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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

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viel zur Hebung des Guts, baute das jetzige Herrenhaus, starb
aber früher als sein älterer Bruder, dem nun, da keine Kinder
da waren, die schöne Besitzung zufiel. Dieser Bruder war ein
Original, gescheidt, tapfer, nüchtern und phantastisch zugleich. Er
war Major bei den "gelben Reitern" gewesen, die in Zehdenick
standen, hatte aber den Dienst quittirt, theils seiner schweren Bles-
suren, vorzüglich aber seiner Studien halber, denen er sich ruhiger
und ausschließlicher widmen wollte, als es der Dienst gestattete.
Er studirte den Kant und correspondirte mit ihm. 1800 übernahm
er Löwenbruch. Er war die absolute Bedürfnißlosigkeit, eine völlig
auf das Geistige gestellte Natur -- unsere Tage des Materialis-
mus würden ihm schwerlich gefallen haben. Er trug jahraus jahr-
ein einen Leinwand-Anzug (auch der alte Zieten in Wustrau war
so gekleidet), den er nur ablegte, wenn er sich auf Besuch nach
Berlin begab. Dies geschah alle Jahr ein Mal und zwar auf 4
Wochen. Er stieg dann in Krause's Kaffeehaus ab (dem jetzigen
Hotel de Brandebourg) und verbrachte die ganze Zeit mit Conver-
sation und Schachspiel. Nach dieser Berührung mit der Welt, zu
der er sich eigentlich nur entschloß, um sein großes Geschick im
Schachspiel nicht einrosten zu lassen, begab er sich wieder in seine
Einsamkeit zurück, um sich an Büchern und -- Wasser auf's
Neue aufzurichten. Er war ein Vorläufer der Hydropathie. Perso-
nen, die ihn noch gekannt haben, sagen aus, daß er sich in Was-
ser (incredibile dictu) berauscht habe; vielleicht nahm man ge-
wisse Excentricitäten für Rausch. Er hatte eine trunkene Seele.
Auch eine Mischung von Donquichoterie und Eulenspiegelei, viel-
leicht eine bloße Querköpfigkeit, blieb nicht aus. Als er vom Aus-
bruch des Krieges hörte, ließ er den Thurm abtragen, damit das
Dorf von vorüberziehenden Kriegsschaaren nicht bemerkt werden
möge. Mit leidenschaftlichem Eifer verfolgte er die Napoleonischen
Kriegs- und Siegeszüge. Als der Krieg von 1805 begann, der
mit dem Tage von Austerlitz endigte, sagte er den Ausgang des
Kampfes vorher, auch den herannahenden Sturz der preußischen
Monarchie. Dieser eine Gedanke beschäftigte ihn Tag und Nacht

viel zur Hebung des Guts, baute das jetzige Herrenhaus, ſtarb
aber früher als ſein älterer Bruder, dem nun, da keine Kinder
da waren, die ſchöne Beſitzung zufiel. Dieſer Bruder war ein
Original, geſcheidt, tapfer, nüchtern und phantaſtiſch zugleich. Er
war Major bei den „gelben Reitern“ geweſen, die in Zehdenick
ſtanden, hatte aber den Dienſt quittirt, theils ſeiner ſchweren Bleſ-
ſuren, vorzüglich aber ſeiner Studien halber, denen er ſich ruhiger
und ausſchließlicher widmen wollte, als es der Dienſt geſtattete.
Er ſtudirte den Kant und correſpondirte mit ihm. 1800 übernahm
er Löwenbruch. Er war die abſolute Bedürfnißloſigkeit, eine völlig
auf das Geiſtige geſtellte Natur — unſere Tage des Materialis-
mus würden ihm ſchwerlich gefallen haben. Er trug jahraus jahr-
ein einen Leinwand-Anzug (auch der alte Zieten in Wuſtrau war
ſo gekleidet), den er nur ablegte, wenn er ſich auf Beſuch nach
Berlin begab. Dies geſchah alle Jahr ein Mal und zwar auf 4
Wochen. Er ſtieg dann in Krauſe’s Kaffeehaus ab (dem jetzigen
Hotel de Brandebourg) und verbrachte die ganze Zeit mit Conver-
ſation und Schachſpiel. Nach dieſer Berührung mit der Welt, zu
der er ſich eigentlich nur entſchloß, um ſein großes Geſchick im
Schachſpiel nicht einroſten zu laſſen, begab er ſich wieder in ſeine
Einſamkeit zurück, um ſich an Büchern und — Waſſer auf’s
Neue aufzurichten. Er war ein Vorläufer der Hydropathie. Perſo-
nen, die ihn noch gekannt haben, ſagen aus, daß er ſich in Waſ-
ſer (incredibile dictu) berauſcht habe; vielleicht nahm man ge-
wiſſe Excentricitäten für Rauſch. Er hatte eine trunkene Seele.
Auch eine Miſchung von Donquichoterie und Eulenſpiegelei, viel-
leicht eine bloße Querköpfigkeit, blieb nicht aus. Als er vom Aus-
bruch des Krieges hörte, ließ er den Thurm abtragen, damit das
Dorf von vorüberziehenden Kriegsſchaaren nicht bemerkt werden
möge. Mit leidenſchaftlichem Eifer verfolgte er die Napoleoniſchen
Kriegs- und Siegeszüge. Als der Krieg von 1805 begann, der
mit dem Tage von Auſterlitz endigte, ſagte er den Ausgang des
Kampfes vorher, auch den herannahenden Sturz der preußiſchen
Monarchie. Dieſer eine Gedanke beſchäftigte ihn Tag und Nacht

