thümlich genannt, da das Ruppiner Land eine Herrschaft und keine Grafschaft war. Wir aber ohne archäologische Skrupel folgen der später allgemein gewordenen Sitte und sprechen in Nachste- hendem von den "Grafen zu Ruppin."
Die Grafen zu Ruppin waren die mächtigsten Vasallen der brandenburgischen Markgrafen und auch die treusten wohl. In einem Zeitraum von drei Jahrhunderten schwankten sie in ihrer Loyalität nur einmal, und zwar in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, als die Verwirrungen der bairisch-luxembur- gischen Periode durch das Auftreten des falschen Waldemar ihren Gipfelpunkt erreichten.
Die Ruppiner Grafen waren anders wie andre im Lande. War es der Umstand, daß sie als mächtigste Lehnsträger des Landes fast eben so oft neben den Markgrafen und Kurfürsten als unter ihnen standen, oder waren es in Kraft erhaltene Tra- ditionen, ein ererbter Segen aus dem alten Kulturlande Thü- ringen her, gleichviel, ihre Sitte, ihr Auftreten hatte wenig gemein mit der Haltung des halb rauflustigen, halb bäurischen Landadels um sie her, und die Künste des Friedens standen ihnen höher als das Waffenhandwerk, das sich selber Zweck ist, oder gar einem fremden Interesse dient.
"Streitbare Grafen" comites bellicosissimi, werden sie zwar gelegentlich in alten Urkunden genannt, und die Geschichte (wie nicht verschwiegen werden soll) erzählt von einzelnen, die auf der lombardischen Ebene oder auch auf den Haiden von Schonen und Schleswig als Krieger geglänzt hätten, aber das Glück war ihnen selten hold und schien sie durch Nicht-Erfolge belehren zu wollen, daß ihr Schlachtfeld ein anderes sei. Sie waren mit am Cremmer Damm (1331) und wurden geschlagen; sie unterlagen in vielfachen Fehden mit den Pommerherzögen, und Graf Otto, der tapferste unter den Ruppiner Grafen, der bei Falköping an der Seite des Schweden-Königs Albrecht gegen die "schwarze Margarethe" stritt, theilte das Schicksal seines Königlichen Freundes (eines geborenen Herzogs von Mecklenburg) und wurde geschlagen
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thümlich genannt, da das Ruppiner Land eine Herrſchaft und keine Grafſchaft war. Wir aber ohne archäologiſche Skrupel folgen der ſpäter allgemein gewordenen Sitte und ſprechen in Nachſte- hendem von den „Grafen zu Ruppin.“
Die Grafen zu Ruppin waren die mächtigſten Vaſallen der brandenburgiſchen Markgrafen und auch die treuſten wohl. In einem Zeitraum von drei Jahrhunderten ſchwankten ſie in ihrer Loyalität nur einmal, und zwar in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, als die Verwirrungen der bairiſch-luxembur- giſchen Periode durch das Auftreten des falſchen Waldemar ihren Gipfelpunkt erreichten.
Die Ruppiner Grafen waren anders wie andre im Lande. War es der Umſtand, daß ſie als mächtigſte Lehnsträger des Landes faſt eben ſo oft neben den Markgrafen und Kurfürſten als unter ihnen ſtanden, oder waren es in Kraft erhaltene Tra- ditionen, ein ererbter Segen aus dem alten Kulturlande Thü- ringen her, gleichviel, ihre Sitte, ihr Auftreten hatte wenig gemein mit der Haltung des halb raufluſtigen, halb bäuriſchen Landadels um ſie her, und die Künſte des Friedens ſtanden ihnen höher als das Waffenhandwerk, das ſich ſelber Zweck iſt, oder gar einem fremden Intereſſe dient.
„Streitbare Grafen“ comites bellicosissimi, werden ſie zwar gelegentlich in alten Urkunden genannt, und die Geſchichte (wie nicht verſchwiegen werden ſoll) erzählt von einzelnen, die auf der lombardiſchen Ebene oder auch auf den Haiden von Schonen und Schleswig als Krieger geglänzt hätten, aber das Glück war ihnen ſelten hold und ſchien ſie durch Nicht-Erfolge belehren zu wollen, daß ihr Schlachtfeld ein anderes ſei. Sie waren mit am Cremmer Damm (1331) und wurden geſchlagen; ſie unterlagen in vielfachen Fehden mit den Pommerherzögen, und Graf Otto, der tapferſte unter den Ruppiner Grafen, der bei Falköping an der Seite des Schweden-Königs Albrecht gegen die „ſchwarze Margarethe“ ſtritt, theilte das Schickſal ſeines Königlichen Freundes (eines geborenen Herzogs von Mecklenburg) und wurde geſchlagen
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thümlich genannt, da das Ruppiner Land eine Herrſchaft und
keine Grafſchaft war. Wir aber ohne archäologiſche Skrupel folgen
der ſpäter allgemein gewordenen Sitte und ſprechen in Nachſte-
hendem von den „Grafen zu Ruppin.“
Die Grafen zu Ruppin waren die mächtigſten Vaſallen der
brandenburgiſchen Markgrafen und auch die treuſten wohl. In
einem Zeitraum von drei Jahrhunderten ſchwankten ſie in ihrer
Loyalität nur einmal, und zwar in der zweiten Hälfte des
14. Jahrhunderts, als die Verwirrungen der bairiſch-luxembur-
giſchen Periode durch das Auftreten des falſchen Waldemar ihren
Gipfelpunkt erreichten.
Die Ruppiner Grafen waren anders wie andre im Lande.
War es der Umſtand, daß ſie als mächtigſte Lehnsträger des
Landes faſt eben ſo oft neben den Markgrafen und Kurfürſten
als unter ihnen ſtanden, oder waren es in Kraft erhaltene Tra-
ditionen, ein ererbter Segen aus dem alten Kulturlande Thü-
ringen her, gleichviel, ihre Sitte, ihr Auftreten hatte wenig gemein
mit der Haltung des halb raufluſtigen, halb bäuriſchen Landadels
um ſie her, und die Künſte des Friedens ſtanden ihnen höher
als das Waffenhandwerk, das ſich ſelber Zweck iſt, oder gar einem
fremden Intereſſe dient.
„Streitbare Grafen“ comites bellicosissimi, werden ſie
zwar gelegentlich in alten Urkunden genannt, und die Geſchichte
(wie nicht verſchwiegen werden ſoll) erzählt von einzelnen, die auf
der lombardiſchen Ebene oder auch auf den Haiden von Schonen
und Schleswig als Krieger geglänzt hätten, aber das Glück war
ihnen ſelten hold und ſchien ſie durch Nicht-Erfolge belehren zu
wollen, daß ihr Schlachtfeld ein anderes ſei. Sie waren mit am
Cremmer Damm (1331) und wurden geſchlagen; ſie unterlagen
in vielfachen Fehden mit den Pommerherzögen, und Graf Otto,
der tapferſte unter den Ruppiner Grafen, der bei Falköping an
der Seite des Schweden-Königs Albrecht gegen die „ſchwarze
Margarethe“ ſtritt, theilte das Schickſal ſeines Königlichen Freundes
(eines geborenen Herzogs von Mecklenburg) und wurde geſchlagen
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Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/51>, abgerufen am 24.11.2024.
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