Fluß. Aber sein Pferd war matt und müde vom Kampf, und ehe es die rettende Landzunge halb erreicht hatte, empfand sein Reiter die schwindende Kraft des treuen Thiers. Da Angesichts des To- des warf das Herz des Wendenfürsten die alten Heidengötter von sich, und die Hand, die den Schild hielt, hoch gen Himmel erhe- bend, rief er den Gott der Christen an, ihm zu helfen in seiner Noth. Da war es ihm, als faßte eine Hand den erhobenen Schild und hielte ihn mit leiser, aber sicherer Macht über dem Wasser; dem sinkenden Pferde kehrten die Kräfte zurück und der Vorsprung war erreicht. Jaczko hielt, was er gelobt, und wurde Christ. Sei- nen Schild aber, den der Finger Gottes berührt, ließ er dem Ort, wo das Wunder sich vollzogen hatte. Der Schild des Hei- den war ihm zum Glaubensschild geworden.
Dies sind die Elemente, die man zur Hand hatte, als es sich darum handelte, zur Erinnerung an jenen Tag der Bekehrung und zur Festigung und Neubelebung der alten Tradition, auf dem Schauplatz derselben, dem Schildhorn, ein Denkmal zu errich- ten. Man hat bei Ausführung dieses Planes in nicht gut zu hei- ßender Weise auf den malerischen Effekt Verzicht geleistet. Es wäre ausreichend gewesen, auf hoher griechischer Säule einen Schild aufzurichten und diesen Schild mit einem Kreuz von mäßiger Größe zu krönen. Das würde ein weithin erkenntliches Bild in durchaus bestimmten Umrissen gegeben und "den Sieg des Kreu- zes über das Heidenthum", diesen selbstverständlichen und durchaus berechtigten Gedanken in aller Klarheit dargestellt haben. Archäo- logischer Uebereifer aber glaubte ein Uebriges thun zu müssen und hat seinen Sieg auf Kosten des guten Geschmacks gefeiert. Man hat den Stamm einer alten knorrigen Eiche in Sand- stein nachgebildet und dadurch eine ohnehin schwerverständliche Figur geschaffen; der inmitten des Stammes aufgehängte Schild aber, der wie eine Scheibe an einem Pfosten klebt, schafft, aus der Ferne gesehen, vollends eine durchaus unklare und räthselhafte Figur. Eben so unklar und verworren nimmt das Kreuz sich aus, das den Oberbau der Säule krönt. Etwas Apartes ist gewonnen,
Fluß. Aber ſein Pferd war matt und müde vom Kampf, und ehe es die rettende Landzunge halb erreicht hatte, empfand ſein Reiter die ſchwindende Kraft des treuen Thiers. Da Angeſichts des To- des warf das Herz des Wendenfürſten die alten Heidengötter von ſich, und die Hand, die den Schild hielt, hoch gen Himmel erhe- bend, rief er den Gott der Chriſten an, ihm zu helfen in ſeiner Noth. Da war es ihm, als faßte eine Hand den erhobenen Schild und hielte ihn mit leiſer, aber ſicherer Macht über dem Waſſer; dem ſinkenden Pferde kehrten die Kräfte zurück und der Vorſprung war erreicht. Jaczko hielt, was er gelobt, und wurde Chriſt. Sei- nen Schild aber, den der Finger Gottes berührt, ließ er dem Ort, wo das Wunder ſich vollzogen hatte. Der Schild des Hei- den war ihm zum Glaubensſchild geworden.
