lehnte jedoch, so lange er noch freie Hand hatte, das ihm zuge- muthete Bündniß ab und zog in seinen preußischen Provinzen ein Heer zusammen, dessen nächster Zweck eine bewaffnete Neutralität war; in der Wirklichkeit aber kam die Aufstellung dieses Heeres einem Bündniß mit Polen gegen Schweden gleich. Das Heer selbst war ansehnlich; es bestand aus 26,800 Mann mit 34 Ge- schützen und hatte in Otto Christoph von Sparr seinen obersten Befehlshaber.
So standen die Dinge im Sommer 1656. Wenige Monate änderten die Sachlage völlig. Dem raschen Vordringen Karl Gustav's hatte sich das schlecht gerüstete Polen fast ohne Widerstand unter- worfen. Johann Casimir war aus Warschau geflohen, und die schwedische Kriegswelle, wenig geneigt, sich in ihrem Siegeslaufe aufhalten zu lassen, schickte sich eben an, auch die Provinz Preußen zu überschwemmen. Jetzt war für Brandenburg der Moment gege- ben, den Kampf gegen das herausfordernde Schweden aufzuneh- men; aber der Kurfürst, vielleicht voll Mißtrauen in seine und des Landes Kraft, das damals noch keine glänzende Kriegsprobe bestanden hatte, vermied den angebotenen Kampf und löste das stille Bündniß mit Polen, um dafür ein offenes Bündniß mit Schweden gegen Polen einzugehen. Was der Kurfürst ein Jahr vorher den schwedischen Bitten abgeschlagen hatte, das gewährte er jetzt rasch und ohne Rückhalt den schwedischen Drohungen. Er gab dabei dem Gebot der Klugheit nach, vielleicht in stiller Voraussicht, daß die Stunde der Rückzahlung kommen und alte und neue Kränkung quitt machen werde.
Von seinem Standpunkt aus war es gerechtfertigt, das Bündniß mit Schweden zu schließen; die Polen, von ihrem Stand- punkt aus, hatten mindestens ein gleiches Recht, dies Bündniß als Abfall anzuklagen. Und war es nun Entrüstung, oder das Gefühl einer wachsenden Gefahr, dasselbe Volk, das sich fast wider- standslos niedergeworfen hatte, als der Kriegssturm Karl Gustav's über das Land hingezogen war, stand jetzt plötzlich aufrecht da, wie ein Aehrenfeld, das sich dem Sturm gebeugt hat, ohne ge-
lehnte jedoch, ſo lange er noch freie Hand hatte, das ihm zuge- muthete Bündniß ab und zog in ſeinen preußiſchen Provinzen ein Heer zuſammen, deſſen nächſter Zweck eine bewaffnete Neutralität war; in der Wirklichkeit aber kam die Aufſtellung dieſes Heeres einem Bündniß mit Polen gegen Schweden gleich. Das Heer ſelbſt war anſehnlich; es beſtand aus 26,800 Mann mit 34 Ge- ſchützen und hatte in Otto Chriſtoph von Sparr ſeinen oberſten Befehlshaber.
So ſtanden die Dinge im Sommer 1656. Wenige Monate änderten die Sachlage völlig. Dem raſchen Vordringen Karl Guſtav’s hatte ſich das ſchlecht gerüſtete Polen faſt ohne Widerſtand unter- worfen. Johann Caſimir war aus Warſchau geflohen, und die ſchwediſche Kriegswelle, wenig geneigt, ſich in ihrem Siegeslaufe aufhalten zu laſſen, ſchickte ſich eben an, auch die Provinz Preußen zu überſchwemmen. Jetzt war für Brandenburg der Moment gege- ben, den Kampf gegen das herausfordernde Schweden aufzuneh- men; aber der Kurfürſt, vielleicht voll Mißtrauen in ſeine und des Landes Kraft, das damals noch keine glänzende Kriegsprobe beſtanden hatte, vermied den angebotenen Kampf und löſte das ſtille Bündniß mit Polen, um dafür ein offenes Bündniß mit Schweden gegen Polen einzugehen. Was der Kurfürſt ein Jahr vorher den ſchwediſchen Bitten abgeſchlagen hatte, das gewährte er jetzt raſch und ohne Rückhalt den ſchwediſchen Drohungen. Er gab dabei dem Gebot der Klugheit nach, vielleicht in ſtiller Vorausſicht, daß die Stunde der Rückzahlung kommen und alte und neue Kränkung quitt machen werde.
