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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

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ab, wo der Herzog und Marschall von Schomberg zum Genera-
lissimus in den Marken ernannt worden war, eine Ernennung,
die einer Pensionirung Derfflingers ziemlich gleich kam, wurde
Gusow die dauernde und ausschließliche Residenz des letzteren. Der
Kurfürst hatte ihm diese Ernennung des Herzog-Marschalls eigen-
händig angezeigt und in verbindlichster Weise geschrieben, "er werde
sicher als einer seiner liebsten, ältesten und treuesten Diener
diese seine gefaßte Resolution in Unterthänigkeit approbiren." Der
alte, schwer gekränkte Herr aber konnte nicht umhin, in nicht zu
mißverstehender Weise darauf zu erwiedern, "daß seine treu gelei-
steten, unterthänigsten, langwierigen Dienste, wozu er auch den
Rest seines Lebens gänzlich gewidmet habe
, wohl hätten
gnädigst considerirt werden mögen." Die Empfindlichkeiten nach die-
ser Seite hin bleiben immer dieselben; dem alten Zieten war es,
achtzig Jahre später, auch nicht recht, daß er den Erbfolgekrieg
nicht mehr mitmachen sollte, und das bestgemeinte "schon' er sich"
wird immer wie ein Stachel und eine Kränkung empfunden.

Derfflinger war 81 Jahr alt, als er sich für den Rest seiner
Tage nach Gusow zurückzog; er lebte noch acht Jahre daselbst in
ungestörter Ruhe und starb endlich im neunzigsten Jahre seines
bunten, vielbewegten Lebens. Die berühmtesten preußischen Reiter-
generale sind alle alt geworden: Derfflinger 89, Zieten 87, Blü-
cher 77; Seidlitz, scheinbar eine Ausnahme, war durch wüstes
Leben an seinem frühen Tode Schuld.

Derfflinger und Zieten haben sehr viel mit einander gemein:

erst nach hartnäckigem Kampf überwunden. Die Vertheidiger des Rath-
hauses wurden alle niedergemacht bis auf den Führer, den sein Muth
und seine Geistesgegenwart rettete. Er trat dem Offizier mit offner Brust
entgegen und wurde von diesem sofort niedergehauen; so kam er mit dem
Leben davon, weil man Anstand nahm, einen Schwerverwundeten zu
tödten. Im d'Heureuse'schen Hause selbst kommandirte der Blousenmann
Sigrist (wenn ich nicht irre, ein Schlossergesell), dem die Ernennung des
"Mr. Albert, ouvrier" zum Minister der öffentlichen Arbeiten, zu Kopf
gestiegen war. Er bewies viel Muth, taugte aber gar nichts und ver-
schwand bald vom Schauplatz.
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ab, wo der Herzog und Marſchall von Schomberg zum Genera-
liſſimus in den Marken ernannt worden war, eine Ernennung,
die einer Penſionirung Derfflingers ziemlich gleich kam, wurde
Guſow die dauernde und ausſchließliche Reſidenz des letzteren. Der
Kurfürſt hatte ihm dieſe Ernennung des Herzog-Marſchalls eigen-
händig angezeigt und in verbindlichſter Weiſe geſchrieben, „er werde
ſicher als einer ſeiner liebſten, älteſten und treueſten Diener
dieſe ſeine gefaßte Reſolution in Unterthänigkeit approbiren.“ Der
alte, ſchwer gekränkte Herr aber konnte nicht umhin, in nicht zu
mißverſtehender Weiſe darauf zu erwiedern, „daß ſeine treu gelei-
ſteten, unterthänigſten, langwierigen Dienſte, wozu er auch den
Reſt ſeines Lebens gänzlich gewidmet habe
, wohl hätten
gnädigſt conſiderirt werden mögen.“ Die Empfindlichkeiten nach die-
ſer Seite hin bleiben immer dieſelben; dem alten Zieten war es,
achtzig Jahre ſpäter, auch nicht recht, daß er den Erbfolgekrieg
nicht mehr mitmachen ſollte, und das beſtgemeinte „ſchon’ er ſich“
wird immer wie ein Stachel und eine Kränkung empfunden.

