Zu Anfang der 90er Jahre scheint er die Stellung als Prediger am Berliner Invalidenhause erhalten zu haben. In diese Zeit fällt seine Verlobung mit seiner geliebten, in vielen Liedern gefeierten Henriette, mit der er 1795 die glücklichste Ehe schloß. 1796 erhielt er die Werneuchner Pfarre. Die Jahre unmittelbar vor und nach seiner Verheirathung umfassen auch die Epoche seines eigentlichen, seines frischesten poetischen Schaffens. Die zahlreichen Lieder an "Henriette" gehören selbstverständlich dieser Zeit an, aber auch seine Vorliebe für das Beschreibende, für die Naturschilde- rung zeigte sich schon damals, der charakteristische Hang für das Abmalen jener Natur, die ihm so zu sagen vor der Thür lag, die er, Tag um Tag, um ihre Eigenart befragen konnte. Den Wunsch, seine Werneuchner Pfarre mit einer anderen zu vertauschen, scheint er nie gehabt zu haben. Sein Wesen war Genügsamkeit, Zufriedenheit mit dem Loose, das ihm gefallen war. Eine Reihe von Kindern wurde ihm geboren; sie waren der Sonnenschein des Hauses. Den jüngsten Knaben (Ulrich) verlor er frühzeitig; kurz vorher oder nachher starb auch die Mutter. Mit ihnen begrub er die Freudigkeit seines Herzens. Eine Reihe von Liedern verräth uns, wie tief er ihren Tod beklagte. Später vermählte er sich zum zweiten Male. Seine zweite Gattin überlebte ihn und errich- tete ihm das Denkmal (ein gußeisernes Kreuz) auf dem Werneuch- ner Kirchhof, das, von einem schlichten Holzgitter eingefaßt, fol- gende Inschrift trägt: "F. W. A. Schmidt, Prediger zu Wer- neuchen und Freudenberg, geb. den 23. März 1764, gest. den 26. April 1838. Rückseite: "Ich will euch wiedersehen und euer Herz soll sich freuen und eure Freude soll Niemand von euch nehmen." Ihm zur Seite ruhen, unter überwachsenen Epheuhügeln, seine erste Gattin (Henriette) und sein Lieblingssohn Ulrich.
Diesen kurzen biographischen Notizen laß ich eine Reihe kleiner Mittheilungen folgen, die ich der Freundlichkeit derer verdanke, die dem Hingeschiedenen im Leben am nächsten standen. Es sind be- sonders Aufzeichnungen seines noch lebenden Sohnes. Sie werden am ehesten geeignet sein, das Charakterbild des Mannes, wie ich
Zu Anfang der 90er Jahre ſcheint er die Stellung als Prediger am Berliner Invalidenhauſe erhalten zu haben. In dieſe Zeit fällt ſeine Verlobung mit ſeiner geliebten, in vielen Liedern gefeierten Henriette, mit der er 1795 die glücklichſte Ehe ſchloß. 1796 erhielt er die Werneuchner Pfarre. Die Jahre unmittelbar vor und nach ſeiner Verheirathung umfaſſen auch die Epoche ſeines eigentlichen, ſeines friſcheſten poetiſchen Schaffens. Die zahlreichen Lieder an „Henriette“ gehören ſelbſtverſtändlich dieſer Zeit an, aber auch ſeine Vorliebe für das Beſchreibende, für die Naturſchilde- rung zeigte ſich ſchon damals, der charakteriſtiſche Hang für das Abmalen jener Natur, die ihm ſo zu ſagen vor der Thür lag, die er, Tag um Tag, um ihre Eigenart befragen konnte. Den Wunſch, ſeine Werneuchner Pfarre mit einer anderen zu vertauſchen, ſcheint er nie gehabt zu haben. Sein Weſen war Genügſamkeit, Zufriedenheit mit dem Looſe, das ihm gefallen war. Eine Reihe von Kindern wurde ihm geboren; ſie waren der Sonnenſchein des Hauſes. Den jüngſten Knaben (Ulrich) verlor er frühzeitig; kurz vorher oder nachher ſtarb auch die Mutter. Mit ihnen begrub er die Freudigkeit ſeines Herzens. Eine Reihe von Liedern verräth uns, wie tief er ihren Tod beklagte. Später vermählte er ſich zum zweiten Male. Seine zweite Gattin überlebte ihn und errich- tete ihm das Denkmal (ein gußeiſernes Kreuz) auf dem Werneuch- ner Kirchhof, das, von einem ſchlichten Holzgitter eingefaßt, fol- gende Inſchrift trägt: „F. W. A. Schmidt, Prediger zu Wer- neuchen und Freudenberg, geb. den 23. März 1764, geſt. den 26. April 1838. Rückſeite: „Ich will euch wiederſehen und euer Herz ſoll ſich freuen und eure Freude ſoll Niemand von euch nehmen.“ Ihm zur Seite ruhen, unter überwachſenen Epheuhügeln, ſeine erſte Gattin (Henriette) und ſein Lieblingsſohn Ulrich.