Von ſeinem Standpunkt aus war es gerechtfertigt, das Bündniß mit Schweden zu ſchließen; die Polen, von ihrem Stand- punkt aus, hatten mindeſtens ein gleiches Recht, dies Bündniß als Abfall anzuklagen. Und war es nun Entrüſtung, oder das Gefühl einer wachſenden Gefahr, daſſelbe Volk, das ſich faſt wider- ſtandslos niedergeworfen hatte, als der Kriegsſturm Karl Guſtav’s über das Land hingezogen war, ſtand jetzt plötzlich aufrecht da, wie ein Aehrenfeld, das ſich dem Sturm gebeugt hat, ohne ge-
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lehnte jedoch, ſo lange er noch freie Hand hatte, das ihm zuge-
muthete Bündniß ab und zog in ſeinen preußiſchen Provinzen ein
Heer zuſammen, deſſen nächſter Zweck eine bewaffnete Neutralität
war; in der Wirklichkeit aber kam die Aufſtellung dieſes Heeres
einem Bündniß mit Polen gegen Schweden gleich. Das Heer
ſelbſt war anſehnlich; es beſtand aus 26,800 Mann mit 34 Ge-
ſchützen und hatte in Otto Chriſtoph von Sparr ſeinen oberſten
Befehlshaber.
So ſtanden die Dinge im Sommer 1656. Wenige Monate
änderten die Sachlage völlig. Dem raſchen Vordringen Karl Guſtav’s
hatte ſich das ſchlecht gerüſtete Polen faſt ohne Widerſtand unter-
worfen. Johann Caſimir war aus Warſchau geflohen, und die
ſchwediſche Kriegswelle, wenig geneigt, ſich in ihrem Siegeslaufe
aufhalten zu laſſen, ſchickte ſich eben an, auch die Provinz Preußen
zu überſchwemmen. Jetzt war für Brandenburg der Moment gege-
ben, den Kampf gegen das herausfordernde Schweden aufzuneh-
men; aber der Kurfürſt, vielleicht voll Mißtrauen in ſeine und
des Landes Kraft, das damals noch keine glänzende Kriegsprobe
beſtanden hatte, vermied den angebotenen Kampf und löſte das
ſtille Bündniß mit Polen, um dafür ein offenes Bündniß mit
Schweden gegen Polen einzugehen. Was der Kurfürſt ein Jahr
vorher den ſchwediſchen Bitten abgeſchlagen hatte, das gewährte er
jetzt raſch und ohne Rückhalt den ſchwediſchen Drohungen. Er gab
dabei dem Gebot der Klugheit nach, vielleicht in ſtiller Vorausſicht,
daß die Stunde der Rückzahlung kommen und alte und neue
Kränkung quitt machen werde.
Von ſeinem Standpunkt aus war es gerechtfertigt, das
Bündniß mit Schweden zu ſchließen; die Polen, von ihrem Stand-
punkt aus, hatten mindeſtens ein gleiches Recht, dies Bündniß
als Abfall anzuklagen. Und war es nun Entrüſtung, oder das
Gefühl einer wachſenden Gefahr, daſſelbe Volk, das ſich faſt wider-
ſtandslos niedergeworfen hatte, als der Kriegsſturm Karl Guſtav’s
über das Land hingezogen war, ſtand jetzt plötzlich aufrecht da,
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/320>, abgerufen am 23.11.2024.
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