ganzen Preußenlande, König Friedrich Wilhelm II. besitze kein zweites Denkmal. Wenn dem so ist, dann um so besser, daß keine politische Erwägung, keine moralische Ueberhebung mit zu Rathe saß, als vor etwa 30 Jahren bürgerliche Dankbarkeit einfach aus- sprach: "Wir schulden ihm ein Denkmal, weil er unser Wohl- thäter war, und gedenken diese Schuld zu zahlen." Die Statue, in etwas mehr denn Lebensgröße, ist eine Arbeit Friedrich Tiecks. Gedanklich ist sie ziemlich unbedeutend und alltäglich; zeigt aber doch in Form und Haltung jenes Maß und jene Einfachheit, die, wo andre Vorzüge fehlen, selbst schon als Vorzug gelten mögen.
Mehr als dies Denkmal nimmt unsre Aufmerksamkeit die alte Klosterkirche in Anspruch, die sich an der Ostseite der Stadt, in unmittelbarer Nähe des See's erhebt und das einzige Gebäude von Bedeutung ist, das von dem großen Feuer von 1787 ver- schont wurde. Diese Klosterkirche ist ein alter, in gothischem Stile aufgeführter Backsteinbau aus dem Jahre 1253; sie gehörte zu dem unmittelbar daneben gelegenen Dominicaner-Kloster, von dem, seit Restaurirung der Kirche, auch die letzten Spuren verschwunden sind. Ueber diese Restaurirung giebt eine die halbe Wand des Kirchenschiffs bedeckende Inschrift folgende Auskunft: "Dieses Gottes- haus wurde seit dem Jahre 1806 wiederholt durch feindliche Trup- pen entweiht und verfiel während des Krieges dergestalt, daß es über 30 Jahre nicht für den öffentlichen Gottesdienst benutzt wer- den konnte. Durch Königliche Gnadenwohlthat wurde dieses erhabene Denkmal ächt Deutscher Kunst und Frömmigkeit seiner eigentlichen Bestimmung zurückgegeben, indem es auf Befehl Sr. Majestät Friedrich Wilhelm's III. wiederhergestellt und in Gegenwart Sr. Majestät unseres jetzt regierenden Königs Friedrich Wilhelm IV. feierlich eingeweiht wurde am 16. Mai 1841."
Ueber dieser Inschrift befindet sich eine andere aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, worin die Ueberweisung dieser Kirche seitens des Kurfürsten Joachim II. an die Stadt Ruppin ausge- sprochen wird. Noch andere Inschriften, theils in Deutscher, theils
ganzen Preußenlande, König Friedrich Wilhelm II. beſitze kein zweites Denkmal. Wenn dem ſo iſt, dann um ſo beſſer, daß keine politiſche Erwägung, keine moraliſche Ueberhebung mit zu Rathe ſaß, als vor etwa 30 Jahren bürgerliche Dankbarkeit einfach aus- ſprach: „Wir ſchulden ihm ein Denkmal, weil er unſer Wohl- thäter war, und gedenken dieſe Schuld zu zahlen.“ Die Statue, in etwas mehr denn Lebensgröße, iſt eine Arbeit Friedrich Tiecks. Gedanklich iſt ſie ziemlich unbedeutend und alltäglich; zeigt aber doch in Form und Haltung jenes Maß und jene Einfachheit, die, wo andre Vorzüge fehlen, ſelbſt ſchon als Vorzug gelten mögen.