Derfflinger war 81 Jahr alt, als er ſich für den Reſt ſeiner
Tage nach Guſow zurückzog; er lebte noch acht Jahre daſelbſt in
ungeſtörter Ruhe und ſtarb endlich im neunzigſten Jahre ſeines
bunten, vielbewegten Lebens. Die berühmteſten preußiſchen Reiter-
generale ſind alle alt geworden: Derfflinger 89, Zieten 87, Blü-
cher 77; Seidlitz, ſcheinbar eine Ausnahme, war durch wüſtes
Leben an ſeinem frühen Tode Schuld.

Derfflinger und Zieten haben ſehr viel mit einander gemein:

erſt nach hartnäckigem Kampf überwunden. Die Vertheidiger des Rath-
hauſes wurden alle niedergemacht bis auf den Führer, den ſein Muth
und ſeine Geiſtesgegenwart rettete. Er trat dem Offizier mit offner Bruſt
entgegen und wurde von dieſem ſofort niedergehauen; ſo kam er mit dem
Leben davon, weil man Anſtand nahm, einen Schwerverwundeten zu
tödten. Im d’Heureuſe’ſchen Hauſe ſelbſt kommandirte der Blouſenmann
Sigriſt (wenn ich nicht irre, ein Schloſſergeſell), dem die Ernennung des
„Mr. Albert, ouvrier“ zum Miniſter der öffentlichen Arbeiten, zu Kopf
geſtiegen war. Er bewies viel Muth, taugte aber gar nichts und ver-
ſchwand bald vom Schauplatz.
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[321/0339] ab, wo der Herzog und Marſchall von Schomberg zum Genera- liſſimus in den Marken ernannt worden war, eine Ernennung, die einer Penſionirung Derfflingers ziemlich gleich kam, wurde Guſow die dauernde und ausſchließliche Reſidenz des letzteren. Der Kurfürſt hatte ihm dieſe Ernennung des Herzog-Marſchalls eigen- händig angezeigt und in verbindlichſter Weiſe geſchrieben, „er werde ſicher als einer ſeiner liebſten, älteſten und treueſten Diener dieſe ſeine gefaßte Reſolution in Unterthänigkeit approbiren.“ Der alte, ſchwer gekränkte Herr aber konnte nicht umhin, in nicht zu mißverſtehender Weiſe darauf zu erwiedern, „daß ſeine treu gelei- ſteten, unterthänigſten, langwierigen Dienſte, wozu er auch den Reſt ſeines Lebens gänzlich gewidmet habe, wohl hätten gnädigſt conſiderirt werden mögen.“ Die Empfindlichkeiten nach die- ſer Seite hin bleiben immer dieſelben; dem alten Zieten war es, achtzig Jahre ſpäter, auch nicht recht, daß er den Erbfolgekrieg nicht mehr mitmachen ſollte, und das beſtgemeinte „ſchon’ er ſich“ wird immer wie ein Stachel und eine Kränkung empfunden. Derfflinger war 81 Jahr alt, als er ſich für den Reſt ſeiner Tage nach Guſow zurückzog; er lebte noch acht Jahre daſelbſt in ungeſtörter Ruhe und ſtarb endlich im neunzigſten Jahre ſeines bunten, vielbewegten Lebens. Die berühmteſten preußiſchen Reiter- generale ſind alle alt geworden: Derfflinger 89, Zieten 87, Blü- cher 77; Seidlitz, ſcheinbar eine Ausnahme, war durch wüſtes Leben an ſeinem frühen Tode Schuld. Derfflinger und Zieten haben ſehr viel mit einander gemein: *) *) erſt nach hartnäckigem Kampf überwunden. Die Vertheidiger des Rath- hauſes wurden alle niedergemacht bis auf den Führer, den ſein Muth und ſeine Geiſtesgegenwart rettete. Er trat dem Offizier mit offner Bruſt entgegen und wurde von dieſem ſofort niedergehauen; ſo kam er mit dem Leben davon, weil man Anſtand nahm, einen Schwerverwundeten zu tödten. Im d’Heureuſe’ſchen Hauſe ſelbſt kommandirte der Blouſenmann Sigriſt (wenn ich nicht irre, ein Schloſſergeſell), dem die Ernennung des „Mr. Albert, ouvrier“ zum Miniſter der öffentlichen Arbeiten, zu Kopf geſtiegen war. Er bewies viel Muth, taugte aber gar nichts und ver- ſchwand bald vom Schauplatz. 21

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/339>, abgerufen am 23.11.2024.