lehnen, in seinen alten Tagen nach einem neuen Princip auf Jagd zu gehen.
Bei anderer Gelegenheit beschwerte sich Herr v. Hake, daß er bei Passirung einer Brücke, für deren Instandhaltung Geist Sorge tragen mußte, mit seinem Justitiarius Buchholz eingebrochen sei. Geist replicirte: "über die Brücke würden täglich 26 seiner schwer- sten Ochsen getrieben, und niemals habe er gehört, daß einer der- selben irgendwie Schaden genommen hätte; es sei mindestens eine auffallende Erscheinung, daß gerade Herr v. Hake mit seinem Ju- stitiarius durchgebrochen sei." Herr v. Hake hatte nicht Lust, den Streit ruhen zu lassen und ging an die Gerichte. Als Geist eine Vorladung empfing, erschien er mit der Brücke, die er abtragen und als corpus delicti auf einen Holzwagen hatte laden lassen, vor'm Kammergericht in Berlin und ersuchte die Räthe, sich durch Ocular-Inspection von der Richtigkeit seiner Aussagen zu über- zeugen! --
Einen viel lebhafteren Groll unterhielt er gegen Alles, was sich "Regierung" oder "Behörde" nannte und mit der Miene der Autorität gegen ihn auftreten wollte. Die alte Registratur des Kammergerichts, das er in seinen Eingaben gelegentlich "hochpreis- liches Jammergericht" anzureden liebte, soll davon zu erzählen wissen. Seine Fehden mit dem Pupillen-Collegium (dessen Namen er nicht müde wurde in der wunderlichsten Weise zu kürzen und zu verunstalten!) sind theils bekannt geworden, theils liegen sie jenseit aller Mittheilungsmöglichkeit -- wiewohl man dem humoristischen Uebermuth gegenüber, der sich in allen seinen Schnur- ren zu erkennen giebt, eigentlich jedes Anstandsbedenken aufgeben und der derben Laune sich freuen sollte.
Neben dem Pupillen-Collegium hatte Niemand mehr als die Potsdamer Regierung unter seinen Sarkasmen zu leiden. Jede Schwäche, jedes Versehen fand einen unerbittlichen Kritiker in ihm. Bei Abschätzung seines Gutes hatte er den Bodenwerth oder die Ertragsfähigkeit desselben zu hoch oder zu niedrig taxirt. Die Re- gierung, den Streit endlich zu schlichten, schickte eine Untersuchungs-
lehnen, in ſeinen alten Tagen nach einem neuen Princip auf Jagd zu gehen.
Bei anderer Gelegenheit beſchwerte ſich Herr v. Hake, daß er bei Paſſirung einer Brücke, für deren Inſtandhaltung Geiſt Sorge tragen mußte, mit ſeinem Juſtitiarius Buchholz eingebrochen ſei. Geiſt replicirte: „über die Brücke würden täglich 26 ſeiner ſchwer- ſten Ochſen getrieben, und niemals habe er gehört, daß einer der- ſelben irgendwie Schaden genommen hätte; es ſei mindeſtens eine auffallende Erſcheinung, daß gerade Herr v. Hake mit ſeinem Ju- ſtitiarius durchgebrochen ſei.“ Herr v. Hake hatte nicht Luſt, den Streit ruhen zu laſſen und ging an die Gerichte. Als Geiſt eine Vorladung empfing, erſchien er mit der Brücke, die er abtragen und als corpus delicti auf einen Holzwagen hatte laden laſſen, vor’m Kammergericht in Berlin und erſuchte die Räthe, ſich durch Ocular-Inſpection von der Richtigkeit ſeiner Ausſagen zu über- zeugen! —
Einen viel lebhafteren Groll unterhielt er gegen Alles, was ſich „Regierung“ oder „Behörde“ nannte und mit der Miene der Autorität gegen ihn auftreten wollte. Die alte Regiſtratur des Kammergerichts, das er in ſeinen Eingaben gelegentlich „hochpreis- liches Jammergericht“ anzureden liebte, ſoll davon zu erzählen wiſſen. Seine Fehden mit dem Pupillen-Collegium (deſſen Namen er nicht müde wurde in der wunderlichſten Weiſe zu kürzen und zu verunſtalten!) ſind theils bekannt geworden, theils liegen ſie jenſeit aller Mittheilungsmöglichkeit — wiewohl man dem humoriſtiſchen Uebermuth gegenüber, der ſich in allen ſeinen Schnur- ren zu erkennen giebt, eigentlich jedes Anſtandsbedenken aufgeben und der derben Laune ſich freuen ſollte.
