Verwundung, die er empfing, veranlaßten ihn im Jahre 1800, seinen Abschied zu nehmen. Ruppin war ihm lieb geworden, und er verblieb als Bürger in einem Kreise, in dem er als Offizier eine Reihe glücklicher Jahre verlebt hatte. So kamen die Tage von Jena und Auerstädt; die Marken, alles Land diesseit der Oder wurde von preußischen Truppen geräumt, und das Land lag offen und widerstandslos vor dem nachrückenden Feinde da. Am Tage Aller Heiligen traf in Ruppin die Nachricht ein, daß die Franzosen anrückten. Was thun? Wer hatte den Muth und die Fähigkeit, die Stadt zu vertreten? Eine Wahl war bald ge- troffen, wo nur Einer gewählt werden konnte. Alle Stimmen vereinigten sich auf Knesebeck; man gab ihm eine Art dictatorischer Gewalt und vertraute das Wohl der Stadt seiner Geschicklichkeit und dem Glück seiner Hand.
Der Abend dämmerte und Pistolenschüsse verkündeten die An- kunft französischer Chasseurs. Knesebeck ging ihnen entgegen. "Qui vive?" "Un citoyen du bourg", antwortete Knesebeck und verlangte den commandirenden Offizier zu sprechen. Dieser gab sich als einen Marquis de Custine zu erkennen. Knesebeck er- öffnete ihm, daß die Stadt offen, ohne Besatzung und arm, trotz ihrer Armuth aber zu einem "douceur" bereit sei. Das wirkte. "Ah, Monsieur savait traiter avec les soldats", erwiederte der Marquis lächelnd mit befriedigtem Gesicht, und man einigte sich alsbald über 100 Louisd'or. Die Franzosen zogen ein, und die Summe wurde gezahlt.
War auf diese Weise Plünderung und Gewaltthat glücklich abgewandt, so sicherte Knesebeck's Geistesgegenwart wenige Wochen später die Stadt vor einer noch drohenderen Gefahr. Das Gerücht hatte sich verbreitet: "die Franzosen seien geschlagen worden", und den guten Ruppinern begann der Kamm zu schwellen. Detachements französischer Truppen passirten die Stadt, dann und wann auch Personen von Rang; warum sollte man sie ruhig und ungehindert ziehen lassen? waren es nicht Feinde? So beschloß man, den "kleinen Krieg" zu organisiren und wegzufangen, was sich fangen
Verwundung, die er empfing, veranlaßten ihn im Jahre 1800, ſeinen Abſchied zu nehmen. Ruppin war ihm lieb geworden, und er verblieb als Bürger in einem Kreiſe, in dem er als Offizier eine Reihe glücklicher Jahre verlebt hatte. So kamen die Tage von Jena und Auerſtädt; die Marken, alles Land dieſſeit der Oder wurde von preußiſchen Truppen geräumt, und das Land lag offen und widerſtandslos vor dem nachrückenden Feinde da. Am Tage Aller Heiligen traf in Ruppin die Nachricht ein, daß die Franzoſen anrückten. Was thun? Wer hatte den Muth und die Fähigkeit, die Stadt zu vertreten? Eine Wahl war bald ge- troffen, wo nur Einer gewählt werden konnte. Alle Stimmen vereinigten ſich auf Kneſebeck; man gab ihm eine Art dictatoriſcher Gewalt und vertraute das Wohl der Stadt ſeiner Geſchicklichkeit und dem Glück ſeiner Hand.
Der Abend dämmerte und Piſtolenſchüſſe verkündeten die An- kunft franzöſiſcher Chaſſeurs. Kneſebeck ging ihnen entgegen. „Qui vive?“ „Un citoyen du bourg“, antwortete Kneſebeck und verlangte den commandirenden Offizier zu ſprechen. Dieſer gab ſich als einen Marquis de Cuſtine zu erkennen. Kneſebeck er- öffnete ihm, daß die Stadt offen, ohne Beſatzung und arm, trotz ihrer Armuth aber zu einem „douceur“ bereit ſei. Das wirkte. „Ah, Monsieur savait traiter avec les soldats“, erwiederte der Marquis lächelnd mit befriedigtem Geſicht, und man einigte ſich alsbald über 100 Louisd’or. Die Franzoſen zogen ein, und die Summe wurde gezahlt.
