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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

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jetzt auf einer Art Moos- oder Erdbank und blicken auf die
weite Wasserfläche hinaus, die wie in leiser Brandung ihre Well-
chen bis unter unsre Füße schickt. Der See ist wie ein Haff und
so oft die Wellen zurückrinnen, blinken die weißen Muscheln, die
der See an's Ufer geworfen.

Es ist wie Märchenklang so an der Müggel zu sitzen und
die leise Musik von Wald und Wasser um sich her, die Stunden
zu verträumen. Die Sonne neigt sich zum Untergang und das
Bild, das beim ersten Anblick nur durch seine Monotonie auf
uns wirkte, gewinnt mehr und mehr Gewalt über uns und spinnt
uns, unter leisem Schauer in den alten Müggel-Zauber hinein.
Die Kähne mit ihrer weißen Kalksteinladung, deren aufgeschichtete
Blöcke das Kajütendach zu einem kleinen Kastell machen, ziehen
geräuschlos vorüber; die rothen Dächer des gegenüberliegenden
Dorfes (Rahnsdorf) glühen noch einmal auf und der See selber
wechselt von Minute zu Minute seine Stimmung und seine Farbe.
Aber mit halbem Auge nur verfolgen wir die Farbenspiele; unser
Auge richtet sich immer wieder nach rechts hin, wo die Müggel-
berge
aufsteigen, die ihre wachsenden Schatten bis weit in den
See hineinwerfen. Ein dünner Nebel spielt um den Berg und
wenn es dann und wann aufblitzt, so fahren wir zusammen, als
wüßten wir "nun kommt sie" und blicken nach der Prinzessin aus,
von der es heißt, daß sie um die Abendstunde mit vier goldfarbe-
nen Pferden von den Müggelbergen bis an den Müggelsee hinab-
fährt, um ihre Pferde im See zu tränken. Die Prinzessin kommt
freilich nicht und auch der große Heuwagen bleibt aus, der, von
vier weißen Mäusen gezogen, der Prinzessin entgegenfährt, um ihr
den Weg zu sperren, aber eingewiegt in phantastisches Träumen
könnten alle Wunder der Märchenwelt vor uns ausgeschüttet wer-
den, wir würden sie hinnehmen wie selbstverständlich, -- die
Müggel und ihre Ufer sind Zauberland.

Noch einmal fährt ein Gluthstreifen der untergehenden Sonne
wie ein Feuerschwert über den See; nun ist die Sonne unter,
beinah plötzlich bricht die Dämmerung herein und bleifarben liegt

jetzt auf einer Art Moos- oder Erdbank und blicken auf die
weite Waſſerfläche hinaus, die wie in leiſer Brandung ihre Well-
chen bis unter unſre Füße ſchickt. Der See iſt wie ein Haff und
ſo oft die Wellen zurückrinnen, blinken die weißen Muſcheln, die
der See an’s Ufer geworfen.

Es iſt wie Märchenklang ſo an der Müggel zu ſitzen und
die leiſe Muſik von Wald und Waſſer um ſich her, die Stunden
zu verträumen. Die Sonne neigt ſich zum Untergang und das
Bild, das beim erſten Anblick nur durch ſeine Monotonie auf
uns wirkte, gewinnt mehr und mehr Gewalt über uns und ſpinnt
uns, unter leiſem Schauer in den alten Müggel-Zauber hinein.
Die Kähne mit ihrer weißen Kalkſteinladung, deren aufgeſchichtete
Blöcke das Kajütendach zu einem kleinen Kaſtell machen, ziehen
geräuſchlos vorüber; die rothen Dächer des gegenüberliegenden
Dorfes (Rahnsdorf) glühen noch einmal auf und der See ſelber
wechſelt von Minute zu Minute ſeine Stimmung und ſeine Farbe.
Aber mit halbem Auge nur verfolgen wir die Farbenſpiele; unſer
Auge richtet ſich immer wieder nach rechts hin, wo die Müggel-
berge
aufſteigen, die ihre wachſenden Schatten bis weit in den
See hineinwerfen. Ein dünner Nebel ſpielt um den Berg und
wenn es dann und wann aufblitzt, ſo fahren wir zuſammen, als
wüßten wir „nun kommt ſie“ und blicken nach der Prinzeſſin aus,
von der es heißt, daß ſie um die Abendſtunde mit vier goldfarbe-
nen Pferden von den Müggelbergen bis an den Müggelſee hinab-
fährt, um ihre Pferde im See zu tränken. Die Prinzeſſin kommt
freilich nicht und auch der große Heuwagen bleibt aus, der, von
vier weißen Mäuſen gezogen, der Prinzeſſin entgegenfährt, um ihr
den Weg zu ſperren, aber eingewiegt in phantaſtiſches Träumen
könnten alle Wunder der Märchenwelt vor uns ausgeſchüttet wer-
den, wir würden ſie hinnehmen wie ſelbſtverſtändlich, — die
Müggel und ihre Ufer ſind Zauberland.

