schaffen habe; wo aber die Erde hundertfältige Frucht treibt und aus jedem eingestreuten Korn einen Reichthum schafft, da fühlt sich das Menschenherz der Gnade Gottes direkt gegenüber und begiebt sich aller Selbstgenügsamkeit. Ein Blick von dieser Selower Höhe läßt uns in solchen Gottessegen schauen. Die ohnehin dicht gele- genen Dörfer rücken im endlosen Coulissenbilde näher und dichter zusammen und alles verschmilzt zu einer weitläuftig gebauten Riesen- stadt, zwischen deren einzelnen Quartieren die Fruchtfelder wie üppige Gärten blühen. Wer hier um die Pfingstzeit seines Weges kommt, wenn die Rapsfelder in Blüthe stehen und ihr Gold und ihren Duft über das Bruchland ausstreuen, der glaubt sich wie auf Zauberschlag in ferne Wunderländer versetzt, von denen er als Kind geträumt und gelesen. Unvergeßlich aber wird der Eindruck für den, den ein glückliches Ohngefähr an einem heiligen Pfingst- abend (wie es mir vor einer Reihe von Jahren vergönnt war) zum ersten Mal an diesen Höhenrand führt. Die Feuchte des Bruchs lag wie ein dünner Schleier über der Landschaft, alles war Frieden, Farbe, Duft, und der ferne, halb ersterbende Klang von dreißig Kirchthürmen vermählte sich in der Luft, als läute der Himmel selber die Pfingsten des nächsten Morgens ein.
Die Pappelallee geleitet uns bergab und macht erst am Fuße des Hügels einem breiten Kastanienwege Platz, der uns bis an den Eingang des Dorfes führt. Gusow ist ein großes und reiches Dorf, das bis in die Mitte des siebzehnten Jahrhunderts ein Besitzthum der Familie von Schapelow war. Um 1646 vermählte sich Georg Derfflinger, damals noch in schwedischen Diensten, mit einem Fräulein von Schapelow und brachte sich dadurch in den Besitz der betreffenden Familiengüter, zu denen außer Gusow noch das benachbarte, etwas weiter in's Bruch hinein gelegene Platikow gehört. In einem viel gesungenen Liede heißt es, daß sich der alte Reitergeneral, auf eine Anfrage seines kurfürstlichen Herren, diese schönen Güter als Kriegs- und Siegeslohn erbeten habe; diese Angabe ist aber falsch; Gusow und Platikow fielen ihm als Frauenerbe zu.
ſchaffen habe; wo aber die Erde hundertfältige Frucht treibt und aus jedem eingeſtreuten Korn einen Reichthum ſchafft, da fühlt ſich das Menſchenherz der Gnade Gottes direkt gegenüber und begiebt ſich aller Selbſtgenügſamkeit. Ein Blick von dieſer Selower Höhe läßt uns in ſolchen Gottesſegen ſchauen. Die ohnehin dicht gele- genen Dörfer rücken im endloſen Couliſſenbilde näher und dichter zuſammen und alles verſchmilzt zu einer weitläuftig gebauten Rieſen- ſtadt, zwiſchen deren einzelnen Quartieren die Fruchtfelder wie üppige Gärten blühen. Wer hier um die Pfingſtzeit ſeines Weges kommt, wenn die Rapsfelder in Blüthe ſtehen und ihr Gold und ihren Duft über das Bruchland ausſtreuen, der glaubt ſich wie auf Zauberſchlag in ferne Wunderländer verſetzt, von denen er als Kind geträumt und geleſen. Unvergeßlich aber wird der Eindruck für den, den ein glückliches Ohngefähr an einem heiligen Pfingſt- abend (wie es mir vor einer Reihe von Jahren vergönnt war) zum erſten Mal an dieſen Höhenrand führt. Die Feuchte des Bruchs lag wie ein dünner Schleier über der Landſchaft, alles war Frieden, Farbe, Duft, und der ferne, halb erſterbende Klang von dreißig Kirchthürmen vermählte ſich in der Luft, als läute der Himmel ſelber die Pfingſten des nächſten Morgens ein.
