sich zwischen den einzelnen Baumstämmen aus, und ein Kahn, der halb verborgen im Schilf liegt, unterhält die Verbindung zwischen Insel und Ufer.
Das war im Februar 1414. Damals waren die Hohen- zollern fremd in märkischen Landen; beinahe feindlich zogen sie ein. Es ist anders geworden seitdem. Dieselben Familien, die da- mals am festesten widerstanden, haben seitdem sich als die treuesten bewährt, und die alten Rittersitze, vor denen die "faule Grete" ihr lautes Wort sprechen mußte, sind längst die Sitze unwandel- barer Treue und Loyalität geworden. Auch Schloß Beuthen. Die Burg ist hin; aber zu Füßen derselben sind Dörfer und Herrensitze entstanden, die den alten Namen der Burg tragen (Groß- und Klein-Beuthen) und die Goertzke's, die seit 250 Jahren diese friedlichen Dörfer ihr eigen nennen, sind Alles, nur keine Goswin von Bredelows mehr, die Burg oder Schloß Beuthen für die Quitzow's halten und sich's "überlegen wollen," wenn ein Hohenzoller Einlaß begehrt.
Es sind nun 5 Jahre, daß ein Hohenzoller wieder 'mal Ein- laß begehrte und seinen Einzug hielt in Groß-Beuthen. Versuch' ich, diesen Tag zu beschreiben.
Die Augustsonne fällt auf das Herrenhaus, das am Ausgang des Dorfes liegt. Der alte Thorweg, der von der Dorfstraße direct auf den Hof führt, ist zu einer Blumenpforte geworden und auf den Steinpfeilern rechts und links wehen die preußischen Fah- nen. Das Herrenhaus selbst ist das alte nicht mehr; die einfach weißgetünchten Wände blicken nur hier und da aus der Umrah- mung von Festons und Guirlanden hervor, und die Aufgangs- treppe verbirgt ihr schlichtes Geländer hinter einem Walde von hohem Schilf. Aus der weit offen stehenden Thür lugt von Zeit zu Zeit ein Mädchenkopf hervor und blickt über den Hof hin in die Dorfstraße hinein und jede Miene und Bewegung drückt die Frage aus, "ob sie kommen?" Aber sie kommen noch immer nicht. Die Alten schreiten auf und ab und vergleichen mechanisch die Taschenuhr mit der Wanduhr, -- dem einzigen Schlagwerk, das
ſich zwiſchen den einzelnen Baumſtämmen aus, und ein Kahn, der halb verborgen im Schilf liegt, unterhält die Verbindung zwiſchen Inſel und Ufer.
Das war im Februar 1414. Damals waren die Hohen- zollern fremd in märkiſchen Landen; beinahe feindlich zogen ſie ein. Es iſt anders geworden ſeitdem. Dieſelben Familien, die da- mals am feſteſten widerſtanden, haben ſeitdem ſich als die treueſten bewährt, und die alten Ritterſitze, vor denen die „faule Grete“ ihr lautes Wort ſprechen mußte, ſind längſt die Sitze unwandel- barer Treue und Loyalität geworden. Auch Schloß Beuthen. Die Burg iſt hin; aber zu Füßen derſelben ſind Dörfer und Herrenſitze entſtanden, die den alten Namen der Burg tragen (Groß- und Klein-Beuthen) und die Goertzke’s, die ſeit 250 Jahren dieſe friedlichen Dörfer ihr eigen nennen, ſind Alles, nur keine Goswin von Bredelows mehr, die Burg oder Schloß Beuthen für die Quitzow’s halten und ſich’s „überlegen wollen,“ wenn ein Hohenzoller Einlaß begehrt.
Es ſind nun 5 Jahre, daß ein Hohenzoller wieder ’mal Ein- laß begehrte und ſeinen Einzug hielt in Groß-Beuthen. Verſuch’ ich, dieſen Tag zu beſchreiben.
Die Auguſtſonne fällt auf das Herrenhaus, das am Ausgang des Dorfes liegt. Der alte Thorweg, der von der Dorfſtraße direct auf den Hof führt, iſt zu einer Blumenpforte geworden und auf den Steinpfeilern rechts und links wehen die preußiſchen Fah- nen. Das Herrenhaus ſelbſt iſt das alte nicht mehr; die einfach weißgetünchten Wände blicken nur hier und da aus der Umrah- mung von Feſtons und Guirlanden hervor, und die Aufgangs- treppe verbirgt ihr ſchlichtes Geländer hinter einem Walde von hohem Schilf. Aus der weit offen ſtehenden Thür lugt von Zeit zu Zeit ein Mädchenkopf hervor und blickt über den Hof hin in die Dorfſtraße hinein und jede Miene und Bewegung drückt die Frage aus, „ob ſie kommen?“ Aber ſie kommen noch immer nicht. Die Alten ſchreiten auf und ab und vergleichen mechaniſch die Taſchenuhr mit der Wanduhr, — dem einzigen Schlagwerk, das
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ſich zwiſchen den einzelnen Baumſtämmen aus, und ein Kahn, der
halb verborgen im Schilf liegt, unterhält die Verbindung zwiſchen
Inſel und Ufer.
Das war im Februar 1414. Damals waren die Hohen-
zollern fremd in märkiſchen Landen; beinahe feindlich zogen ſie
ein. Es iſt anders geworden ſeitdem. Dieſelben Familien, die da-
mals am feſteſten widerſtanden, haben ſeitdem ſich als die treueſten
bewährt, und die alten Ritterſitze, vor denen die „faule Grete“
ihr lautes Wort ſprechen mußte, ſind längſt die Sitze unwandel-
barer Treue und Loyalität geworden. Auch Schloß Beuthen.
Die Burg iſt hin; aber zu Füßen derſelben ſind Dörfer und
Herrenſitze entſtanden, die den alten Namen der Burg tragen
(Groß- und Klein-Beuthen) und die Goertzke’s, die ſeit 250
Jahren dieſe friedlichen Dörfer ihr eigen nennen, ſind Alles, nur
keine Goswin von Bredelows mehr, die Burg oder Schloß Beuthen
für die Quitzow’s halten und ſich’s „überlegen wollen,“ wenn ein
Hohenzoller Einlaß begehrt.
Es ſind nun 5 Jahre, daß ein Hohenzoller wieder ’mal Ein-
laß begehrte und ſeinen Einzug hielt in Groß-Beuthen. Verſuch’
ich, dieſen Tag zu beſchreiben.
Die Auguſtſonne fällt auf das Herrenhaus, das am Ausgang
des Dorfes liegt. Der alte Thorweg, der von der Dorfſtraße
direct auf den Hof führt, iſt zu einer Blumenpforte geworden und
auf den Steinpfeilern rechts und links wehen die preußiſchen Fah-
nen. Das Herrenhaus ſelbſt iſt das alte nicht mehr; die einfach
weißgetünchten Wände blicken nur hier und da aus der Umrah-
mung von Feſtons und Guirlanden hervor, und die Aufgangs-
treppe verbirgt ihr ſchlichtes Geländer hinter einem Walde von
hohem Schilf. Aus der weit offen ſtehenden Thür lugt von Zeit
zu Zeit ein Mädchenkopf hervor und blickt über den Hof hin in
die Dorfſtraße hinein und jede Miene und Bewegung drückt die
Frage aus, „ob ſie kommen?“ Aber ſie kommen noch immer nicht.
Die Alten ſchreiten auf und ab und vergleichen mechaniſch die
Taſchenuhr mit der Wanduhr, — dem einzigen Schlagwerk, das
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 416. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/434>, abgerufen am 23.11.2024.
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