Noch einmal fährt ein Gluthſtreifen der untergehenden Sonne
wie ein Feuerſchwert über den See; nun iſt die Sonne unter,
beinah plötzlich bricht die Dämmerung herein und bleifarben liegt

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[375/0393] jetzt auf einer Art Moos- oder Erdbank und blicken auf die weite Waſſerfläche hinaus, die wie in leiſer Brandung ihre Well- chen bis unter unſre Füße ſchickt. Der See iſt wie ein Haff und ſo oft die Wellen zurückrinnen, blinken die weißen Muſcheln, die der See an’s Ufer geworfen. Es iſt wie Märchenklang ſo an der Müggel zu ſitzen und die leiſe Muſik von Wald und Waſſer um ſich her, die Stunden zu verträumen. Die Sonne neigt ſich zum Untergang und das Bild, das beim erſten Anblick nur durch ſeine Monotonie auf uns wirkte, gewinnt mehr und mehr Gewalt über uns und ſpinnt uns, unter leiſem Schauer in den alten Müggel-Zauber hinein. Die Kähne mit ihrer weißen Kalkſteinladung, deren aufgeſchichtete Blöcke das Kajütendach zu einem kleinen Kaſtell machen, ziehen geräuſchlos vorüber; die rothen Dächer des gegenüberliegenden Dorfes (Rahnsdorf) glühen noch einmal auf und der See ſelber wechſelt von Minute zu Minute ſeine Stimmung und ſeine Farbe. Aber mit halbem Auge nur verfolgen wir die Farbenſpiele; unſer Auge richtet ſich immer wieder nach rechts hin, wo die Müggel- berge aufſteigen, die ihre wachſenden Schatten bis weit in den See hineinwerfen. Ein dünner Nebel ſpielt um den Berg und wenn es dann und wann aufblitzt, ſo fahren wir zuſammen, als wüßten wir „nun kommt ſie“ und blicken nach der Prinzeſſin aus, von der es heißt, daß ſie um die Abendſtunde mit vier goldfarbe- nen Pferden von den Müggelbergen bis an den Müggelſee hinab- fährt, um ihre Pferde im See zu tränken. Die Prinzeſſin kommt freilich nicht und auch der große Heuwagen bleibt aus, der, von vier weißen Mäuſen gezogen, der Prinzeſſin entgegenfährt, um ihr den Weg zu ſperren, aber eingewiegt in phantaſtiſches Träumen könnten alle Wunder der Märchenwelt vor uns ausgeſchüttet wer- den, wir würden ſie hinnehmen wie ſelbſtverſtändlich, — die Müggel und ihre Ufer ſind Zauberland. Noch einmal fährt ein Gluthſtreifen der untergehenden Sonne wie ein Feuerſchwert über den See; nun iſt die Sonne unter, beinah plötzlich bricht die Dämmerung herein und bleifarben liegt

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 375. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/393>, abgerufen am 24.11.2024.