Die Pappelallee geleitet uns bergab und macht erſt am Fuße des Hügels einem breiten Kaſtanienwege Platz, der uns bis an den Eingang des Dorfes führt. Guſow iſt ein großes und reiches Dorf, das bis in die Mitte des ſiebzehnten Jahrhunderts ein Beſitzthum der Familie von Schapelow war. Um 1646 vermählte ſich Georg Derfflinger, damals noch in ſchwediſchen Dienſten, mit einem Fräulein von Schapelow und brachte ſich dadurch in den Beſitz der betreffenden Familiengüter, zu denen außer Guſow noch das benachbarte, etwas weiter in’s Bruch hinein gelegene Platikow gehört. In einem viel geſungenen Liede heißt es, daß ſich der alte Reitergeneral, auf eine Anfrage ſeines kurfürſtlichen Herren, dieſe ſchönen Güter als Kriegs- und Siegeslohn erbeten habe; dieſe Angabe iſt aber falſch; Guſow und Platikow fielen ihm als Frauenerbe zu.
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ſchaffen habe; wo aber die Erde hundertfältige Frucht treibt und
aus jedem eingeſtreuten Korn einen Reichthum ſchafft, da fühlt ſich
das Menſchenherz der Gnade Gottes direkt gegenüber und begiebt
ſich aller Selbſtgenügſamkeit. Ein Blick von dieſer Selower Höhe
läßt uns in ſolchen Gottesſegen ſchauen. Die ohnehin dicht gele-
genen Dörfer rücken im endloſen Couliſſenbilde näher und dichter
zuſammen und alles verſchmilzt zu einer weitläuftig gebauten Rieſen-
ſtadt, zwiſchen deren einzelnen Quartieren die Fruchtfelder wie
üppige Gärten blühen. Wer hier um die Pfingſtzeit ſeines Weges
kommt, wenn die Rapsfelder in Blüthe ſtehen und ihr Gold und
ihren Duft über das Bruchland ausſtreuen, der glaubt ſich wie
auf Zauberſchlag in ferne Wunderländer verſetzt, von denen er als
Kind geträumt und geleſen. Unvergeßlich aber wird der Eindruck
für den, den ein glückliches Ohngefähr an einem heiligen Pfingſt-
abend (wie es mir vor einer Reihe von Jahren vergönnt war)
zum erſten Mal an dieſen Höhenrand führt. Die Feuchte des
Bruchs lag wie ein dünner Schleier über der Landſchaft, alles
war Frieden, Farbe, Duft, und der ferne, halb erſterbende Klang
von dreißig Kirchthürmen vermählte ſich in der Luft, als läute der
Himmel ſelber die Pfingſten des nächſten Morgens ein.
Die Pappelallee geleitet uns bergab und macht erſt am Fuße
des Hügels einem breiten Kaſtanienwege Platz, der uns bis an
den Eingang des Dorfes führt. Guſow iſt ein großes und reiches
Dorf, das bis in die Mitte des ſiebzehnten Jahrhunderts ein
Beſitzthum der Familie von Schapelow war. Um 1646 vermählte
ſich Georg Derfflinger, damals noch in ſchwediſchen Dienſten,
mit einem Fräulein von Schapelow und brachte ſich dadurch in
den Beſitz der betreffenden Familiengüter, zu denen außer Guſow
noch das benachbarte, etwas weiter in’s Bruch hinein gelegene
Platikow gehört. In einem viel geſungenen Liede heißt es, daß
ſich der alte Reitergeneral, auf eine Anfrage ſeines kurfürſtlichen
Herren, dieſe ſchönen Güter als Kriegs- und Siegeslohn erbeten
habe; dieſe Angabe iſt aber falſch; Guſow und Platikow fielen
ihm als Frauenerbe zu.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/337>, abgerufen am 23.11.2024.
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