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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

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Denn der Landmann unterhält eine natürliche Abneigung gegen
den Städter, dessen überhebliches Wesen ihn verdrießt und dessen
Erlassen und Gesetzen er mißtraut. "Der Städter weiß nichts vom
Land," das ist ein Satz, der sich von Vater auf Sohn vererbt.

Bis in sein hohes Mannesalter blieb Geist v. Beeren un-
verheirathet und führte ein wüstes, sittenloses Leben. Er hielt
einen völligen Harem um sich her. Von seiner "Favoritin" hatte
er einen Sohn, der des Vaters würdig war und zwei Mal das
ganze Gehöft anzündete und in Asche legte. Geist v. Beeren indeß
nahm keinen Anstoß daran (vielleicht weil er sich selbst in dem
Allen wieder erkannte) und ging damit um, diesen Sohn zu
adoptiren. Dazu war die Einwilligung seines (des alten Geist)
einzigen Bruders nöthig, der als General in preußischen Diensten
stand und in Erscheinung und Sinnesart die volle Kehrseite un-
seres Helden und Kobolds bildete. Er kommandirte die spätern
brandenburger Kürassiere, nach ihm "von Beeren-Kürassiere" ge-
nannt. Der General verweigerte seine Einwilligung. Geist von
Beeren war nicht der Mann, das ruhig hinzunehmen. Er beschloß
jetzt, sich zu verheirathen, lediglich seinem Bruder zum Tort. Der
Harem wurde mit großen Kosten aufgelöst; dann vermählte sich
Geist mit einem Fräulein v. Eyssenhardt, mit der er jedoch nur
wenige Jahre verheirathet war. Er selbst starb 1812 und hinter-
ließ eine einzige Tochter. Auch sie starb jung. Das plötzliche Er-
löschen der Familie, wie aller Unsegen, der theils vor, theils nach
dem Tode des alten Geist alle Angehörigen des Hauses betraf,
wird mit folgender Familiensage in Verbindung gebracht. Es ist
das die Sage vom "Allerhühnchen."

Vor mehreren Hundert Jahren war eine Frau von Beeren
eines Kindleins glücklich genesen. In einem großen Himmelbett,
dessen Gardinen halb geöffnet waren, lag die junge Frau, neben
sich die Wiege mit dem Kinde, und verfolgte in träumerischem
Spiel die Schatten, die in dem spärlich erleuchteten Zimmer an
Wand und Decke auf und ab tanzten. Plötzlich bemerkte sie, daß
es unter dem Kachelofen, der auf vier schweren Holzfüßen stand,

Denn der Landmann unterhält eine natürliche Abneigung gegen
den Städter, deſſen überhebliches Weſen ihn verdrießt und deſſen
Erlaſſen und Geſetzen er mißtraut. „Der Städter weiß nichts vom
Land,“ das iſt ein Satz, der ſich von Vater auf Sohn vererbt.

Bis in ſein hohes Mannesalter blieb Geiſt v. Beeren un-
verheirathet und führte ein wüſtes, ſittenloſes Leben. Er hielt
einen völligen Harem um ſich her. Von ſeiner „Favoritin“ hatte
er einen Sohn, der des Vaters würdig war und zwei Mal das
ganze Gehöft anzündete und in Aſche legte. Geiſt v. Beeren indeß
nahm keinen Anſtoß daran (vielleicht weil er ſich ſelbſt in dem
Allen wieder erkannte) und ging damit um, dieſen Sohn zu
adoptiren. Dazu war die Einwilligung ſeines (des alten Geiſt)
einzigen Bruders nöthig, der als General in preußiſchen Dienſten
ſtand und in Erſcheinung und Sinnesart die volle Kehrſeite un-
ſeres Helden und Kobolds bildete. Er kommandirte die ſpätern
brandenburger Küraſſiere, nach ihm „von Beeren-Küraſſiere“ ge-
nannt. Der General verweigerte ſeine Einwilligung. Geiſt von
Beeren war nicht der Mann, das ruhig hinzunehmen. Er beſchloß
jetzt, ſich zu verheirathen, lediglich ſeinem Bruder zum Tort. Der
Harem wurde mit großen Koſten aufgelöſt; dann vermählte ſich
Geiſt mit einem Fräulein v. Eyſſenhardt, mit der er jedoch nur
wenige Jahre verheirathet war. Er ſelbſt ſtarb 1812 und hinter-
ließ eine einzige Tochter. Auch ſie ſtarb jung. Das plötzliche Er-
löſchen der Familie, wie aller Unſegen, der theils vor, theils nach
dem Tode des alten Geiſt alle Angehörigen des Hauſes betraf,
wird mit folgender Familienſage in Verbindung gebracht. Es iſt
das die Sage vom „Allerhühnchen.“