Dieſen kurzen biographiſchen Notizen laß ich eine Reihe kleiner Mittheilungen folgen, die ich der Freundlichkeit derer verdanke, die dem Hingeſchiedenen im Leben am nächſten ſtanden. Es ſind be- ſonders Aufzeichnungen ſeines noch lebenden Sohnes. Sie werden am eheſten geeignet ſein, das Charakterbild des Mannes, wie ich
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Zu Anfang der 90er Jahre ſcheint er die Stellung als
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Zeit fällt ſeine Verlobung mit ſeiner geliebten, in vielen Liedern
gefeierten Henriette, mit der er 1795 die glücklichſte Ehe ſchloß.
1796 erhielt er die Werneuchner Pfarre. Die Jahre unmittelbar
vor und nach ſeiner Verheirathung umfaſſen auch die Epoche ſeines
eigentlichen, ſeines friſcheſten poetiſchen Schaffens. Die zahlreichen
Lieder an „Henriette“ gehören ſelbſtverſtändlich dieſer Zeit an, aber
auch ſeine Vorliebe für das Beſchreibende, für die Naturſchilde-
rung zeigte ſich ſchon damals, der charakteriſtiſche Hang für das
Abmalen jener Natur, die ihm ſo zu ſagen vor der Thür lag,
die er, Tag um Tag, um ihre Eigenart befragen konnte. Den
Wunſch, ſeine Werneuchner Pfarre mit einer anderen zu vertauſchen,
ſcheint er nie gehabt zu haben. Sein Weſen war Genügſamkeit,
Zufriedenheit mit dem Looſe, das ihm gefallen war. Eine Reihe
von Kindern wurde ihm geboren; ſie waren der Sonnenſchein des
Hauſes. Den jüngſten Knaben (Ulrich) verlor er frühzeitig; kurz
vorher oder nachher ſtarb auch die Mutter. Mit ihnen begrub er
die Freudigkeit ſeines Herzens. Eine Reihe von Liedern verräth
uns, wie tief er ihren Tod beklagte. Später vermählte er ſich
zum zweiten Male. Seine zweite Gattin überlebte ihn und errich-
tete ihm das Denkmal (ein gußeiſernes Kreuz) auf dem Werneuch-
ner Kirchhof, das, von einem ſchlichten Holzgitter eingefaßt, fol-
gende Inſchrift trägt: „F. W. A. Schmidt, Prediger zu Wer-
neuchen und Freudenberg, geb. den 23. März 1764, geſt. den
26. April 1838. Rückſeite: „Ich will euch wiederſehen und euer
Herz ſoll ſich freuen und eure Freude ſoll Niemand von euch
nehmen.“ Ihm zur Seite ruhen, unter überwachſenen Epheuhügeln,
ſeine erſte Gattin (Henriette) und ſein Lieblingsſohn Ulrich.
Dieſen kurzen biographiſchen Notizen laß ich eine Reihe kleiner
Mittheilungen folgen, die ich der Freundlichkeit derer verdanke, die
dem Hingeſchiedenen im Leben am nächſten ſtanden. Es ſind be-
ſonders Aufzeichnungen ſeines noch lebenden Sohnes. Sie werden
am eheſten geeignet ſein, das Charakterbild des Mannes, wie ich
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/302>, abgerufen am 23.11.2024.
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