War auf dieſe Weiſe Plünderung und Gewaltthat glücklich abgewandt, ſo ſicherte Kneſebeck’s Geiſtesgegenwart wenige Wochen ſpäter die Stadt vor einer noch drohenderen Gefahr. Das Gerücht hatte ſich verbreitet: „die Franzoſen ſeien geſchlagen worden“, und den guten Ruppinern begann der Kamm zu ſchwellen. Detachements franzöſiſcher Truppen paſſirten die Stadt, dann und wann auch Perſonen von Rang; warum ſollte man ſie ruhig und ungehindert ziehen laſſen? waren es nicht Feinde? So beſchloß man, den „kleinen Krieg“ zu organiſiren und wegzufangen, was ſich fangen
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Verwundung, die er empfing, veranlaßten ihn im Jahre 1800,
ſeinen Abſchied zu nehmen. Ruppin war ihm lieb geworden, und
er verblieb als Bürger in einem Kreiſe, in dem er als Offizier
eine Reihe glücklicher Jahre verlebt hatte. So kamen die Tage
von Jena und Auerſtädt; die Marken, alles Land dieſſeit der
Oder wurde von preußiſchen Truppen geräumt, und das Land
lag offen und widerſtandslos vor dem nachrückenden Feinde da.
Am Tage Aller Heiligen traf in Ruppin die Nachricht ein, daß
die Franzoſen anrückten. Was thun? Wer hatte den Muth und
die Fähigkeit, die Stadt zu vertreten? Eine Wahl war bald ge-
troffen, wo nur Einer gewählt werden konnte. Alle Stimmen
vereinigten ſich auf Kneſebeck; man gab ihm eine Art dictatoriſcher
Gewalt und vertraute das Wohl der Stadt ſeiner Geſchicklichkeit
und dem Glück ſeiner Hand.
Der Abend dämmerte und Piſtolenſchüſſe verkündeten die An-
kunft franzöſiſcher Chaſſeurs. Kneſebeck ging ihnen entgegen.
„Qui vive?“ „Un citoyen du bourg“, antwortete Kneſebeck
und verlangte den commandirenden Offizier zu ſprechen. Dieſer
gab ſich als einen Marquis de Cuſtine zu erkennen. Kneſebeck er-
öffnete ihm, daß die Stadt offen, ohne Beſatzung und arm, trotz
ihrer Armuth aber zu einem „douceur“ bereit ſei. Das wirkte.
„Ah, Monsieur savait traiter avec les soldats“, erwiederte
der Marquis lächelnd mit befriedigtem Geſicht, und man einigte
ſich alsbald über 100 Louisd’or. Die Franzoſen zogen ein, und
die Summe wurde gezahlt.
War auf dieſe Weiſe Plünderung und Gewaltthat glücklich
abgewandt, ſo ſicherte Kneſebeck’s Geiſtesgegenwart wenige Wochen
ſpäter die Stadt vor einer noch drohenderen Gefahr. Das Gerücht hatte
ſich verbreitet: „die Franzoſen ſeien geſchlagen worden“, und den
guten Ruppinern begann der Kamm zu ſchwellen. Detachements
franzöſiſcher Truppen paſſirten die Stadt, dann und wann auch
Perſonen von Rang; warum ſollte man ſie ruhig und ungehindert
ziehen laſſen? waren es nicht Feinde? So beſchloß man, den
„kleinen Krieg“ zu organiſiren und wegzufangen, was ſich fangen
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 407. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/425>, abgerufen am 23.11.2024.
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