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[405/0423] viel zur Hebung des Guts, baute das jetzige Herrenhaus, ſtarb aber früher als ſein älterer Bruder, dem nun, da keine Kinder da waren, die ſchöne Beſitzung zufiel. Dieſer Bruder war ein Original, geſcheidt, tapfer, nüchtern und phantaſtiſch zugleich. Er war Major bei den „gelben Reitern“ geweſen, die in Zehdenick ſtanden, hatte aber den Dienſt quittirt, theils ſeiner ſchweren Bleſ- ſuren, vorzüglich aber ſeiner Studien halber, denen er ſich ruhiger und ausſchließlicher widmen wollte, als es der Dienſt geſtattete. Er ſtudirte den Kant und correſpondirte mit ihm. 1800 übernahm er Löwenbruch. Er war die abſolute Bedürfnißloſigkeit, eine völlig auf das Geiſtige geſtellte Natur — unſere Tage des Materialis- mus würden ihm ſchwerlich gefallen haben. Er trug jahraus jahr- ein einen Leinwand-Anzug (auch der alte Zieten in Wuſtrau war ſo gekleidet), den er nur ablegte, wenn er ſich auf Beſuch nach Berlin begab. Dies geſchah alle Jahr ein Mal und zwar auf 4 Wochen. Er ſtieg dann in Krauſe’s Kaffeehaus ab (dem jetzigen Hotel de Brandebourg) und verbrachte die ganze Zeit mit Conver- ſation und Schachſpiel. Nach dieſer Berührung mit der Welt, zu der er ſich eigentlich nur entſchloß, um ſein großes Geſchick im Schachſpiel nicht einroſten zu laſſen, begab er ſich wieder in ſeine Einſamkeit zurück, um ſich an Büchern und — Waſſer auf’s Neue aufzurichten. Er war ein Vorläufer der Hydropathie. Perſo- nen, die ihn noch gekannt haben, ſagen aus, daß er ſich in Waſ- ſer (incredibile dictu) berauſcht habe; vielleicht nahm man ge- wiſſe Excentricitäten für Rauſch. Er hatte eine trunkene Seele. Auch eine Miſchung von Donquichoterie und Eulenſpiegelei, viel- leicht eine bloße Querköpfigkeit, blieb nicht aus. Als er vom Aus- bruch des Krieges hörte, ließ er den Thurm abtragen, damit das Dorf von vorüberziehenden Kriegsſchaaren nicht bemerkt werden möge. Mit leidenſchaftlichem Eifer verfolgte er die Napoleoniſchen Kriegs- und Siegeszüge. Als der Krieg von 1805 begann, der mit dem Tage von Auſterlitz endigte, ſagte er den Ausgang des Kampfes vorher, auch den herannahenden Sturz der preußiſchen Monarchie. Dieſer eine Gedanke beſchäftigte ihn Tag und Nacht

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 405. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/423>, abgerufen am 23.11.2024.