überwältigt von der Tapferkeit des Alten, ihn seinen "Paladin" genannt. Das Alles wurde gelesen heut und noch viel mehr. Denn auch die letzten Jahre des alten Helden kamen heute zu ihrem Recht. In Friedersdorf, das er gekauft und aus Asche und Trüm- mern neu aufgeführt, saß der alte Kriegsmann vor seinem Schloß und freute sich des göttlichen Segens, der Sonne von oben und des Wohlstands um ihn her; beides wärmte und labte sein Herz. Von Zeit zu Zeit kam Besuch, ein Wagen hielt auf der Rampe und ein alter Weißbart mit leuchtenden Augen stieg aus, gefolgt von Töchtern und Enkeln. Es war, als käme der Winter und brächte den Frühling mit. Das waren die Gusower; der alte Derfflin- ger kam zum alten Goertzke. Unter einer weitzweigigen Rothbuche nahmen Beide Platz, und die alten Kämpen, die immer Nachbarn gewesen waren, auf den Schlachtfeldern sonst und mit ihren Acker- feldern jetzt, gedachten der alten Zeit und der alten Namen. Auch am 30. März 1682 hielt der Wagen auf der Rampe von Frie- dersdorf, und der alte Derfflinger kam zum letzten Male zum alten Goertzke. Glocken klangen und Kanonen wurden gelöst; der Achtzigjährige war gekommen, um den Siebzigjährigen in die Gruft zu senken. In der Mitte der Friedersdorfer Kirche ruht die leib- liche Hülle des "Paladin;" neben dem Altar aber steht hochauf- gerichtet sein steinern Bild und schaut fromm und muthig drein, wie es einem brandenburgischen Kriegsmanne geziemt. --
Der Vorleser schwieg. Der König war dem Vortrage auf- merksam gefolgt. "Ich weiß, daß die Goertzke's noch immer die alten sind; die Erfolge stehen bei Gott, aber Muth und Treue stehen bei uns."
Die Tafel ward aufgehoben; im Gartensaal wurde es still, bald auch in Haus und Dorf. Der König schlief inmitten seiner Treuen wie jener "reichste Fürst," den der Dichter besungen, und wenn Gebete und Segenswünsche Macht haben über die Traum- welt, so war sein Traum wie ein Lied, das Nachts vom See her an's ferne Ufer klingt.
überwältigt von der Tapferkeit des Alten, ihn ſeinen „Paladin“ genannt. Das Alles wurde geleſen heut und noch viel mehr. Denn auch die letzten Jahre des alten Helden kamen heute zu ihrem Recht. In Friedersdorf, das er gekauft und aus Aſche und Trüm- mern neu aufgeführt, ſaß der alte Kriegsmann vor ſeinem Schloß und freute ſich des göttlichen Segens, der Sonne von oben und des Wohlſtands um ihn her; beides wärmte und labte ſein Herz. Von Zeit zu Zeit kam Beſuch, ein Wagen hielt auf der Rampe und ein alter Weißbart mit leuchtenden Augen ſtieg aus, gefolgt von Töchtern und Enkeln. Es war, als käme der Winter und brächte den Frühling mit. Das waren die Guſower; der alte Derfflin- ger kam zum alten Goertzke. Unter einer weitzweigigen Rothbuche nahmen Beide Platz, und die alten Kämpen, die immer Nachbarn geweſen waren, auf den Schlachtfeldern ſonſt und mit ihren Acker- feldern jetzt, gedachten der alten Zeit und der alten Namen. Auch am 30. März 1682 hielt der Wagen auf der Rampe von Frie- dersdorf, und der alte Derfflinger kam zum letzten Male zum alten Goertzke. Glocken klangen und Kanonen wurden gelöſt; der Achtzigjährige war gekommen, um den Siebzigjährigen in die Gruft zu ſenken. In der Mitte der Friedersdorfer Kirche ruht die leib- liche Hülle des „Paladin;“ neben dem Altar aber ſteht hochauf- gerichtet ſein ſteinern Bild und ſchaut fromm und muthig drein, wie es einem brandenburgiſchen Kriegsmanne geziemt. —
Der Vorleſer ſchwieg. Der König war dem Vortrage auf- merkſam gefolgt. „Ich weiß, daß die Goertzke’s noch immer die alten ſind; die Erfolge ſtehen bei Gott, aber Muth und Treue ſtehen bei uns.“
Die Tafel ward aufgehoben; im Gartenſaal wurde es ſtill, bald auch in Haus und Dorf. Der König ſchlief inmitten ſeiner Treuen wie jener „reichſte Fürſt,“ den der Dichter beſungen, und wenn Gebete und Segenswünſche Macht haben über die Traum- welt, ſo war ſein Traum wie ein Lied, das Nachts vom See her an’s ferne Ufer klingt.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0438"n="420"/>
überwältigt von der Tapferkeit des Alten, ihn ſeinen „Paladin“<lb/>
genannt. Das Alles wurde geleſen heut und noch viel mehr. Denn<lb/>
auch die letzten Jahre des alten Helden kamen heute zu ihrem<lb/>
Recht. In Friedersdorf, das er gekauft und aus Aſche und Trüm-<lb/>