Dies ſind die Elemente, die man zur Hand hatte, als es ſich darum handelte, zur Erinnerung an jenen Tag der Bekehrung und zur Feſtigung und Neubelebung der alten Tradition, auf dem Schauplatz derſelben, dem Schildhorn, ein Denkmal zu errich- ten. Man hat bei Ausführung dieſes Planes in nicht gut zu hei- ßender Weiſe auf den maleriſchen Effekt Verzicht geleiſtet. Es wäre ausreichend geweſen, auf hoher griechiſcher Säule einen Schild aufzurichten und dieſen Schild mit einem Kreuz von mäßiger Größe zu krönen. Das würde ein weithin erkenntliches Bild in durchaus beſtimmten Umriſſen gegeben und „den Sieg des Kreu- zes über das Heidenthum“, dieſen ſelbſtverſtändlichen und durchaus berechtigten Gedanken in aller Klarheit dargeſtellt haben. Archäo- logiſcher Uebereifer aber glaubte ein Uebriges thun zu müſſen und hat ſeinen Sieg auf Koſten des guten Geſchmacks gefeiert. Man hat den Stamm einer alten knorrigen Eiche in Sand- ſtein nachgebildet und dadurch eine ohnehin ſchwerverſtändliche Figur geſchaffen; der inmitten des Stammes aufgehängte Schild aber, der wie eine Scheibe an einem Pfoſten klebt, ſchafft, aus der Ferne geſehen, vollends eine durchaus unklare und räthſelhafte Figur. Eben ſo unklar und verworren nimmt das Kreuz ſich aus, das den Oberbau der Säule krönt. Etwas Apartes iſt gewonnen,
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Fluß. Aber ſein Pferd war matt und müde vom Kampf, und ehe
es die rettende Landzunge halb erreicht hatte, empfand ſein Reiter
die ſchwindende Kraft des treuen Thiers. Da Angeſichts des To-
des warf das Herz des Wendenfürſten die alten Heidengötter von
ſich, und die Hand, die den Schild hielt, hoch gen Himmel erhe-
bend, rief er den Gott der Chriſten an, ihm zu helfen in ſeiner
Noth. Da war es ihm, als faßte eine Hand den erhobenen Schild
und hielte ihn mit leiſer, aber ſicherer Macht über dem Waſſer;
dem ſinkenden Pferde kehrten die Kräfte zurück und der Vorſprung
war erreicht. Jaczko hielt, was er gelobt, und wurde Chriſt. Sei-
nen Schild aber, den der Finger Gottes berührt, ließ er dem
Ort, wo das Wunder ſich vollzogen hatte. Der Schild des Hei-
den war ihm zum Glaubensſchild geworden.
Dies ſind die Elemente, die man zur Hand hatte, als es
ſich darum handelte, zur Erinnerung an jenen Tag der Bekehrung
und zur Feſtigung und Neubelebung der alten Tradition, auf dem
Schauplatz derſelben, dem Schildhorn, ein Denkmal zu errich-
ten. Man hat bei Ausführung dieſes Planes in nicht gut zu hei-
ßender Weiſe auf den maleriſchen Effekt Verzicht geleiſtet. Es wäre
ausreichend geweſen, auf hoher griechiſcher Säule einen Schild
aufzurichten und dieſen Schild mit einem Kreuz von mäßiger
Größe zu krönen. Das würde ein weithin erkenntliches Bild in
durchaus beſtimmten Umriſſen gegeben und „den Sieg des Kreu-
zes über das Heidenthum“, dieſen ſelbſtverſtändlichen und durchaus
berechtigten Gedanken in aller Klarheit dargeſtellt haben. Archäo-
logiſcher Uebereifer aber glaubte ein Uebriges thun zu müſſen
und hat ſeinen Sieg auf Koſten des guten Geſchmacks gefeiert.
Man hat den Stamm einer alten knorrigen Eiche in Sand-
ſtein nachgebildet und dadurch eine ohnehin ſchwerverſtändliche
Figur geſchaffen; der inmitten des Stammes aufgehängte Schild
aber, der wie eine Scheibe an einem Pfoſten klebt, ſchafft, aus der
Ferne geſehen, vollends eine durchaus unklare und räthſelhafte
Figur. Eben ſo unklar und verworren nimmt das Kreuz ſich aus,
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 381. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/399>, abgerufen am 23.11.2024.
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