Mehr als dies Denkmal nimmt unſre Aufmerkſamkeit die alte Kloſterkirche in Anſpruch, die ſich an der Oſtſeite der Stadt, in unmittelbarer Nähe des See’s erhebt und das einzige Gebäude von Bedeutung iſt, das von dem großen Feuer von 1787 ver- ſchont wurde. Dieſe Kloſterkirche iſt ein alter, in gothiſchem Stile aufgeführter Backſteinbau aus dem Jahre 1253; ſie gehörte zu dem unmittelbar daneben gelegenen Dominicaner-Kloſter, von dem, ſeit Reſtaurirung der Kirche, auch die letzten Spuren verſchwunden ſind. Ueber dieſe Reſtaurirung giebt eine die halbe Wand des Kirchenſchiffs bedeckende Inſchrift folgende Auskunft: „Dieſes Gottes- haus wurde ſeit dem Jahre 1806 wiederholt durch feindliche Trup- pen entweiht und verfiel während des Krieges dergeſtalt, daß es über 30 Jahre nicht für den öffentlichen Gottesdienſt benutzt wer- den konnte. Durch Königliche Gnadenwohlthat wurde dieſes erhabene Denkmal ächt Deutſcher Kunſt und Frömmigkeit ſeiner eigentlichen Beſtimmung zurückgegeben, indem es auf Befehl Sr. Majeſtät Friedrich Wilhelm’s III. wiederhergeſtellt und in Gegenwart Sr. Majeſtät unſeres jetzt regierenden Königs Friedrich Wilhelm IV. feierlich eingeweiht wurde am 16. Mai 1841.“
Ueber dieſer Inſchrift befindet ſich eine andere aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, worin die Ueberweiſung dieſer Kirche ſeitens des Kurfürſten Joachim II. an die Stadt Ruppin ausge- ſprochen wird. Noch andere Inſchriften, theils in Deutſcher, theils
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0047"n="29"/>
ganzen Preußenlande, König Friedrich Wilhelm <hirendition="#aq">II.</hi> beſitze kein<lb/>
zweites Denkmal. Wenn dem ſo iſt, dann um ſo beſſer, daß keine<lb/>
politiſche Erwägung, keine moraliſche Ueberhebung mit zu Rathe<lb/>ſaß, als vor etwa 30 Jahren bürgerliche Dankbarkeit einfach aus-<lb/>ſprach: „Wir ſchulden ihm ein Denkmal, weil er unſer Wohl-<lb/>
thäter war, und gedenken dieſe Schuld zu zahlen.“ Die Statue,<lb/>
in etwas mehr denn Lebensgröße, iſt eine Arbeit Friedrich Tiecks.<lb/>
Gedanklich iſt ſie ziemlich unbedeutend und alltäglich; zeigt aber<lb/>
doch in Form und Haltung jenes Maß und jene Einfachheit,<lb/>
die, wo andre Vorzüge fehlen, ſelbſt ſchon als Vorzug gelten<lb/>
mögen.</p><lb/><p>Mehr als dies Denkmal nimmt unſre Aufmerkſamkeit die<lb/>
alte <hirendition="#g">Kloſterkirche</hi> in Anſpruch, die ſich an der Oſtſeite der Stadt,<lb/>
in unmittelbarer Nähe des See’s erhebt und das einzige Gebäude<lb/>
von Bedeutung iſt, das von dem großen Feuer von 1787 ver-<lb/>ſchont wurde. Dieſe Kloſterkirche iſt ein alter, in gothiſchem Stile<lb/>
aufgeführter Backſteinbau aus dem Jahre 1253; ſie gehörte zu<lb/>
dem unmittelbar daneben gelegenen Dominicaner-Kloſter, von dem,<lb/>ſeit Reſtaurirung der Kirche, auch die letzten Spuren verſchwunden<lb/>ſind. Ueber dieſe Reſtaurirung giebt eine die halbe Wand des<lb/>
Kirchenſchiffs bedeckende Inſchrift folgende Auskunft: „Dieſes Gottes-<lb/>
haus wurde ſeit dem Jahre 1806 wiederholt durch feindliche Trup-<lb/>
pen entweiht und verfiel während des Krieges dergeſtalt, daß es<lb/>