Neben dem Pupillen-Collegium hatte Niemand mehr als die Potsdamer Regierung unter ſeinen Sarkasmen zu leiden. Jede Schwäche, jedes Verſehen fand einen unerbittlichen Kritiker in ihm. Bei Abſchätzung ſeines Gutes hatte er den Bodenwerth oder die Ertragsfähigkeit deſſelben zu hoch oder zu niedrig taxirt. Die Re- gierung, den Streit endlich zu ſchlichten, ſchickte eine Unterſuchungs-
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lehnen, in ſeinen alten Tagen nach einem neuen Princip auf Jagd
zu gehen.
Bei anderer Gelegenheit beſchwerte ſich Herr v. Hake, daß er
bei Paſſirung einer Brücke, für deren Inſtandhaltung Geiſt Sorge
tragen mußte, mit ſeinem Juſtitiarius Buchholz eingebrochen ſei.
Geiſt replicirte: „über die Brücke würden täglich 26 ſeiner ſchwer-
ſten Ochſen getrieben, und niemals habe er gehört, daß einer der-
ſelben irgendwie Schaden genommen hätte; es ſei mindeſtens eine
auffallende Erſcheinung, daß gerade Herr v. Hake mit ſeinem Ju-
ſtitiarius durchgebrochen ſei.“ Herr v. Hake hatte nicht Luſt, den
Streit ruhen zu laſſen und ging an die Gerichte. Als Geiſt eine
Vorladung empfing, erſchien er mit der Brücke, die er abtragen
und als corpus delicti auf einen Holzwagen hatte laden laſſen,
vor’m Kammergericht in Berlin und erſuchte die Räthe, ſich durch
Ocular-Inſpection von der Richtigkeit ſeiner Ausſagen zu über-
zeugen! —
Einen viel lebhafteren Groll unterhielt er gegen Alles, was
ſich „Regierung“ oder „Behörde“ nannte und mit der Miene der
Autorität gegen ihn auftreten wollte. Die alte Regiſtratur des
Kammergerichts, das er in ſeinen Eingaben gelegentlich „hochpreis-
liches Jammergericht“ anzureden liebte, ſoll davon zu erzählen
wiſſen. Seine Fehden mit dem Pupillen-Collegium (deſſen
Namen er nicht müde wurde in der wunderlichſten Weiſe zu kürzen
und zu verunſtalten!) ſind theils bekannt geworden, theils liegen
ſie jenſeit aller Mittheilungsmöglichkeit — wiewohl man dem
humoriſtiſchen Uebermuth gegenüber, der ſich in allen ſeinen Schnur-
ren zu erkennen giebt, eigentlich jedes Anſtandsbedenken aufgeben
und der derben Laune ſich freuen ſollte.
Neben dem Pupillen-Collegium hatte Niemand mehr als die
Potsdamer Regierung unter ſeinen Sarkasmen zu leiden. Jede
Schwäche, jedes Verſehen fand einen unerbittlichen Kritiker in ihm.
Bei Abſchätzung ſeines Gutes hatte er den Bodenwerth oder die
Ertragsfähigkeit deſſelben zu hoch oder zu niedrig taxirt. Die Re-
gierung, den Streit endlich zu ſchlichten, ſchickte eine Unterſuchungs-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 396. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/414>, abgerufen am 23.11.2024.
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