischöfe von Havelberg und Brandenburg und
andre Fürsten mehr. Der Kurfürst und der Herzog Albrecht von
Mecklenburg erwiesen sich als die stärksten und gewandtesten beim
Turnier. Da die Bewirthung so vornehmer Gäste wohl nur kleinen
Theils durch die Stadt und vorwiegend aus dem gräflichen Säckel
erfolgte, so ist es nicht unwahrscheinlich, daß die gedachte Ehre den
finanziellen Ruin beschleunigte.

1520 starb der Bischof von Havelberg, und der 17jährige
Wichmann wurde mündig erklärt. Der Druck großmütterlicher
Autorität hatte die rasche Entwicklung seiner Gaben nicht zurück-

ſchaft mußten aushelfen, die Verpfändungen begannen; ſo ging
der Glanz des Hauſes hin, und mit dem Glanz endlich Anſehn
und — Liebe. Alles ſank hin, zuletzt das Geſchlecht ſelber.

Der letzte war Graf Wichmann, geboren 1503 auf dem
alten Seeſchloß zu „Alten Ruppin.“ Kaum 4 Jahr alt, verlor
er beide Eltern, und nur die Großmutter, Anna Jacobine, eine
geb. Gräfin von Stolberg-Wernigerode, ſtand neben dem ver-
waiſten Kinde. Sie war eine ſtolze, herrſchluſtige Frau, und
während Johann von Schlabberndorf, Biſchof zu Havelberg,
nur dem Namen nach die Vormundſchaft führte, führte ſie Anna
Jacobine
in Wirklichkeit. Während der Zeit dieſer Vormund-
ſchaft, im Jahre 1512, fand zu Ruppin auch jenes große mehrfach
beſchriebene Turnier ſtatt, das damals im ganzen Lande von ſich
reden machte und mit einer Pracht begangen wurde, wie ſie weder
in Berlin noch zu Cöllen an der Spree bis dahin geſehen worden
war. Kurfürſt Joachim erſchien mit einem reichen Gefolge von
bewaffneten Rittern und 300 Speer-Reitern, und mit dem Kur-
fürſten kam ſein Bruder, der Kurfürſt Albrecht von Mainz. Die
Kurfürſtin kam in einer vergoldeten, mit Atlas bedeckten Kutſche
(der erſten, deren in Norddeutſchland Erwähnung geſchieht) und
wurde von 12 andern Wagen, die mit purpurfarbenen Decken
behangen waren, in welchen „das Hof-Frauenzimmer“ ſaß, be-
gleitet. Ihnen folgten die Herzoge Heinrich und Albrecht von
Mecklenburg, Johann und Heinrich von Sachſen, Philipp von
Braunſchweig, die Biſchöfe von Havelberg und Brandenburg und
andre Fürſten mehr. Der Kurfürſt und der Herzog Albrecht von
Mecklenburg erwieſen ſich als die ſtärkſten und gewandteſten beim
Turnier. Da die Bewirthung ſo vornehmer Gäſte wohl nur kleinen
Theils durch die Stadt und vorwiegend aus dem gräflichen Säckel
erfolgte, ſo iſt es nicht unwahrſcheinlich, daß die gedachte Ehre den
finanziellen Ruin beſchleunigte.

1520 ſtarb der Biſchof von Havelberg, und der 17jährige
Wichmann wurde mündig erklärt. Der Druck großmütterlicher
Autorität hatte die raſche Entwicklung ſeiner Gaben nicht zurück-

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[36/0054] ſchaft mußten aushelfen, die Verpfändungen begannen; ſo ging der Glanz des Hauſes hin, und mit dem Glanz endlich Anſehn und — Liebe. Alles ſank hin, zuletzt das Geſchlecht ſelber. Der letzte war Graf Wichmann, geboren 1503 auf dem alten Seeſchloß zu „Alten Ruppin.“ Kaum 4 Jahr alt, verlor er beide Eltern, und nur die Großmutter, Anna Jacobine, eine geb. Gräfin von Stolberg-Wernigerode, ſtand neben dem ver- waiſten Kinde. Sie war eine ſtolze, herrſchluſtige Frau, und während Johann von Schlabberndorf, Biſchof zu Havelberg, nur dem Namen nach die Vormundſchaft führte, führte ſie Anna Jacobine in Wirklichkeit. Während der Zeit dieſer Vormund- ſchaft, im Jahre 1512, fand zu Ruppin auch jenes große mehrfach beſchriebene Turnier ſtatt, das damals im ganzen Lande von ſich reden machte und mit einer Pracht begangen wurde, wie ſie weder in Berlin noch zu Cöllen an der Spree bis dahin geſehen worden war. Kurfürſt Joachim erſchien mit einem reichen Gefolge von bewaffneten Rittern und 300 Speer-Reitern, und mit dem Kur- fürſten kam ſein Bruder, der Kurfürſt Albrecht von Mainz. Die Kurfürſtin kam in einer vergoldeten, mit Atlas bedeckten Kutſche (der erſten, deren in Norddeutſchland Erwähnung geſchieht) und wurde von 12 andern Wagen, die mit purpurfarbenen Decken behangen waren, in welchen „das Hof-Frauenzimmer“ ſaß, be- gleitet. Ihnen folgten die Herzoge Heinrich und Albrecht von Mecklenburg, Johann und Heinrich von Sachſen, Philipp von Braunſchweig, die Biſchöfe von Havelberg und Brandenburg und andre Fürſten mehr. Der Kurfürſt und der Herzog Albrecht von Mecklenburg erwieſen ſich als die ſtärkſten und gewandteſten beim Turnier. Da die Bewirthung ſo vornehmer Gäſte wohl nur kleinen Theils durch die Stadt und vorwiegend aus dem gräflichen Säckel erfolgte, ſo iſt es nicht unwahrſcheinlich, daß die gedachte Ehre den finanziellen Ruin beſchleunigte. 1520 ſtarb der Biſchof von Havelberg, und der 17jährige Wichmann wurde mündig erklärt. Der Druck großmütterlicher Autorität hatte die raſche Entwicklung ſeiner Gaben nicht zurück-

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/54>, abgerufen am 24.11.2024.