über 30 Jahre nicht für den öffentlichen Gottesdienſt benutzt wer-<lb/>
den konnte. Durch Königliche Gnadenwohlthat wurde dieſes erhabene<lb/>
Denkmal ächt Deutſcher Kunſt und Frömmigkeit ſeiner eigentlichen<lb/>
Beſtimmung zurückgegeben, indem es auf Befehl Sr. Majeſtät<lb/>
Friedrich Wilhelm’s <hirendition="#aq">III.</hi> wiederhergeſtellt und in Gegenwart Sr.<lb/>
Majeſtät unſeres jetzt regierenden Königs Friedrich Wilhelm <hirendition="#aq">IV.</hi><lb/>
feierlich eingeweiht wurde am 16. Mai 1841.“</p><lb/><p>Ueber dieſer Inſchrift befindet ſich eine andere aus der zweiten<lb/>
Hälfte des 16. Jahrhunderts, worin die Ueberweiſung dieſer Kirche<lb/>ſeitens des Kurfürſten Joachim <hirendition="#aq">II.</hi> an die Stadt Ruppin ausge-<lb/>ſprochen wird. Noch andere Inſchriften, theils in Deutſcher, theils<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[29/0047]
ganzen Preußenlande, König Friedrich Wilhelm II. beſitze kein
zweites Denkmal. Wenn dem ſo iſt, dann um ſo beſſer, daß keine
politiſche Erwägung, keine moraliſche Ueberhebung mit zu Rathe
ſaß, als vor etwa 30 Jahren bürgerliche Dankbarkeit einfach aus-
ſprach: „Wir ſchulden ihm ein Denkmal, weil er unſer Wohl-
thäter war, und gedenken dieſe Schuld zu zahlen.“ Die Statue,
in etwas mehr denn Lebensgröße, iſt eine Arbeit Friedrich Tiecks.
Gedanklich iſt ſie ziemlich unbedeutend und alltäglich; zeigt aber
doch in Form und Haltung jenes Maß und jene Einfachheit,
die, wo andre Vorzüge fehlen, ſelbſt ſchon als Vorzug gelten
mögen.
Mehr als dies Denkmal nimmt unſre Aufmerkſamkeit die
alte Kloſterkirche in Anſpruch, die ſich an der Oſtſeite der Stadt,
in unmittelbarer Nähe des See’s erhebt und das einzige Gebäude
von Bedeutung iſt, das von dem großen Feuer von 1787 ver-
ſchont wurde. Dieſe Kloſterkirche iſt ein alter, in gothiſchem Stile
aufgeführter Backſteinbau aus dem Jahre 1253; ſie gehörte zu
dem unmittelbar daneben gelegenen Dominicaner-Kloſter, von dem,
ſeit Reſtaurirung der Kirche, auch die letzten Spuren verſchwunden
ſind. Ueber dieſe Reſtaurirung giebt eine die halbe Wand des
Kirchenſchiffs bedeckende Inſchrift folgende Auskunft: „Dieſes Gottes-
haus wurde ſeit dem Jahre 1806 wiederholt durch feindliche Trup-
pen entweiht und verfiel während des Krieges dergeſtalt, daß es
über 30 Jahre nicht für den öffentlichen Gottesdienſt benutzt wer-
den konnte. Durch Königliche Gnadenwohlthat wurde dieſes erhabene
Denkmal ächt Deutſcher Kunſt und Frömmigkeit ſeiner eigentlichen
Beſtimmung zurückgegeben, indem es auf Befehl Sr. Majeſtät
Friedrich Wilhelm’s III. wiederhergeſtellt und in Gegenwart Sr.
Majeſtät unſeres jetzt regierenden Königs Friedrich Wilhelm IV.
feierlich eingeweiht wurde am 16. Mai 1841.“
Ueber dieſer Inſchrift befindet ſich eine andere aus der zweiten
Hälfte des 16. Jahrhunderts, worin die Ueberweiſung dieſer Kirche
ſeitens des Kurfürſten Joachim II. an die Stadt Ruppin ausge-
ſprochen wird. Noch andere Inſchriften, theils in Deutſcher, theils
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/47>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.