Gartenlande umgeschaffen, und Dörfer und Städte, überall einge- streut in die Landschaft, wachsen heiter mit ihren rothen Dächern und Giebeln aus allen Schattirungen des Grün hervor. Die Thürme der Hauptstadt leuchten im Schein der untergehenden Sonne; die graugelbe Wand des Coepenicker Schlosses schimmert zwischen den Pappeln hervor; Fabrikschornsteine begleiten den Lauf des Flusses, und hoch über den weißen Segeln der Kähne, die geräuschlos stromabwärts ziehen, steht bewegungslos die schwarze Wolke der Schlote und Essen. Leben überall, kein Fuß breit Lan- des, der nicht die Pflege der Menschenhand verriethe.
Wir haben das heitere Bild in Auge und Seele aufgenom- men, wenden uns jetzt und blicken nach entgegengesetzter Seite hin, in die halb im Dämmer liegende östliche Landschaft hinein. Welcher Gegensatz! Die Spree zu unserer Linken zieht den Müg- gelsee wie einen breiten Spiegelkrystall an ihrem schmalen, blauen Bande auf, und der Dahmefluß zu unserer Rechten buchtet sich immer weiter und breiter landeinwärts und schafft Inseln und Halbinseln, so weit unser Auge reicht. Auf Quadratmeilen hin nur Wasser und Wald. Nichts, was an die Hand der Cultur erinnert, nicht Dorf, nicht Stadt, nicht Weg, nicht Steg; keine andere Fahrstraße sichtbar, als See und Fluß, die ihr verwirren- des Netz durch die weiten Waldreviere ziehen. Kein Dach blitzt durch die Zweige, kein Hüttenrauch steigt auf, keine Heerde weidet an den Sumpfufern entlang, nur eine Fischmöve schwebt satt und langsam über dem Müggelsee. Sand und Sumpf, Wasser und Wald; -- es ist hier, wie es immer war, und während jetzt die Abendnebel von den Seen her aufsteigen und ihre leisen Schleier auch um den Rand der Kuppe legen, auf der wir stehen, ist es, als stiege die alte Zeit mit ihnen aus der Tiefe herauf. Es braut und quirlt und kommt und schwindet, bis endlich das Bild in klaren Umrissen neu vor uns steht. Die Bäume sind wieder hoch aufgeschossen und ragen im Halbkreis in die Luft. An den knorri- gen Aesten hängen Schilde, wie Mulden geformt, und lange Speere aus Eschenholz stehen daneben, in Gruppen zusammengestellt. Die
Gartenlande umgeſchaffen, und Dörfer und Städte, überall einge- ſtreut in die Landſchaft, wachſen heiter mit ihren rothen Dächern und Giebeln aus allen Schattirungen des Grün hervor. Die Thürme der Hauptſtadt leuchten im Schein der untergehenden Sonne; die graugelbe Wand des Coepenicker Schloſſes ſchimmert zwiſchen den Pappeln hervor; Fabrikſchornſteine begleiten den Lauf des Fluſſes, und hoch über den weißen Segeln der Kähne, die geräuſchlos ſtromabwärts ziehen, ſteht bewegungslos die ſchwarze Wolke der Schlote und Eſſen. Leben überall, kein Fuß breit Lan- des, der nicht die Pflege der Menſchenhand verriethe.