mern neu aufgeführt, ſaß der alte Kriegsmann vor ſeinem Schloß<lb/>
und freute ſich des göttlichen Segens, der Sonne von oben und des<lb/>
Wohlſtands um ihn her; beides wärmte und labte ſein Herz. Von<lb/>
Zeit zu Zeit kam Beſuch, ein Wagen hielt auf der Rampe und<lb/>
ein alter Weißbart mit leuchtenden Augen ſtieg aus, gefolgt von<lb/>
Töchtern und Enkeln. Es war, als käme der Winter und brächte<lb/>
den Frühling mit. Das waren die Guſower; der alte <hirendition="#g">Derfflin-<lb/>
ger</hi> kam zum alten <hirendition="#g">Goertzke</hi>. Unter einer weitzweigigen Rothbuche<lb/>
nahmen Beide Platz, und die alten Kämpen, die <hirendition="#g">immer</hi> Nachbarn<lb/>
geweſen waren, auf den Schlachtfeldern <hirendition="#g">ſonſt</hi> und mit ihren Acker-<lb/>
feldern <hirendition="#g">jetzt</hi>, gedachten der alten Zeit und der alten Namen. Auch<lb/>
am 30. März 1682 hielt der Wagen auf der Rampe von Frie-<lb/>
dersdorf, und der alte Derfflinger kam zum letzten Male zum<lb/>
alten Goertzke. Glocken klangen und Kanonen wurden gelöſt; der<lb/>
Achtzigjährige war gekommen, um den Siebzigjährigen in die Gruft<lb/>
zu ſenken. In der Mitte der Friedersdorfer Kirche ruht die leib-<lb/>
liche Hülle des „Paladin;“ neben dem Altar aber ſteht hochauf-<lb/>
gerichtet ſein ſteinern Bild und ſchaut fromm und muthig drein,<lb/>
wie es einem brandenburgiſchen Kriegsmanne geziemt. —</p><lb/><p>Der Vorleſer ſchwieg. Der <hirendition="#g">König</hi> war dem Vortrage auf-<lb/>
merkſam gefolgt. „Ich weiß, daß die Goertzke’s noch immer die<lb/>
alten ſind; die Erfolge ſtehen bei Gott, aber Muth und Treue<lb/>ſtehen bei uns.“</p><lb/><p>Die Tafel ward aufgehoben; im Gartenſaal wurde es ſtill,<lb/>
bald auch in Haus und Dorf. Der König ſchlief inmitten ſeiner<lb/>
Treuen wie jener „reichſte Fürſt,“ den der Dichter beſungen, und<lb/>
wenn Gebete und Segenswünſche Macht haben über die Traum-<lb/>
welt, ſo war ſein Traum wie ein Lied, das Nachts vom See her<lb/>
an’s ferne Ufer klingt.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div></div></body></text></TEI>
[420/0438]
überwältigt von der Tapferkeit des Alten, ihn ſeinen „Paladin“
genannt. Das Alles wurde geleſen heut und noch viel mehr. Denn
auch die letzten Jahre des alten Helden kamen heute zu ihrem
Recht. In Friedersdorf, das er gekauft und aus Aſche und Trüm-
mern neu aufgeführt, ſaß der alte Kriegsmann vor ſeinem Schloß
und freute ſich des göttlichen Segens, der Sonne von oben und des
Wohlſtands um ihn her; beides wärmte und labte ſein Herz. Von
Zeit zu Zeit kam Beſuch, ein Wagen hielt auf der Rampe und
ein alter Weißbart mit leuchtenden Augen ſtieg aus, gefolgt von
Töchtern und Enkeln. Es war, als käme der Winter und brächte
den Frühling mit. Das waren die Guſower; der alte Derfflin-
ger kam zum alten Goertzke. Unter einer weitzweigigen Rothbuche
nahmen Beide Platz, und die alten Kämpen, die immer Nachbarn
geweſen waren, auf den Schlachtfeldern ſonſt und mit ihren Acker-
feldern jetzt, gedachten der alten Zeit und der alten Namen. Auch
am 30. März 1682 hielt der Wagen auf der Rampe von Frie-
dersdorf, und der alte Derfflinger kam zum letzten Male zum
alten Goertzke. Glocken klangen und Kanonen wurden gelöſt; der
Achtzigjährige war gekommen, um den Siebzigjährigen in die Gruft
zu ſenken. In der Mitte der Friedersdorfer Kirche ruht die leib-
liche Hülle des „Paladin;“ neben dem Altar aber ſteht hochauf-
gerichtet ſein ſteinern Bild und ſchaut fromm und muthig drein,
wie es einem brandenburgiſchen Kriegsmanne geziemt. —
Der Vorleſer ſchwieg. Der König war dem Vortrage auf-
merkſam gefolgt. „Ich weiß, daß die Goertzke’s noch immer die
alten ſind; die Erfolge ſtehen bei Gott, aber Muth und Treue
ſtehen bei uns.“
Die Tafel ward aufgehoben; im Gartenſaal wurde es ſtill,
bald auch in Haus und Dorf. Der König ſchlief inmitten ſeiner
Treuen wie jener „reichſte Fürſt,“ den der Dichter beſungen, und
wenn Gebete und Segenswünſche Macht haben über die Traum-
welt, ſo war ſein Traum wie ein Lied, das Nachts vom See her
an’s ferne Ufer klingt.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 420. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/438>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.