Vor mehreren Hundert Jahren war eine Frau von Beeren
eines Kindleins glücklich geneſen. In einem großen Himmelbett,
deſſen Gardinen halb geöffnet waren, lag die junge Frau, neben
ſich die Wiege mit dem Kinde, und verfolgte in träumeriſchem
Spiel die Schatten, die in dem ſpärlich erleuchteten Zimmer an
Wand und Decke auf und ab tanzten. Plötzlich bemerkte ſie, daß
es unter dem Kachelofen, der auf vier ſchweren Holzfüßen ſtand,

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[398/0416] Denn der Landmann unterhält eine natürliche Abneigung gegen den Städter, deſſen überhebliches Weſen ihn verdrießt und deſſen Erlaſſen und Geſetzen er mißtraut. „Der Städter weiß nichts vom Land,“ das iſt ein Satz, der ſich von Vater auf Sohn vererbt. Bis in ſein hohes Mannesalter blieb Geiſt v. Beeren un- verheirathet und führte ein wüſtes, ſittenloſes Leben. Er hielt einen völligen Harem um ſich her. Von ſeiner „Favoritin“ hatte er einen Sohn, der des Vaters würdig war und zwei Mal das ganze Gehöft anzündete und in Aſche legte. Geiſt v. Beeren indeß nahm keinen Anſtoß daran (vielleicht weil er ſich ſelbſt in dem Allen wieder erkannte) und ging damit um, dieſen Sohn zu adoptiren. Dazu war die Einwilligung ſeines (des alten Geiſt) einzigen Bruders nöthig, der als General in preußiſchen Dienſten ſtand und in Erſcheinung und Sinnesart die volle Kehrſeite un- ſeres Helden und Kobolds bildete. Er kommandirte die ſpätern brandenburger Küraſſiere, nach ihm „von Beeren-Küraſſiere“ ge- nannt. Der General verweigerte ſeine Einwilligung. Geiſt von Beeren war nicht der Mann, das ruhig hinzunehmen. Er beſchloß jetzt, ſich zu verheirathen, lediglich ſeinem Bruder zum Tort. Der Harem wurde mit großen Koſten aufgelöſt; dann vermählte ſich Geiſt mit einem Fräulein v. Eyſſenhardt, mit der er jedoch nur wenige Jahre verheirathet war. Er ſelbſt ſtarb 1812 und hinter- ließ eine einzige Tochter. Auch ſie ſtarb jung. Das plötzliche Er- löſchen der Familie, wie aller Unſegen, der theils vor, theils nach dem Tode des alten Geiſt alle Angehörigen des Hauſes betraf, wird mit folgender Familienſage in Verbindung gebracht. Es iſt das die Sage vom „Allerhühnchen.“ Vor mehreren Hundert Jahren war eine Frau von Beeren eines Kindleins glücklich geneſen. In einem großen Himmelbett, deſſen Gardinen halb geöffnet waren, lag die junge Frau, neben ſich die Wiege mit dem Kinde, und verfolgte in träumeriſchem Spiel die Schatten, die in dem ſpärlich erleuchteten Zimmer an Wand und Decke auf und ab tanzten. Plötzlich bemerkte ſie, daß es unter dem Kachelofen, der auf vier ſchweren Holzfüßen ſtand,

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 398. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/416>, abgerufen am 23.11.2024.