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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

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Zieten im Jahre 1854 starb, hatte er testamentarisch den ältesten Sohn
seiner Nichte, also seinen Großneffen, Henning v. Schwerin, zum
Universal-Erben eingesetzt. Henning v. Schwerin starb schon 1858 und
Wustrau ging nun auf Hennings jüngern Bruder Albert Julius
v. Schwerin über, der das Jahr darauf (1859) unter dem Namen v. Zie-
ten-Schwerin
in den Grafenstand erhoben wurde.

(Der Gotha'sche Kalender macht in seiner Auseinandersetzung an
betreffender Stelle einen Fehler, indem er Henning v. Schwerin --
und natürlich auch dessen Bruder Albert -- einen Neffen des letz-
ten Zieten nennt; beide sind vielmehr Großneffen. Der Irrthum
kommt wohl daher, daß sie Neffen des Lögower Zieten (des jün-
geren, kinderlos verstorbenen), des Bruders ihrer Mutter sind, aber
eben deshalb Großneffen des letzten Zieten auf Wustrau.)

2. Wustrau zeigt nur wenig noch von der alten Viertheilung des
Guts; aber die alten Namen haben sich wenigstens theilweis noch erhal-
ten. Das Herrenhaus, das Hans v. Zieten in der zweiten Hälfte des
vorigen Jahrhunderts baute, steht inmitten zweier Gärten, von denen der
vordere, nach dem See hin gelegen, bis diesen Tag noch der Rohr'sche,
der andre der Gühlen'sche heißt. Das alte Zieten'sche Herrenhaus stand
wahrscheinlich an ganz anderer Stelle. Im Rohr'schen Garten befindet
sich noch, wenige Schritte vom See entfernt, das ehemalig Rohr'sche
Herrenhaus, ein alter Fachwerkbau, der jetzt theils als Gärtnerwohnung,
theils als Orangeriehaus dient und im ersten Stock eine Art Rüst- und
Antiquitäten-Kammer enthält. Das Haus ist interessant, einmal dadurch,
daß es uns zeigt, wie schlicht und anspruchslos der Landadel damals
lebte, andrerseits durch die Ornamentirung, die Graf Zieten in den letzten
20 oder 30 Jahren demselben gegeben hat. Als die alte Perleberger Dom-
kirche um die eben angegebene Zeit restaurirt und der alte Schmuck be-
seitigt wurde, kaufte Graf Zieten allerhand Glasmalereien und Holzschnitz-
werk, namentlich Heiligenbilder und Engelsfiguren auf und begann mit
Hülfe derselben die Facaden und die Fenster des alten Rohrschen Herren-
hauses zu schmücken. Er liebte solche Schnurren (wenn er sie, ohne be-
sondren Kostenaufwand, haben konnte) und mochte seine kleine Freude in
der Vorstellung haben: "wie werden sich die Archäologen der Zukunft
nach 100 oder 200 Jahren über diese Facade mit Engelsfiguren die Köpfe
zerbrechen?" Er mochte davon ausgehn, daß sie nicht mehr davon ver-
stünden als er selbst.

Die Rüst- und Antiquitäten-Kammer ist von sehr ungleichem Werth;
Gleichgültiges und Alltägliches steht neben wirklichen Raritäten. Das
Sehenswertheste ist ein kleiner Holzaltar, vielleicht von 4 Fuß Höhe, der zwi-
schen seinen beiden Säulchen ein ziemlich gut gemaltes Heiligenbild trägt.
Wahrscheinlich stellt es eine heilig gesprochene schlesische Fürstin (die hei-
lige Hedwig) dar, denn dies Frauenbild, voll schöner Milde im Ausdruck,

Zieten im Jahre 1854 ſtarb, hatte er teſtamentariſch den älteſten Sohn
ſeiner Nichte, alſo ſeinen Großneffen, Henning v. Schwerin, zum
Univerſal-Erben eingeſetzt. Henning v. Schwerin ſtarb ſchon 1858 und
Wuſtrau ging nun auf Hennings jüngern Bruder Albert Julius
v. Schwerin über, der das Jahr darauf (1859) unter dem Namen v. Zie-
ten-Schwerin
in den Grafenſtand erhoben wurde.

(Der Gotha’ſche Kalender macht in ſeiner Auseinanderſetzung an
betreffender Stelle einen Fehler, indem er Henning v. Schwerin —
und natürlich auch deſſen Bruder Albert — einen Neffen des letz-
ten Zieten nennt; beide ſind vielmehr Großneffen. Der Irrthum
kommt wohl daher, daß ſie Neffen des Lögower Zieten (des jün-
geren, kinderlos verſtorbenen), des Bruders ihrer Mutter ſind, aber
eben deshalb Großneffen des letzten Zieten auf Wuſtrau.)

