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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

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Dies genüge. Dieselbe Ballade enthält übrigens viel schlimmere
Strophen. Keine Dichtungsart vielleicht kann die Verwechslung
von Einfach-natürlichem mit Hausbacken-prosaischem
so
wenig ertragen, wie die Ballade.

Schmidt von Werneuchen war kein Sonettist und noch weni-
ger fast ein Minstrel, der es verstanden hätte, bei den Festmahlen
alter Häuptlinge die heroischen Sagen des Clan's zu singen, aber
er war ein Naturbeobachter und Naturbeschreiber trotz einem; nicht
die Geßner'sche Idylle war seine Force, bei den Niederländern
schien er in die Schule gegangen zu sein, und wenn Friedrich
Wilhelm I. ausrufen durfte: "ich hab' ein treu-Holländisch Herz,"
so durfte Schmidt von Werneuchen sagen: "ich habe ein gut-Hol-
ländisches Auge." Jetzt, wo man es liebt, die Künstler dadurch zu
charakterisiren, daß man sie mit hervorragenden Erscheinungen einer
verwandten Kunst vergleicht, möcht' es gestattet sein, Schmidt von
Werneuchen einen märkischen Teniers zu nennen. Beide haben in
"Bauernhochzeiten" excellirt.

Aber diese "Bauernhochzeiten" unsers märkischen Poeten, und
was ihnen ähnlich sieht, waren doch, der Gesammtheit seines
Schaffens gegenüber, nur die Staffage; er konnte ein Genre-
maler sein, wenn ihm der Sinn darnach stand, vor Allem aber
war er ein Landschafter, oft ein grober Realist, der die Natur
nur äußerlich abschrieb, oft aber auch ein feinfühliger Künstler,
der sich auf die leisesten landschaftlichen Stimmungen, auf den
Ton und alle seine Nüancen verstand. Er war nicht immer der
gereimte Prosaiker, der mit Freude und Behagen niederschreiben
konnte:

Die Küchlein ziepen;
Nestvögel piepen
Im Fliedergrün,
Und Frauen zieh'n
Mit Milch in Kiepen
Barfüßig hin
Zur Städterin --

Dies genüge. Dieſelbe Ballade enthält übrigens viel ſchlimmere
Strophen. Keine Dichtungsart vielleicht kann die Verwechslung
von Einfach-natürlichem mit Hausbacken-proſaiſchem
ſo
wenig ertragen, wie die Ballade.

Schmidt von Werneuchen war kein Sonettiſt und noch weni-
ger faſt ein Minſtrel, der es verſtanden hätte, bei den Feſtmahlen
alter Häuptlinge die heroiſchen Sagen des Clan’s zu ſingen, aber
er war ein Naturbeobachter und Naturbeſchreiber trotz einem; nicht
die Geßner’ſche Idylle war ſeine Force, bei den Niederländern
ſchien er in die Schule gegangen zu ſein, und wenn Friedrich
Wilhelm I. ausrufen durfte: „ich hab’ ein treu-Holländiſch Herz,“
ſo durfte Schmidt von Werneuchen ſagen: „ich habe ein gut-Hol-
ländiſches Auge.“ Jetzt, wo man es liebt, die Künſtler dadurch zu
charakteriſiren, daß man ſie mit hervorragenden Erſcheinungen einer
verwandten Kunſt vergleicht, möcht’ es geſtattet ſein, Schmidt von
Werneuchen einen märkiſchen Teniers zu nennen. Beide haben in
„Bauernhochzeiten“ excellirt.

Aber dieſe „Bauernhochzeiten“ unſers märkiſchen Poeten, und
was ihnen ähnlich ſieht, waren doch, der Geſammtheit ſeines
Schaffens gegenüber, nur die Staffage; er konnte ein Genre-
maler ſein, wenn ihm der Sinn darnach ſtand, vor Allem aber
war er ein Landſchafter, oft ein grober Realiſt, der die Natur
nur äußerlich abſchrieb, oft aber auch ein feinfühliger Künſtler,
der ſich auf die leiſeſten landſchaftlichen Stimmungen, auf den
Ton und alle ſeine Nüancen verſtand. Er war nicht immer der
gereimte Proſaiker, der mit Freude und Behagen niederſchreiben
konnte:

Die Küchlein ziepen;
Neſtvögel piepen
Im Fliedergrün,
Und Frauen zieh’n
Mit Milch in Kiepen
Barfüßig hin
Zur Städterin —

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[292/0310] Dies genüge. Dieſelbe Ballade enthält übrigens viel ſchlimmere Strophen. Keine Dichtungsart vielleicht kann die Verwechslung von Einfach-natürlichem mit Hausbacken-proſaiſchem ſo wenig ertragen, wie die Ballade. Schmidt von Werneuchen war kein Sonettiſt und noch weni- ger faſt ein Minſtrel, der es verſtanden hätte, bei den Feſtmahlen alter Häuptlinge die heroiſchen Sagen des Clan’s zu ſingen, aber er war ein Naturbeobachter und Naturbeſchreiber trotz einem; nicht die Geßner’ſche Idylle war ſeine Force, bei den Niederländern ſchien er in die Schule gegangen zu ſein, und wenn Friedrich Wilhelm I. ausrufen durfte: „ich hab’ ein treu-Holländiſch Herz,“ ſo durfte Schmidt von Werneuchen ſagen: „ich habe ein gut-Hol- ländiſches Auge.“ Jetzt, wo man es liebt, die Künſtler dadurch zu charakteriſiren, daß man ſie mit hervorragenden Erſcheinungen einer verwandten Kunſt vergleicht, möcht’ es geſtattet ſein, Schmidt von Werneuchen einen märkiſchen Teniers zu nennen. Beide haben in „Bauernhochzeiten“ excellirt. Aber dieſe „Bauernhochzeiten“ unſers märkiſchen Poeten, und was ihnen ähnlich ſieht, waren doch, der Geſammtheit ſeines Schaffens gegenüber, nur die Staffage; er konnte ein Genre- maler ſein, wenn ihm der Sinn darnach ſtand, vor Allem aber war er ein Landſchafter, oft ein grober Realiſt, der die Natur nur äußerlich abſchrieb, oft aber auch ein feinfühliger Künſtler, der ſich auf die leiſeſten landſchaftlichen Stimmungen, auf den Ton und alle ſeine Nüancen verſtand. Er war nicht immer der gereimte Proſaiker, der mit Freude und Behagen niederſchreiben konnte: Die Küchlein ziepen; Neſtvögel piepen Im Fliedergrün, Und Frauen zieh’n Mit Milch in Kiepen Barfüßig hin Zur Städterin —

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/310>, abgerufen am 23.11.2024.