Wir haben das heitere Bild in Auge und Seele aufgenom- men, wenden uns jetzt und blicken nach entgegengeſetzter Seite hin, in die halb im Dämmer liegende öſtliche Landſchaft hinein. Welcher Gegenſatz! Die Spree zu unſerer Linken zieht den Müg- gelſee wie einen breiten Spiegelkryſtall an ihrem ſchmalen, blauen Bande auf, und der Dahmefluß zu unſerer Rechten buchtet ſich immer weiter und breiter landeinwärts und ſchafft Inſeln und Halbinſeln, ſo weit unſer Auge reicht. Auf Quadratmeilen hin nur Waſſer und Wald. Nichts, was an die Hand der Cultur erinnert, nicht Dorf, nicht Stadt, nicht Weg, nicht Steg; keine andere Fahrſtraße ſichtbar, als See und Fluß, die ihr verwirren- des Netz durch die weiten Waldreviere ziehen. Kein Dach blitzt durch die Zweige, kein Hüttenrauch ſteigt auf, keine Heerde weidet an den Sumpfufern entlang, nur eine Fiſchmöve ſchwebt ſatt und langſam über dem Müggelſee. Sand und Sumpf, Waſſer und Wald; — es iſt hier, wie es immer war, und während jetzt die Abendnebel von den Seen her aufſteigen und ihre leiſen Schleier auch um den Rand der Kuppe legen, auf der wir ſtehen, iſt es, als ſtiege die alte Zeit mit ihnen aus der Tiefe herauf. Es braut und quirlt und kommt und ſchwindet, bis endlich das Bild in klaren Umriſſen neu vor uns ſteht. Die Bäume ſind wieder hoch aufgeſchoſſen und ragen im Halbkreis in die Luft. An den knorri- gen Aeſten hängen Schilde, wie Mulden geformt, und lange Speere aus Eſchenholz ſtehen daneben, in Gruppen zuſammengeſtellt. Die
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Gartenlande umgeſchaffen, und Dörfer und Städte, überall einge-
ſtreut in die Landſchaft, wachſen heiter mit ihren rothen Dächern
und Giebeln aus allen Schattirungen des Grün hervor. Die
Thürme der Hauptſtadt leuchten im Schein der untergehenden
Sonne; die graugelbe Wand des Coepenicker Schloſſes ſchimmert
zwiſchen den Pappeln hervor; Fabrikſchornſteine begleiten den Lauf
des Fluſſes, und hoch über den weißen Segeln der Kähne, die
geräuſchlos ſtromabwärts ziehen, ſteht bewegungslos die ſchwarze
Wolke der Schlote und Eſſen. Leben überall, kein Fuß breit Lan-
des, der nicht die Pflege der Menſchenhand verriethe.
Wir haben das heitere Bild in Auge und Seele aufgenom-
men, wenden uns jetzt und blicken nach entgegengeſetzter Seite hin,
in die halb im Dämmer liegende öſtliche Landſchaft hinein.
Welcher Gegenſatz! Die Spree zu unſerer Linken zieht den Müg-
gelſee wie einen breiten Spiegelkryſtall an ihrem ſchmalen, blauen
Bande auf, und der Dahmefluß zu unſerer Rechten buchtet ſich
immer weiter und breiter landeinwärts und ſchafft Inſeln und
Halbinſeln, ſo weit unſer Auge reicht. Auf Quadratmeilen hin
nur Waſſer und Wald. Nichts, was an die Hand der Cultur
erinnert, nicht Dorf, nicht Stadt, nicht Weg, nicht Steg; keine
andere Fahrſtraße ſichtbar, als See und Fluß, die ihr verwirren-
des Netz durch die weiten Waldreviere ziehen. Kein Dach blitzt
durch die Zweige, kein Hüttenrauch ſteigt auf, keine Heerde weidet
an den Sumpfufern entlang, nur eine Fiſchmöve ſchwebt ſatt und
langſam über dem Müggelſee. Sand und Sumpf, Waſſer und
Wald; — es iſt hier, wie es immer war, und während jetzt die
Abendnebel von den Seen her aufſteigen und ihre leiſen Schleier
auch um den Rand der Kuppe legen, auf der wir ſtehen, iſt es,
als ſtiege die alte Zeit mit ihnen aus der Tiefe herauf. Es braut
und quirlt und kommt und ſchwindet, bis endlich das Bild in
klaren Umriſſen neu vor uns ſteht. Die Bäume ſind wieder hoch
aufgeſchoſſen und ragen im Halbkreis in die Luft. An den knorri-
gen Aeſten hängen Schilde, wie Mulden geformt, und lange Speere
aus Eſchenholz ſtehen daneben, in Gruppen zuſammengeſtellt. Die
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/388>, abgerufen am 24.11.2024.
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