2. Wuſtrau zeigt nur wenig noch von der alten Viertheilung des
Guts; aber die alten Namen haben ſich wenigſtens theilweis noch erhal-
ten. Das Herrenhaus, das Hans v. Zieten in der zweiten Hälfte des
vorigen Jahrhunderts baute, ſteht inmitten zweier Gärten, von denen der
vordere, nach dem See hin gelegen, bis dieſen Tag noch der Rohr’ſche,
der andre der Gühlen’ſche heißt. Das alte Zieten’ſche Herrenhaus ſtand
wahrſcheinlich an ganz anderer Stelle. Im Rohr’ſchen Garten befindet
ſich noch, wenige Schritte vom See entfernt, das ehemalig Rohr’ſche
Herrenhaus, ein alter Fachwerkbau, der jetzt theils als Gärtnerwohnung,
theils als Orangeriehaus dient und im erſten Stock eine Art Rüſt- und
Antiquitäten-Kammer enthält. Das Haus iſt intereſſant, einmal dadurch,
daß es uns zeigt, wie ſchlicht und anſpruchslos der Landadel damals
lebte, andrerſeits durch die Ornamentirung, die Graf Zieten in den letzten
20 oder 30 Jahren demſelben gegeben hat. Als die alte Perleberger Dom-
kirche um die eben angegebene Zeit reſtaurirt und der alte Schmuck be-
ſeitigt wurde, kaufte Graf Zieten allerhand Glasmalereien und Holzſchnitz-
werk, namentlich Heiligenbilder und Engelsfiguren auf und begann mit
Hülfe derſelben die Façaden und die Fenſter des alten Rohrſchen Herren-
hauſes zu ſchmücken. Er liebte ſolche Schnurren (wenn er ſie, ohne be-
ſondren Koſtenaufwand, haben konnte) und mochte ſeine kleine Freude in
der Vorſtellung haben: „wie werden ſich die Archäologen der Zukunft
nach 100 oder 200 Jahren über dieſe Façade mit Engelsfiguren die Köpfe
zerbrechen?“ Er mochte davon ausgehn, daß ſie nicht mehr davon ver-
ſtünden als er ſelbſt.

Die Rüſt- und Antiquitäten-Kammer iſt von ſehr ungleichem Werth;
Gleichgültiges und Alltägliches ſteht neben wirklichen Raritäten. Das
Sehenswertheſte iſt ein kleiner Holzaltar, vielleicht von 4 Fuß Höhe, der zwi-
ſchen ſeinen beiden Säulchen ein ziemlich gut gemaltes Heiligenbild trägt.
Wahrſcheinlich ſtellt es eine heilig geſprochene ſchleſiſche Fürſtin (die hei-
lige Hedwig) dar, denn dies Frauenbild, voll ſchöner Milde im Ausdruck,

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[440/0458] Zieten im Jahre 1854 ſtarb, hatte er teſtamentariſch den älteſten Sohn ſeiner Nichte, alſo ſeinen Großneffen, Henning v. Schwerin, zum Univerſal-Erben eingeſetzt. Henning v. Schwerin ſtarb ſchon 1858 und Wuſtrau ging nun auf Hennings jüngern Bruder Albert Julius v. Schwerin über, der das Jahr darauf (1859) unter dem Namen v. Zie- ten-Schwerin in den Grafenſtand erhoben wurde. (Der Gotha’ſche Kalender macht in ſeiner Auseinanderſetzung an betreffender Stelle einen Fehler, indem er Henning v. Schwerin — und natürlich auch deſſen Bruder Albert — einen Neffen des letz- ten Zieten nennt; beide ſind vielmehr Großneffen. Der Irrthum kommt wohl daher, daß ſie Neffen des Lögower Zieten (des jün- geren, kinderlos verſtorbenen), des Bruders ihrer Mutter ſind, aber eben deshalb Großneffen des letzten Zieten auf Wuſtrau.) 2. Wuſtrau zeigt nur wenig noch von der alten Viertheilung des Guts; aber die alten Namen haben ſich wenigſtens theilweis noch erhal- ten. Das Herrenhaus, das Hans v. Zieten in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts baute, ſteht inmitten zweier Gärten, von denen der vordere, nach dem See hin gelegen, bis dieſen Tag noch der Rohr’ſche, der andre der Gühlen’ſche heißt. Das alte Zieten’ſche Herrenhaus ſtand wahrſcheinlich an ganz anderer Stelle. Im Rohr’ſchen Garten befindet ſich noch, wenige Schritte vom See entfernt, das ehemalig Rohr’ſche Herrenhaus, ein alter Fachwerkbau, der jetzt theils als Gärtnerwohnung, theils als Orangeriehaus dient und im erſten Stock eine Art Rüſt- und Antiquitäten-Kammer enthält. Das Haus iſt intereſſant, einmal dadurch, daß es uns zeigt, wie ſchlicht und anſpruchslos der Landadel damals lebte, andrerſeits durch die Ornamentirung, die Graf Zieten in den letzten 20 oder 30 Jahren demſelben gegeben hat. Als die alte Perleberger Dom- kirche um die eben angegebene Zeit reſtaurirt und der alte Schmuck be- ſeitigt wurde, kaufte Graf Zieten allerhand Glasmalereien und Holzſchnitz- werk, namentlich Heiligenbilder und Engelsfiguren auf und begann mit Hülfe derſelben die Façaden und die Fenſter des alten Rohrſchen Herren- hauſes zu ſchmücken. Er liebte ſolche Schnurren (wenn er ſie, ohne be- ſondren Koſtenaufwand, haben konnte) und mochte ſeine kleine Freude in der Vorſtellung haben: „wie werden ſich die Archäologen der Zukunft nach 100 oder 200 Jahren über dieſe Façade mit Engelsfiguren die Köpfe zerbrechen?“ Er mochte davon ausgehn, daß ſie nicht mehr davon ver- ſtünden als er ſelbſt. Die Rüſt- und Antiquitäten-Kammer iſt von ſehr ungleichem Werth; Gleichgültiges und Alltägliches ſteht neben wirklichen Raritäten. Das Sehenswertheſte iſt ein kleiner Holzaltar, vielleicht von 4 Fuß Höhe, der zwi- ſchen ſeinen beiden Säulchen ein ziemlich gut gemaltes Heiligenbild trägt. Wahrſcheinlich ſtellt es eine heilig geſprochene ſchleſiſche Fürſtin (die hei- lige Hedwig) dar, denn dies Frauenbild, voll ſchöner Milde im Ausdruck,

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 440. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/458>, abgerufen am 27.11.2024.